JudikaturJustiz1Ob106/72

1Ob106/72 – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. Juni 1972

Kopf

SZ 45/67

Spruch

Die Bestimmung des § 43 PostG bezweckt neben dem Schutz postfremder Personen und Sachen auch den Schutz der Einrichtungen der Post, also ihrer Organe und Beförderungseinrichtungen

OGH 7. 6. 1972, 1 Ob 106/72 (LGZ Wien 45 R 11/72; BG Döbling 6 C 267/71)

Text

Gestützt auf § 5 Postgesetz und §§ 1313a, 1315 ABGB forderte die Republik Österreich (Post- und Telegraphenverwaltung) als Klägerin Schadenersatz für die Verletzung eines ihrer Bediensteten durch ein von der Beklagten in mangelhafter Verpackung versendetes Maschinenmesser. Ihren Schaden erblickte die Klägerin in den während des Krankenstandes des Verletzten vom 26. 4. bis 10. 5. 1970 im Postbetrieb entstandenen Personalmehrkosten im Betrage von S 1890.10.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Am 24. 4. 1970 um 3 Uhr früh sei der Postexpeditor M am Bahnhof W mit dem Entladen von Paketen aus einem Bahnpostwagen beschäftigt gewesen, wobei er die Pakete vor dem Ausladen bei der Tür des Bahnpostwagens ordnungsgemäß gestapelt hatte. Beim Entladen habe M ein Eilpaket, das von der Beklagten der Post zur Beförderung übergeben worden war, von einem gleich bei der Waggontür gelagerten Stapel genommen. Die Verpackung dieses Paktes habe aus 4 Lagen Packpapier, das mit Klebeband fixiert und an der Breitseite an drei Stellen verschnürt war, einer Lage Wellpappe und insgesamt sieben unterschiedlich angebrachten Streifen eines Papierklebebandes bestanden. Das Paket sei den Händen Ms entglitten; als er versucht habe, es mit seinem Oberschenkel aufzuhalten, sei ihm durch ein 4 kg schweres, in dem Paket befindliches Maschinenmesser eine 10 cm lange Schnittwunde am linken Oberschenkel zugefügt worden. Das Messer, das die Verpackung schon vorher beschädigt gehabt habe, weil es auf der im Paket befindlichen Platte nicht fixiert gewesen sei und deshalb in der Verpackung einen gewissen Spielraum gehabt habe, habe auch bedingt durch das hohe Eigengewicht die Verpackung endgültig durchtrennt, als M das Paket aus der Hand geglitten sei. Dem Bediensteten sei an der Verpackung nichts besonderes aufgefallen, es habe sich darauf kein Hinweis auf die Gefährlichkeit des Inhaltes befunden. Eine der Gefährlichkeit des Inhaltes angemessene, sichere Verpackung sei nicht vorgelegen. Der Verletzte sei 15 Tage im Krankenstand gewesen. Bedingt durch diesen Krankenstand hätten Beamte, die turnusmäßig dienstfrei hatten, zum Dienst herangezogen werden müssen, wofür sie gesondert in Form von Überstundengehalt entlohnt werden hätten müssen.

Diesen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht rechtlich dahin, daß die Beklagte gegen § 5 des Postgesetzes verstoßen habe, weil auf Grund der mangelhaften Verpackung die Beförderung dieses Paketes mit der Gefahr für den Postbetrieb verbunden gewesen sei. Die beklagte Partei hafte daher als Absender gemäß § 43 Postgesetz der Post für "jeden Schaden an Personen und Sachen", der auf eine mangelhafte Verpackung zurückzuführen sei. Dem Vorbringen der Beklagten, daß es sich gegebenenfalls um einen mittelbaren Schaden handle, der nach ständiger Judikatur nicht zu ersetzen sei, könne nicht gefolgt werden, da eine Ersatzpflicht für mittelbaren Schaden dann bestehe, wenn eine ausdrückliche Anordnung des Gesetzes, im vorliegenden Fall § 43 Postgesetz, gegeben sei. Die Frage einer Haftung der Beklagten gemäß § 1315 ABGB sei nicht zu prüfen gewesen, weil § 43 Postgesetz ausdrücklich die Haftung des "Absenders", also der Beklagten, normiere.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und änderte das angefochtene Urteil im Sinne einer Klagsabweisung ab. Die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß die Klägerin keinen mittelbaren, sondern einen ihr unmittelbar entstandenen Schaden geltend mache, weil nach § 43 Postgesetz der Absender für jeden Schaden an Personen und Sachen hafte, der auf sein Verschulden oder auf mangelhafte Verpackung zurückzuführen sei, könne nicht gebilligt werden. Nach einhelliger Rechtsprechung könne der Ersatz eines mittelbaren Schadens nur dann vom Schädiger begehrt werden, wenn dies der Gesetzgeber im einzelnen Falle ausdrücklich gestatte. Die Bestimmung des § 43 Postgesetz stelle aber keine derartige ausdrückliche Anordnung des Gesetzes (wie etwa § 1327 ABGB) dar, vielmehr sei aus dieser Bestimmung lediglich eine erweiterte Haftung des Absenders abzuleiten. Es gelten daher für die Haftung des Absenders gegenüber dem Beförderungsinstitut der Post die allgemeinen Grundsätze des Schadenersatzrechtes nach dem Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch. Aber auch § 5 des Postgesetzes, wonach zur Postbeförderung Sachen aller Art zugelassen sind, soweit nicht ihre Beförderung gesetzlich verboten oder mit Gefahr für den Postbetrieb verbunden ist, stelle keine ausdrückliche Anordnung des Gesetzgebers über den Ersatz mittelbaren Schadens dar. Bei dieser Bestimmung handle es sich vielmehr, wie sich bereits aus der Überschrift ergebe, um eine Konkretisierung der Beförderungsaufgaben der Post durch den Gesetzgeber. Mangels einer ausdrücklichen Anordnung des Gesetzes, auch unter Bedachtnahme auf die §§ 5 und 43 Postgesetz, könne daher nur der unmittelbar durch eine rechtswidrige Handlung Verletzte, nicht aber auch der mittelbar Geschädigte Schadenersatz begehren. Der Schaden des Dienstgebers des Verletzten sei daher als mittelbarer Schaden nicht zu ersetzen. Die Entscheidung des Erstgerichtes erweise sich jedoch noch aus einem anderen Grund als rechtlich nicht haltbar. Die Klägerin habe nämlich den ihr angeblich erwachsenen Personalmehraufwand im einzelnen nicht anzuführen und zu beweisen vermocht. Der Erstrichter habe zwar festgestellt, daß dem Verletzten während seines Krankenstandes S 1570.50 zuzüglich Sonderzahlungen von S 259.20 ausbezahlt worden seien und daß ein Betrag von S 60.40 als Dienstgeberbeitrag an die Sozialversicherung zu bezahlen gewesen sei. Daraus ergebe sich aber noch nicht, daß es sich dabei wirklich um einen Personalmehraufwand gehandelt habe. Die Klägerin habe nämlich nicht einmal behauptet, geschweige denn bewiesen, durch welchen Bediensteten und in welchem Zeitraum der verletzte M ersetzt worden sei und welche zusätzlichen Beträge die Klägerin - etwa an Überstundenleistungen - hiefür tatsächlich aufgewendet habe.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Gemäß § 43 Postgesetz haftet der Absender der "Post" (gemeint wohl: der Republik Österreich, Postverwaltung) für jeden Schaden an Personen und Sachen, der auf sein Verschulden oder auf mangelhafte Verpackung zurückzuführen ist. Unter "Post" ist gemäß § 1 Postgesetz die Gesamtheit der Einrichtungen, durch die der Bund die im Postgesetz geregelten Angelegenheiten des Postwesens besorgt, zu verstehen. Der Bund besorgt aber die Angelegenheiten des Postwesens insoweit, als er hiezu Organe der Post und posteigene Beförderungseinrichtungen verwendet (vgl Schaginger - Trpin, Postgesetz und Postordnung, 11). Erleidet daher die Post infolge Verletzung eines ihrer Bediensteten einen Schaden, der auf Verschulden des Absenders oder auf mangelhafte Verpackung zurückzuführen ist, haftet ihr der Absender für diesen "Schaden an einer Person". Hiebei handelt es sich um einen unmittelbaren Schaden, da § 43 Postgesetz, wie sich insbesondere aus dem Zusammenhalt mit den §§ 1 und 5 Postgesetz ergibt, neben dem Schutz postfremder Personen und Sachen auch den Schutz der Einrichtungen der Post, somit ihrer Organe (Bediensteten) und Beförderungseinrichtungen, bezweckt. Dieser Schutzzweck wird noch bei einem Vergleich mit der ebenfalls einen öffentlichen Verkehrsträger betreffenden Bestimmungen des § 60 Abs 6 der Eisenbahnverkehrsordnung, BGBl 1967/170, verdeutlicht, die die Haftung des Absenders gegenüber der Eisenbahn für alle Folgen des Fehlens oder des mangelhaften Zustandes der Verpackung und die Verpflichtung, der Eisenbahn den ihr hieraus entstehen den Schaden zu ersetzen, statuiert.

Die Klägerin hat nun im vorliegenden Verfahren von der Beklagten ausdrücklich an "Personalkosten" nur den Ersatz jener Beträge gefordert, die sie als Dienstgeberin dem Postbediensteten M, der durch ein von der Beklagten in mangelhafter Verpackung versendetes Maschinenmesser verletzt wurde, während des durch die Verletzung verursachten 15tägigen Krankenstandes an Entgelt bezahlen mußte. Hiebei handelt es sich aber nicht um einen Schaden, der die Einrichtungen der Post betraf und die Effizienz des Postbetriebes zu beeinträchtigen geeignet war, sondern vielmehr um die Erfüllung einer der Klägerin als Dienstgeberin gegenüber dem Postbediensteten M als Dienstnehmer auf Grund des Dienstverhältnisses obliegenden, unabhängig von der Verletzung des Bediensteten bestehenden Verpflichtung; dieser Vermögensnachteil fällt aber nicht in den Schutzbereich des § 43 PostG. Einen Personalmehraufwand, der der Klägerin etwa dadurch erwachsen sein könnte, daß zur ordnungsgemäßen Aufrechterhaltung des Postbetriebes während der Zeit der verletzungsbedingten Dienstunfähigkeit des M andere Postbedienstete gegen zusätzliches Entgelt - etwa Überstundenentlohnung - dessen Dienstverrichtungen übernehmen mußten, hat die Klägerin zufolge der Erklärung nicht begehrt.