JudikaturJustiz16R210/23d

16R210/23d – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
21. März 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Sonntag als Vorsitzenden sowie die Richterinnen des Oberlandesgerichts Mag. Ingemarsson und Mag. Janschitz in der Rechtssache der klagenden Partei A* , **, vertreten durch         Mag. Robert Reich-Rohrwig, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. B* AG **, und 2. C * , **, beide vertreten durch Kolarz – Augustin – Mayer Rechtsanwaltspartnerschaft in Stockerau, wegen EUR 5.000 sA, über den Kostenrekurs der klagenden Partei (Rekursinteresse: EUR 3.036,41) gegen die im Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 26. Juni 2023, 30 Cg 64/22m-47, enthaltene Kostenentscheidung in nichtöffentlicher Sitzung den

B e s c h l u s s

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit EUR 370,19 (darin enthalten EUR 61,70 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung

Am 14.11.2020 ereignete sich im Gemeindegebiet von ** ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Lenker des Fahrzeuges D* mit dem behördlichen Kennzeichen ** einerseits, sowie der Zweitbeklagte als Lenker des Fahrzeuges E* mit dem behördlichen Kennzeichen ** andererseits beteiligt waren. Die Erstbeklagte ist die Haftpflichtversicherung des beteiligten Beklagtenfahrzeugs. Das Alleinverschulden am Verkehrsunfall traf den Zweitbeklagten.

Die Erstbeklagte zahlte vor Klagseinbringung an den Kläger ua EUR 12.000 an Schmerzengeld.

1. Verfahrensabschnitt von der Klage ON 1 bis einschließlich ON 18:

Der Kläger begehrte mit seiner Klage vom 15.11.2021 von den Beklagten die Zahlung von

Schmerzengeld EUR 5.000

Schäden am Fahrzeug EUR 5.360

sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle zukünftigen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 14.11.2020. Das Feststellungsbegehren bewertete der Kläger mit EUR 15.000

Gesamtstreitwert EUR 25.360

2. Verfahrensabschnitt (ON 19):

Der Kläger schränkte mit Schriftsatz ON 19 das Klagebegehren um EUR 5.360 ein, weil die Erstbeklagte am 25.3.2022 diesen Betrag auf das Anderkonto des Klagevertreters mit der Widmung „**“ gezahlt hat.

3. Verfahrensabschnitt (ab ON 20):

Mit Schriftsatz ON 20 anerkannten die Beklagten das Feststellungsbegehren.

Mit Urteil vom 26.6.2023 gab das Erstgericht dem Zinsenbegehren von 4 % aus EUR 5.360 von 22.11.2021 bis 24.5.2022 statt, wies das Zahlungsbegehren von          EUR 5.000 sA ab und sprach dem Kläger Kosten in Höhe von EUR 3.687,27 (darin enthalten EUR 984,96 an saldierten Barauslagen) zu.

Rechtlich führte das Erstgericht zur Kostenentscheidung aus, dass der Kläger im ersten Verfahrensabschnitt mit 80% obsiegt habe. Dem Kläger seien daher 60 % seiner Prozesskosten und 80 % der Barauslagen zu ersetzen.

Im zweiten Verfahrensabschnitt habe der Kläger mit 75 % obsiegt, er erhalte daher 50 % seiner Anwaltskosten ersetzt. Der Schriftsatz ON 19 sei jedoch nicht nach     TP 3A, sondern nur nach TP 2 RATG zu honorieren.

Im dritten Verfahrensabschnitt sei der Kläger unterlegen. Er habe den Beklagten hier die Anwaltskosten zu ersetzen. Der Schriftsatz der Beklagten vom 3.6.2022 (ON 20) sei nur nach TP 2 RATG zu honorieren, die Äußerung vom 22.6.2022 (ON 23) sei hingegen nicht zu honorieren.

Dagegen richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Abänderungsantrag, ihm nicht bloß einen Kostenersatz in Höhe von EUR 3.687,27, sondern von insgesamt EUR 6.723,68 zuzusprechen.

Die Beklagten beantragen, dem Rekurs des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1. Bei der nach objektiven Auslegungskriterien vorzunehmenden Prüfung des Anfechtungsumfangs ist der gesamte Inhalt des Rechtsmittels heranzuziehen (vgl RS0036653). Allerdings ist bei Divergenzen zwischen Anfechtungserklärung und Rechtsmittelantrag der Rechtsmittelantrag maßgeblich (RS0043624 [T1]).

Ausgehend vom Inhalt des Rekurses strebt der Kläger den Zuspruch von weiteren EUR 3.259,84 an Kostenersatz an. Im Rechtsmittelantrag begehrt er hingegen lediglich einen weiteren Zuspruch von EUR 3.036,41. Nachdem der Rechtsmittelantrag maßgeblich ist, beträgt das Rekursinteresse EUR 3.036,41.

2.1. Der Kläger moniert, dass das Erstgericht dem Kläger im ersten Verfahrensabschnitt richtigerweise Barauslagen von EUR 2.040,96 zusprechen hätte müssen. Der Kläger habe schließlich in diesem Verfahrensabschnitt    EUR 1.680 an Sachverständigengebühren erlegt.

2.2. Sind bei einer Kostenentscheidung – wie hier – mehrere Verfahrensabschnitte zu bilden, sind alle Barauslagen dem Verfahrensabschnitt ihres Anfalls zuzuordnen ( Obermaier , Kostenhandbuch 3 Rz 1.189; RI0100074; 10 Ob 89/15h), das ist bei Sachverständigengebühren entweder der Verfahrensabschnitt, in dem der Sachverständige tätig wurde (so 2 Ob 99/14v), oder jener, in dem er seine Tätigkeit beendete (so 6 Ob 2072/96s), nicht aber – worauf der Kläger abstellen möchte - der Zeitpunkt des Erlags des Kostenvorschusses.

Das Erstgericht ordnete daher zutreffend nur die im ersten Verfahrensabschnitt angefallenen (und bestimmten) Sachverständigenkosten von EUR 960 diesem Verfahrensabschnitt zu.

3.1. Der Kläger rügt weiters, dass das Erstgericht den Schriftsatz vom 30.5.2022 (ON 19) unrichtig nach     TP 2 statt nach TP 3A RATG honoriert habe. Der Kläger habe im Schriftsatz Vorbringen zur Widmung der Zahlung erstattet, sodass eine Honorierung nach TP 3A RATG angezeigt sei.

3.2. Klagsausdehnungen und -einschränkungen enthaltende Schriftsätze sind als „bestimmende“ Schriftsätze anzusehen, die als solche nicht den zeitlichen Grenzen für vorbereitende Schriftsätze nach § 257 Abs 3 ZPO unterliegen (RS0039828; Klauser / Kodek , JN-ZPO 18 § 257 ZPO E3, E4). Da ein Schriftsatz über eine Klagsänderung weder in TP 1 noch in TP 3 RATG genannt ist, ist er nach dem Auffangtatbestand nach TP 2 I.1.e des RATG zu honorieren (vgl Obermaier , Kostenhandbuch 3 3.63, 3.65; RS0121828), wobei das Vorbringen zur Widmung der Zahlung lediglich den Grund der Klagseinschränkung angibt und daher eine höhere Entlohnung des Schriftsatzes nicht zu rechtfertigen vermag.

4.1. Der Kläger wendet sich weiters dagegen, dass das Erstgericht ihm weder Kosten für den Antrag vom 15.6.2022 auf Erlassung eines Teilanerkenntnisurteils (ON 22), noch für den Antrag auf Gutachtenserörterung vom 26.9.2022 (ON 30) zugesprochen habe. Auch habe der Kläger Anspruch auf Sachverständigengebühren von EUR 1.240. Diese Kosten seien noch vor Fällen des Anerkenntnisurteils in der Streitverhandlung am 19.4.2023 angefallen.

4.2. In der Rechtsprechung ist umstritten, ob und wann bei einem Anerkenntnis iSd § 395 ZPO eine       Streitwertreduktion eintritt.

Nach dem Wortlaut des § 395 ZPO („[…] bei der mündlichen Streitverhandlung […]“) kann ein Anerkenntnis in erster Instanz nur in der mündlichen Verhandlung – auch durch Vortrag eines ein Anerkenntnis enthaltenden Schriftsatzes – erklärt werden. Zwar ist die Fällung des Anerkenntnisurteils auch außerhalb der mündlichen Verhandlung grundsätzlich zulässig, das Gericht darf jedoch nicht aufgrund eines schriftlichen, also außerhalb der mündlichen Verhandlung gestellten Antrags auf Fällung eines Anerkenntnisurteils außerhalb der mündlichen Verhandlung ein Anerkenntnisurteil fällen, weil der Urteilsantrag des Klägers zu seiner Wirksamkeit der mündlichen Erklärung in der Streitverhandlung bedarf (3 Ob 255/04b; 5 Ob 98/74, SZ 47/85 = JBl 1975, 267 = EvBl 1975/33; RS0119634; RS0040859 [T1]; OLG Wien 16 R 178/10d, Zak 2011/26, 19; OLG Wien 9 Ra 253/99p, ARD 5227/53/2001; OLG Innsbruck 15 Ra 70/19k ErwGr I.2.2.; Deixler - Hübner in Fasching / Konecny ³ § 395 ZPO Rz 11; Rechberger / Klicka in Rechberger / Klicka ZPO 5 § 395 ZPO Rz 4). Daraus wird zum Teil geschlossen, dass das in einem Schriftsatz abgegebene Teilanerkenntnis (ohne damit einhergehende Teilzahlung) erst ab dem Zeitpunkt wirkt, ab dem der Kläger erstmals wirksam ein Teilanerkenntnisurteil beantragen kann (OLG Wien 15 R 48/19t; 16 R 11/19h; 16 R 178/10d = RW0000491 ua).

4.3. Das Rekursgericht schließt sich in der vorliegenden Konstellation aber jener Rechtsprechung an, die es als zu formalistisch ansieht, dass ein (Teil-)Anerkenntnis erst durch den Vortrag des Schriftsatzes in der mündlichen Streitverhandlung wirksam wird. Wo das Gesetz Prozesserklärungen mit Schriftsatz zulässt, werden sie mit ihrer Zustellung wirksam (OLG Linz 6 R 110/23y; OLG Wien 33 R 73/22f; OLG Wien 13 R 197/19i; vgl auch OLG Wien 30 R 28/12a, 34 R 152/14v = RW0000732). § 12 Abs 3 und 4 RATG idF des RATG 1969 bezweckten, die Zeitpunkte der honorarrechtlichen Streitwertveränderung bei den den Verfahrensgegenstand ausdehnenden oder (teil-)erledigenden Parteiendispositionen zu harmonisieren. Die Auslegung dahin, das in einem Schriftsatz abgegebene Teilanerkenntnis wirke erst mit dessen Vortrag, widerspricht dieser klaren Intention des Gesetzgebers. Nachdem eine Klagseinschränkung bereits mit der Schriftsatzeinbringung wirkt, ist auch das (Teil-)Anerkenntnis – bedingt mit seinem prozessualen Wirksamwerden – honorarrechtlich nicht anders zu behandeln (vgl auch Obermaier Kostenhandbuch³ Rz 3.80; auch Rz 1.156).

Führt das Anerkenntnis – wie hier - in der Folge zur Fällung eines Teilanerkenntnisurteils, wirkt das Teilanerkenntnis in kostenrechtlicher Hinsicht mit seiner Erklärung; die Bemessungsgrundlage verringert sich – wie bei einer Klagseinschränkung – auf das restlich strittige Begehren bereits mit dem Schriftsatz, in dem die Verfügung über den Streitgegenstand vorgenommen wird (vgl OLG Wien 33 R 73/22f; OLG Graz 4 R 155/18y; Obermaier aaO Rz 1.156 f, Zur Wirksamkeit streitwertverändernder Dispositionen mittels Schriftsatz, ÖJZ 2013/87; vgl auch LG St. Pölten 21 R 20/16y; OLG Linz 1 R 36/19y).

Im Fall der gänzlichen Erledigung eines von mehreren Ansprüchen scheidet dieser Anspruch aus dem Prozess aus. Bei einem prozessualen Teilanerkenntnis sind somit zwei Verfahrensabschnitte zu bilden und es ist im nachfolgenden Abschnitt nur auf das Schicksal des dort noch streitverfangenen Restbetrages abzustellen ( Obermaier aaO Rz 1.153).

Für die Entscheidung über die Kosten des erstgerichtlichen Verfahrens führt daher das Teilanerkenntnis im Schriftsatz ON 20 zur Bildung eines neuen Verfahrensabschnittes, in dem die Bemessungsgrundlage und die Quote des Obsiegens für die streitwertabhängigen Kosten neu zu ermitteln sind. Die Ersatzpflicht für die nach dem Teilanerkenntnis auflaufenden Kosten richtet sich danach, inwieweit jede Partei in Ansehung des materiell noch strittigen Teils obsiegt (vgl Fucik in Rechberger / Klicka , ZPO 5 § 43 ZPO Rz 8 mwN; M. Bydlinski in Fasching / Konecny 3 § 43 ZPO Rz 15; Obermaier , aaO). Bei der Ermittlung der Erfolgsquote und bei der Bemessungsgrundlage ist auf den noch strittigen Betrag abzustellen.

Ausgehend davon unterlag der Kläger im letzten Verfahrensabschnitt, sodass ihm kein Kostenersatz gebührt.

5.1. Der Kläger wendet sich letztlich noch gegen die Honorierung jenes Schriftsatzes der Beklagten (ON 20), mit welchem sie das Feststellungsbegehren anerkannten. Der Schriftsatz sei nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen, weil das Anerkenntnis in der dem Schriftsatz vorhergehenden oder nachfolgenden Streitverhandlung abgegeben hätte werden können.

Wie oben bereits dargelegt, kann ein Anerkenntnis - ungeachtet der Notwendigkeit des Vortrages in der mündlichen Verhandlung - schriftlich erfolgen. Das prozessuale Anerkenntnis ist die einseitige, daher nicht annahmebedürftige, aber durch Abgabe unwiderruflich gewordene Erklärung des Beklagten an das Gericht in der prozessrechtlich vorgeschriebenen Form, dass der vom Kläger geltend gemachte Klageanspruch (ganz oder teilweise) berechtigt ist (RS0037426 und RS0040859). Der Schriftsatz fällt als bestimmender Schriftsatz unter TP 2 I Z 1 lit e RATG ( Obermaier , aaO, Rz 3.64). Mit dem Zeitpunkt des Anerkenntnisses trat – wie oben dargelegt – auch eine Änderungen der Bemessungsgrundlage ein.

Die Beklagte trug im Schriftsatz ON 20 vor, dass das Anerkenntnis in Reaktion auf die Ergebnisse der Streitverhandlung vom 12.5.2022 erfolge. In der Streitverhandlung fanden ua die Einvernahmen des Klägers und des Zweitbeklagten als am Unfall beteiligte Lenker statt. Der gerichtlich bestellte Sachverständige erstattete im Anschluss daran mündlich sein verkehrtechnisches Gutachten. Wenn nun die Beklagten nach einer kurzen Überlegungszeit das Feststellungsbegehren mit Schriftsatz anerkannten, ist dies nicht weiter zu beanstanden und der Schriftsatz war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig. Die Kostenentscheidung des Erstgerichts ist daher auch in diesem Punkt nicht zu korrigieren.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 50, 41 ZPO.

8. Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO jedenfalls unzulässig.