JudikaturJustiz1Ob11/13v

1Ob11/13v – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. Januar 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** Privatstiftung, *****, vertreten durch Prof. Dr. Haslinger Partner Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei A***** A*****, vertreten durch Dr. Alfred Poferl, Rechtsanwalt in Linz, wegen Unterlassung (Streitwert 15.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 10. Oktober 2012, GZ 4 R 110/12t 25, mit dem das Urteil des Landesgerichts Steyr vom 24. April 2012, GZ 2 Cg 124/11w 12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:

„Die beklagte Partei ist schuldig, den Auftrieb von Vieh, welches nicht auf ihrem Anwesen EZ 110 GB ***** gehalten wird, auf die Liegenschaft EZ 117 GB ***** zu unterlassen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 7.737,26 EUR (darin 788,71 EUR USt und 3.005 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ 117 GB *****. Diese Liegenschaft ist mit der Dienstbarkeit des Weiderechts für sieben Großvieheinheiten auf den Grundstücken 19, 20, 21, 22, 23/1, 24 und 25 zu Gunsten der EZ 110 GB ***** belastet. Eigentümer des herrschenden Grundstücks ist der Beklagte. Grundlage des Weiderechts des Beklagten ist ein vor der Agrarbezirksbehörde Gmunden geschlossenes Parteienübereinkommen vom 22. 5. 1964. In diesem wurde festgelegt, dass die Weidezeit unbeschränkt ist, aber generell nur eigenes Vieh im Rahmen des Weiderechts aufgetrieben werden darf. Der Beklagte kauft Vieh für die Sommerweide an und verkauft dieses anschließend nach dem Abtrieb im Herbst des Jahres wiederum, wobei dies in ca vier bis sechs Weidesaisonen so erfolgt ist und der jeweilige Ankauf und Verkauf des Weideviehs vom bzw mit A***** H***** abgewickelt wurde. Der Beklagte selbst hält kein Weide bzw Rindvieh. Nach der Vereinbarung im schriftlichen Kaufvertrag vom 30. 4. 2011 hatte der Verkäufer A***** H***** für die Betreuung der Tiere während des Sommers zu sorgen; er besaß auch ein Vorkaufsrecht.

Die Klägerin stellte nun das aus dem Spruch dieser Entscheidung ersichtliche Unterlassungsbegehren und brachte dazu im Wesentlichen vor, dass der Beklagte nicht im Sinne der getroffenen Vereinbarung „eigenes Vieh“ auf die Weide treibe. Der Beklagte betreibe einen Kfz Mechanikerbetrieb und halte am eigenen Hof keine Rinder. Er sei schon vor einigen Jahren auf das Verbot des Auftriebs von Fremdvieh angesprochen worden. Er habe dazu angegeben, er kaufe das aufgetriebene Vieh jeweils im Frühjahr von A***** H***** und verkaufe es diesem wieder im Herbst.

Der Beklagte wandte dagegen im Wesentlichen ein, er treibe nur Vieh auf die Weide, das in seinem Eigentum stehe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Zum Zeitpunkt der Ausübung des Weiderechts seien die „Großvieheinheiten“ im Eigentum des Beklagten gestanden. Die Klägerin habe auch in ihrem Prozessvorbringen zugestanden, dass der Beklagte wenn auch nur formal Eigentümer geworden sei. Ob der Beklagte selbst „Großvieheinheiten“ auf eigenem Grund in Stallungen hält bzw ob sich der Beklagte selbst um das Weidevieh kümmert, sei rechtlich unerheblich.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die Revision letztlich für zulässig. Der Begriff „eigenes Vieh“ könne aus dem Blickwinkel des Jahres 1964 wie auch aus heutiger Zeit „sowohl juristisch, landläufig und agrarisch“ nur dahingehend verstanden werden, dass es sich um Vieh handeln müsse, das im Eigentum des Weideberechtigten steht. Anhaltspunkte dafür, wo sich das Vieh sonst aufzuhalten hätte, fänden sich im Übereinkommen nicht einmal ansatzweise. Inwiefern durch den (außer Streit gestellten) Ankauf und den nach der Weidesaison erfolgten Verkauf des Viehs das Verbot des Auftreibens von fremdem Vieh umgangen werden sollte, sei für das Berufungsgericht nicht ersichtlich. Hätten die Parteien die Vereinbarung gewollt, das nur solches Vieh aufgetrieben werden darf, dass ansonsten auf der Liegenschaft des nunmehrigen Beklagten gehalten wird, hätten sie Derartiges vereinbart. Sie hätten dies jedoch nicht getan, sondern sich mit der Formulierung „fremdes Vieh“ begnügt. Das Klagebegehren würde im Übrigen daraus hinauslaufen, den Beklagten zu verpflichten, das aufgetriebene Vieh vor oder nach der Weidezeit auf der herrschenden Liegenschaft zu halten, wodurch er auch daran gehindert wäre, Schlachtungen zur gebotenen Zeit vorzunehmen oder das Vieh zu ihm genehmen Zeiten anzukaufen. Das Berufungsgericht erklärte nachträglich die Revision für zulässig, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung im Zusammenhang mit Weiderechten zur Abgrenzung der Begriffe „eigenes“ bzw „fremdes“ Vieh existiere und unter fremdem Vieh auch solches Vieh verstanden werden könne, das zwar sachenrechtlich im Eigentum des Berechtigten steht, aber seinem landwirtschaftlichen Betrieb nicht zuzuordnen ist.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision der Klägerin ist aus dem vom Berufungsgericht angesprochenen Grund zulässig und auch berechtigt.

Insbesondere kann der erkennende Senat der vom Berufungsgericht vertretenen Auslegung nicht folgen, wonach mit dem verwendeten Begriff „eigenes Vieh“ auch nach dem allgemeinen Sprachgebrauch („landläufig und agrarisch“) lediglich auf das „rechtliche Eigentum“, nicht aber auch auf sonstige wirtschaftliche Umstände abgestellt würde. Wird in einer Vereinbarung über ein Weiderecht ausdrücklich festgelegt, dass nur eigenes Vieh aufgetrieben werden darf, so wird dies von den Vertragsparteien regelmäßig in der Weise verstanden, dass es sich um Vieh handelt, das wirtschaftlich dem (landwirtschaftlichen) Betrieb des Servitutsberechtigten zuzuordnen ist. Regelmäßig wird ja nur derjenige, der selbst eine Landwirtschaft mit Rinderhaltung betreibt, überhaupt den Bedarf nach Weideflächen haben. Das bloß formale Abstellen auf den rechtlichen Eigentümer trägt der hinter einer solchen Servitutsvereinbarung stehenden Interessenlage nicht Rechnung, hätte es doch der Berechtigte nach der Auslegung der Vorinstanzen in der Hand, die Weidefläche wirtschaftlich einem Dritten zur Verfügung zu stellen und für diese Zeit lediglich pro forma das Eigentum an den Rindern zu erwerben. Entgegen der Argumentation des Berufungsgerichts enthält die hier zu beurteilende Vereinbarung den Begriff „fremdes Vieh“ nicht, auch wenn dieser nach dem allgemeinen Sprachgebrauch das korrespondierende Gegenstück zur verwendeten Wortfolge darstellt. In der Sache geht es darum, wie unter den vorliegenden Begleitumständen die ausdrückliche Beschränkung des Weiderechts auf „nur eigenes Vieh“ des Eigentümers des herrschenden Grundstücks zu verstehen ist.

Im vorliegenden Fall hat der Beklagte, der selbst kein Vieh hält, im Jahr 2011 zu Beginn der Weidezeit sieben Rinder zum Zweck des Auftriebs auf die Almweide erworben und dem Verkäufer, der während des Sommers selbst für die Betreuung der Tiere zu sorgen hatte, ein Vorkaufsrecht für die Zeit nach dem Almabtrieb eingeräumt. Gerade der Umstand, dass der Verkäufer sich ausdrücklich dazu verpflichtet hat, für die Betreuung der Tiere während des Sommers zu sorgen, zeigt deutlich das wirtschaftliche Interesse, das auch nach dem Verkauf beim Verkäufer geblieben ist, der sich auch durch ein Vorkaufsrecht abgesichert hat. Angesichts der Feststellung, dass der Beklagte selbst keine Rinder hält, war zudem klar, dass dieses Vorkaufsrecht im Herbst realisieren werden würde, wurden die Tiere nach Beendigung der Almsaison ja jedenfalls verkauft.

Eine Auslegung der Formulierung „beschränkt auf nur eigenes Vieh“ unter Berücksichtigung der typischen Interessen der Beteiligten an einer Dienstbarkeitsvereinbarung über Weiderechte ergibt demnach, dass eine derartige Konstruktion nicht erfasst werden sollte. Der Revisionsgegner, der im Übrigen im Verfahren erster Instanz besondere Umstände oder einen außergewöhnlichen (übereinstimmenden) Parteiwillen bei Abschluss der Servitutsvereinbarung nicht behauptet hat, ist auch nicht in der Lage, darzulegen, warum die Rechtsvorgängerin der Klägerin zwar eine ausdrückliche Beschränkung auf „nur eigenes Vieh“ in die Vereinbarung aufgenommen hat, dennoch aber mit dem Auftreiben von Rindern einverstanden gewesen sein sollte, die wirtschaftlich einem fremden Landwirtschaftsbetrieb zuzuordnen sind. Dabei ist insbesondere auch der Umstand wesentlich, dass es sich um eine Grunddienstbarkeit handelt, die im landwirtschaftlichen Bereich dafür eingeräumt wird, Zwecken des auf dem herrschenden Grundstücks geführten Betriebs zu dienen. Werden in diesem Betrieb aber an sich gar keine Rinder gehalten, besteht der Bedarf nicht, der durch die eingeräumte Dienstbarkeit gedeckt werden soll. Zutreffend verweist die Revisionswerberin insbesondere auch auf die Notwendigkeit einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise, zumal nach § 499 ABGB allgemein „fremdes Vieh“ vom Weiderecht ausgeschlossen sei, diese somit nur das Recht einräumt, Vieh, das wirtschaftlich dem herrschenden Grundstück zuzurechnen ist, auf dem dienenden Grundstück Futter suchen zu lassen ( Memmer in Kletečka/Schauer , ABGB ON §§ 498 502 Rz 1). Fremdvieh ist auch solches, das nur zur Ausnützung der Servitutsweiderechte aufgetrieben wird, sonst aber mit dem landwirtschaftlichen Betrieb des berechtigten Guts nicht in Zusammenhang steht ( Lang , Tiroler Agrarrecht II, 81; ähnlich schon Klang in Klang ² II 575 unter Hinweis auf Ehrenzweig ).

Damit erweist sich das Klagebegehren als berechtigt. Es ist auch entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht etwa deshalb überschießend, weil damit dem Beklagten eben nicht die Möglichkeit verwehrt würde, Rinder, die auch sonst auf seinem Hof gehalten werden, zur gebotenen Zeit zu schlachten oder Vieh zu ihm genehmen Zeiten anzukaufen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO.