JudikaturJustiz15Os93/17s

15Os93/17s – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. September 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. September 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer in der Strafsache gegen Johann J***** wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 24. Februar 2017, GZ 14 Hv 6/16a 105, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Johann J***** des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB (I.) und der Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 1 StGB (II.) schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien

I. die ihm eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, dadurch wissentlich missbraucht und die Vollmachtgeber dadurch in einem insgesamt 300.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt, dass er jeweils eigenmächtig

A. im Zeitraum von Ende der 1980er Jahre bis Herbst 1992 in seiner Eigenschaft als Angestellter der B***** Anlagegelder von Susanne und Günter N***** in Höhe von zumindest vier Mio ATS (entspricht rund 290.691 Euro) bei riskanten Optionsgeschäften verspekulierte, wodurch Susanne und Günter N***** ein Schaden in dieser Höhe entstand;

B. in seiner Eigenschaft als Angestellter der R***** AG (in der Folge R*****)

1. von Herbst 1992 bis 2014 Anlagegelder in der Höhe von (teilweise umgerechnet) 1.184.800,32 Euro vom R***** Konto der Susanne und des Günter N***** in mehreren Angriffen behob und für private Zwecke verwendete, wodurch diesen ein Schaden von 686.313,46 Euro entstand;

2. ab 2001 bis April 2014 Girokonten lautend auf Susanne und Günter N*****, Michael G***** und Andrea G*****, die er ohne deren Wissen eröffnet hatte, in mehreren Angriffen um einen Betrag von insgesamt 902.578,67 Euro überzog, wodurch der R***** ein Schaden in der genannten Höhe entstand;

3. im Jänner 2013 das Konto seiner Lebensgefährtin Susanne H***** ohne deren Wissen in mehreren Angriffen um den Betrag von 240.000 Euro überzog, wodurch der R***** ein Schaden in der genannten Höhe entstand;

II. falsche Urkunden mit dem Vorsatz hergestellt, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache, nämlich zum Nachweis der Zustimmung der darin angeführten Kunden zur Eröffnung der unter Punkt I.B.2. genannten Konten gebraucht werden, nämlich

A. im Jahr 2010 Kontoöffnungsverträge lautend auf Andrea G***** und Michael G*****;

B. im Jahr 2001 einen Kontoöffnungsvertrag lautend auf Susanne und Günter N*****.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit b) macht einen Verstoß gegen das Prinzip des „ne bis in idem“ (§ 17 Abs 1 StPO) geltend, weil die Staatsanwaltschaft am 10. Mai 2016 das „wegen der §§ 153, 223 StGB geführte Strafverfahren gemäß § 192 Abs 1 Z 1 StPO“ eingestellt habe (vgl ON 1 S 43), am selben Tag aber wegen „derselben Straftatbestände“ die Anklage (ON 79) eingebracht habe. Ein Verfolgungswille der Staatsanwaltschaft sei „keinesfalls erkennbar“.

Ein Feststellungsmangel wird geltend gemacht, indem unter Hinweis auf einen nicht durch Feststellungen geklärten, jedoch indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz angestrebt wird, weil dieses ein Tatbestandsmerkmal, einen Ausnahmesatz (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a bis c StPO) oder eine andere rechtliche Unterstellung bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat (RIS-Justiz RS0118580).

Diese Kriterien verfehlt der Beschwerdeführer, indem er unter Verweis (lediglich) auf die ihm übermittelte Benachrichtigung von der (Teil-)Einstellung des Verfahrens einen Verstoß gegen das Verbot wiederholter Strafverfolgung bloß behauptet, aber auf kein, die gewünschten Feststellungen indizierendes konkretes Verfahrensergebnis (vgl den auch die Einstellungserklärung der Staatsanwaltschaft umfassenden Vortrag des gesamten Akteninhalts gemäß § 252 Abs 2a StPO ON 104 S 18) Bezug nimmt.

Im Übrigen vernachlässigt der Rechtsmittelwerber, dass es sich bei den von der Einstellung betroffenen Taten („durch Günter N***** blanko unterfertigte Auszahlungsbelege“ [vgl ON 54 S 19 und 25] und „Überziehung Verrechnungskonten zum Nachteil der B*****“ [vgl ON 77 S 29, 35 und 45]) gerade nicht um dieselben Taten handelt, die angeklagt (und verurteilt; vgl die Schuldsprüche zu II.B. und I.A.) wurden.

Das Verbot wiederholter Strafverfolgung (§ 17 Abs 1 StGB) bezieht sich nämlich auf Taten, somit historische Lebenssachverhalte, und nicht auf strafbare Handlungen, also rechtliche Kategorien (vgl RIS-Justiz RS0124619). Dass das Strafverfahren – wie hier – wegen anderer, in dieselbe rechtliche Kategorie fallender Taten („Fakten“) zum Teil eingestellt wurde (vgl den Wortlaut des § 192 Abs 1 StPO: „Von der Verfolgung einzelner Straftaten kann die Staatsanwaltschaft … absehen …, wenn dem Beschuldigten mehrere Straftaten zur Last liegen ...“ vgl ON 1 S 43), hinderte die Anklageerhebung daher nicht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.