JudikaturJustiz15Os93/06z

15Os93/06z – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Dezember 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Dezember 2006 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Brandstetter als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Matthias K***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Matthias K***** gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 19. Juni 2006, GZ 9 Hv 54/06h-23, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten K***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch Teilfreisprüche sowie den Schuldspruch gegen einen weiteren Angeklagten enthaltenden Urteil wurde Matthias K***** des Verbrechens der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB (A), des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (B 1.), des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB (C), der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (D) sowie der Vergehen der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB (E) schuldig erkannt.

Danach haben - soweit für die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung - Matthias K***** (und Manuel P*****) am 18. November 2005 in Absdorf „A) im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) versucht, den Jan B***** absichtlich schwer am Körper zu verletzen, indem sie - während er am Boden lag - mit ihren Füßen gegen seinen Kopf und gegen seinen Oberkörper traten, vor dem Warteraum mit ihren Fäusten auf sein Gesicht einschlugen und mit einem Kugelschreiber auf ihn einstachen, wodurch dieser eine deutliche Schwellung am Auge, eine Schädelprellung, eine Gesichtsprellung mit Hautabschürfungen, Nasenbluten, Hautabschürfungen an den Händen, am Hals links und am Oberschenkel links, eine Prellung des rechten Daumens und eine Wunde am Rücken erlitt, sohin Verletzungen leichten Grades verbunden mit einer Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit in der Dauer von 7 Tagen;

...

E) den Jan B***** dadurch geschädigt, indem sie nachgenannte fremde

bewegliche Sachen dauernd aus seinem Gewahrsam entzogen, und zwar

...

II) Matthias K***** alleine, indem er dessen Ausweisetui und dessen Sozialversicherungs-E-card in einen Mistkübel warf."

Rechtliche Beurteilung

Die - inhaltlich nur gegen den Schuldspruch zu A) gerichtete - auf Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K***** verfehlt ihr Ziel.

Die Mängelrüge behauptet eine Unvollständigkeit der Beweiswürdigung (Z 5 zweiter Fall), weil das Erstgericht bei der Feststellung, dass der Angeklagte K***** dem Jan B***** den ersten Schlag versetzt habe (US 11), die entgegenstehende Verantwortung des Angeklagten sowie die Aussage des Zeugen B*****, wonach er nicht mehr genau wisse, wer angefangen habe, unerörtert gelassen habe.

Die Frage, wer von den beiden Angeklagten zuerst zugeschlagen hat, betrifft jedoch im Hinblick auf die konstatierte Mittäterschaft (§ 12 erster Fall StGB) keine für die Frage des Schuldspruchs oder die rechtliche Unterstellung der Tat entscheidende Tatsache und ist daher nicht Gegenstand der Mängelrüge (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 399, 421). Indem die Beschwerde lediglich auf die Bedeutung des „Erstschlags" für die Sanktionsbemessung, somit auf Strafzumessungskriterien Bezug nimmt, gesteht sie dies letztlich selbst zu.

Soweit der Rechtsmittelantrag über die inhaltliche Anfechtung des zu

A) ergangenen Schuldspruches hinausgehend die Aufhebung des Ersturteils begehrt, unterlässt die Nichtigkeitsbeschwerde die gebotene deutliche und bestimmte Bezeichnung von Nichtigkeitsgründen, weshalb auf sie in diesem Umfang keine Rücksicht zu nehmen war (§ 285 Abs 1 zweiter Satz, § 285a Z 2 StPO).

Zum Schuldspruch E) II) ist anzumerken, dass die E-card der Sozialversicherung keine Sache iSd § 135 StGB darstellt. Sie hat jedoch Urkundencharakter, ihre Unterdrückung ist demzufolge - Gebrauchsverhinderungsvorsatz vorausgesetzt - nach § 229 Abs 1 StGB zu beurteilen (vgl 12 Os 42/06b; Kienapfel/Schroll in WK2 [2006] § 223 Rz 86). Diese fehlerhafte Subsumtion wirkte sich jedoch im konkreten Fall nicht zum Nachteil des Angeklagten aus, weil die mehrfache Verwirklichung des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB bei der Strafbemessung nicht als erschwerend gewertet wurde. Es bestand daher kein Anlass zu einem Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO (Ratz, WK-StPO § 290 Rz 23). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofs zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.