JudikaturJustiz15Os99/08k

15Os99/08k – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. August 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. August 2008 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Harammer als Schriftführer in der Strafsache gegen Ibrahim A***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Sezgin O***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft betreffend diesen Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichts beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 18. Dezember 2007, GZ 445 Hv 6/07g-334, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Sezgin O***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche weiterer Angeklagter sowie gleichfalls rechtskräftig gewordene (Teil )Freisprüche des Djordje S*****, des Ratko S***** und des Sezgin O***** enthält, wurde Letztgenannter aufgrund des Wahrspruchs der Geschworenen des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB (A./), der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (B./I./1./ bis 3./), der Verbrechen des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (B./II./1./ bis 3./) und des Verbrechens des schweren Raubes als Beteiligter nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (B./III./2./) schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien

A./ am 12. April 2007 versucht, Darko I***** durch einen Pistolenschuss vorsätzlich zu töten;

B./ mit Gewalt gegen eine Person sowie durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Waffe nachstehend genannten Personen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, I./ weggenommen oder abgenötigt, und zwar im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB)

1./ mit Hakan S***** und Ibrahim A*****

a./ am 12. April 2007 zum Nachteil der L***** GmbH, indem sie Darko I***** in den Tresorraum drängten, ihm eine Pistole und einen Schlagstock drohend vorhielten und auf ihn einschlugen und sodann aus dem Tresor 1.000 Euro entnahmen;

b./ am 13. April 2007 zum Nachteil des Hotels C*****, indem sie Bardhyl R***** drohend ein Messer vorhielten und ihn mit einem Telefonkabel auf einen Stuhl fesselten, um sodann Bargeld in Höhe von ca 2.000 Euro an sich zu nehmen;

2./ mit Djordje S*****, Markus S***** und Hakan S***** am 15. April 2007 zum Nachteil der Hotel- und Tourismusschule M*****, indem sie Wajdi A***** drohend eine Stahlrute vorhielten und ihn niederschlugen und auf diese Weise bewirkten, dass er ihnen die Hotelsafes zeigte, wodurch sie Bargeld in Höhe von ca 3.000 Euro an sich brachten; 3./ mit Hakan S*****, Ibrahim A***** und Asmir D***** am 12. April 2007 zum Nachteil des Johann B*****, indem sie diesem drohend eine Pistole vorhielten und ihn zwangen, sich auf den Boden zu legen, um ihm in der Folge 16 Euro sowie ein Mobiltelefon wegzunehmen; II./ wegzunehmen oder abzunötigen versucht, und zwar im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB)

1./ mit zwei unbekannt gebliebenen Mittätern am 18. April 2007 zum Nachteil des Hotels M*****, indem sie mit einem Messer bewaffnet auf Markus P***** zugingen, sodass dieser flüchtete, und im Anschluss den Rezeptionsbereich durchsuchten, ohne werthaltige Gegenstände vorzufinden;

2./ mit Hakan S*****, Ibrahim A***** und Asmir D***** am 12. April 2007 zum Nachteil der Firma G*****, indem sie mit einer Pistole bewaffnet versuchten, die Verbindungstüre zu einem Angestelltenraum, in dem sich Srecko S***** befand, zu öffnen, was ihnen jedoch nicht gelang;

3./ mit Hakan S***** und Ibrahim A***** am 13. April 2007 zum Nachteil des Hotels M*****, indem sie mit einer Eisenstange bewaffnet drohend auf Markus P***** zugingen, sodass dieser die Flucht ergriff, um sodann sämtliche Schubladen im Bereich der Portierloge zu durchwühlen, ohne werthaltige Gegenstände vorzufinden; III./ am 10. April 2007 zur Ausführung der strafbaren Handlung des Mitangeklagten Hakan S*****, Ibrahim A***** und David K*****, die am selben Tag im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) mit Gewalt sowie durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Waffe Nikolaus M***** und Andreas G***** als Angestellten des Einrichtungshauses G***** ca 320 Euro Bargeld und Mobiltelefone mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz wegnahmen, indem sie den beiden genannten Opfern Pistolen vorhielten, diesen damit auf den Kopf schlugen und die Schreibtische durchwühlten, dadurch beigetragen, dass er unmittelbar vor der Tat seine Pistole Hakan S***** zwecks Verwendung als Tatwaffe aushändigte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 4 und 6 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Sezgin O*****; sie schlägt fehl.

Die Verfahrensrüge nach Z 4 behauptet einen Nichtigkeit begründenden Verstoß gegen § 305 StPO, weil dem Hauptverhandlungsprotokoll vom 11. Dezember 2007 (ON 332) nicht zu entnehmen sei, welcher der in diesem Jahr noch nicht beeideten Geschworenen bei Vornahme seiner Beeidigung mittels Schwurformel geantwortet habe und welcher mit Handschlag verpflichtet worden sei. Dem zuwider stellt aber nicht einmal das gänzliche Unterlassen der in § 305 Abs 3 StPO vorgesehenen Beurkundung der Beeidigung einen Nichtigkeitsgrund dar (Philipp, WK-StPO § 305 Rz 3). Soweit die Beschwerde weiters kritisiert, die Vorsitzende habe sich im Rahmen des § 305 Abs 2 StPO mit den Angaben der Laienrichter über ihr religiöses Bekenntnis begnügt, sei aber zur Sicherstellung einer korrekten Beeidigung vielmehr verpflichtet gewesen, dieses „über amtswegige Ermittlung" festzustellen, verkennt sie, dass über die Tatsachengrundlage für die Handhabung einer Verfahrensregel grundsätzlich das zuständige richterliche Organ in freier Beweiswürdigung entscheidet (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 40 ff). Diese ist nur nach den Kriterien der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO bekämpfbar. Für behauptete Aufklärungsmängel gilt dabei nichts anderes als in der Schuldfrage, wobei der Beschwerdeführer hier nicht einmal behauptet hat, dass er an einer entsprechenden Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert gewesen sei (vgl WK-StPO § 281 Rz 47; RIS-Justiz RS0115823).

Nichtigkeit begründend nach § 345 Abs 1 Z 4 iVm § 250 StPO ist nur die Unterlassung der Information des Angeklagten über das während seiner Abwesenheit Vorgefallene (§ 250 Abs 2 StPO), nicht jedoch - der Beschwerde zuwider - die (hier: von der Vorsitzenden zum Zweck eines Toilettebesuchs der Angeklagten verfügte [§ 250 Abs 1 erster Satz StPO], kurzzeitige) Absenz an sich (vgl Kirchbacher, WK-StPO § 250 Rz 11; 14 Os 153/07t). Das Bedürfnis, die Toilette aufzusuchen, begründet im Übrigen keine Verhandlungsunfähigkeit iSd § 275 StPO; es wäre vielmehr Sache des Verteidigers gewesen, einen Antrag auf Unterbrechung der Hauptverhandlung nach § 273 StPO zu stellen, sodass ihm die Geltendmachung des Nichtigkeitsgrunds nach § 345 Abs 1 Z 5 StPO offen gestanden wäre.

Die Mitteilung an den Angeklagten über die in seiner Abwesenheit gemachten Aussagen iSd § 250 Abs 1 StPO kann sich auf die (für ihn zur Wahrung seiner Verteidigungsrechte in seinem Strafverfahren) wesentlichen Aspekte beschränken, zumal es dem Verteidiger freisteht, auf eine ihm notwendig erscheinende ergänzende Information des Angeklagten hinzuwirken (WK-StPO § 250 Rz 9; 15 Os 160/07d). Dem wurde aber die Information, dass in seiner Abwesenheit „nichts besprochen wurde, was ihn betrifft" (S 483/VII), im konkreten Fall schon deshalb gerecht, weil der Mitangeklagte Y***** zu einer Tat vernommen worden war, deretwegen der Beschwerdeführer nicht angeklagt war.

Die Fragenrüge (Z 6) verabsäumt es, das Delikt zu bezeichnen, nach dem ihrer Meinung nach eventualiter gefragt werden hätte sollen, und ist daher nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt (RIS-Justiz RS0119418; 15 Os 81/08p). Im Übrigen werden leichte Körperverletzungen vom Raub konsumiert (Eder-Rieder in WK2 § 142 Rz 67), sodass die Stellung einer Eventualfrage zur Hauptfrage 1 in Richtung § 83 Abs 1 StGB, § 83 Abs 2 StGB, § 88 Abs 1 StGB oder § 88 Abs 1 und 3 StGB neben der in Richtung §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB gestellten Hauptfrage 2 rechtlich verfehlt gewesen wäre. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Wien zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§§ 285di, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.