JudikaturJustiz15Os82/22f

15Os82/22f – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Oktober 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Oktober 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Schriftführers Mag. Buttinger in der Strafsache gegen * K* wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und 2 StGB, AZ 34 Hv 66/21k des Landesgerichts Leoben, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom 21. Dezember 2021, AZ 9 Bs 379/21k (ON 18), erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Holzleithner zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom 21. Dezember 2021, AZ 9 Bs 379/21k, verletzt § 281 Abs 1 Z 7 iVm § 489 Abs 1 StPO iVm § 41 Abs 1 MedienG und § 8 Abs 2 dritter Satz MedienG.

Text

Gründe:

[1] Beim Landesgericht Leoben wurde zu AZ 34 Hv 66/21k gegen * K* wegen des Verdachts der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und 2 StGB ein Strafverfahren geführt. Diesem schloss sich * N* mit auf verschiedene Rechtsgrundlagen gestützten Ansprüchen als Privatbeteiligter an (ON 2.5, 7; ON 10 S 10 ff), weiters beantragte er den Zuspruch einer Entschädigung nach §§ 6 ff MedienG (ON 10 S 14; vgl auch ON 12 S 6).

[2] Mit Urteil des Landesgerichts Leoben vom 9. September 2021 wurde der Angeklagte von dem von der Staatsanwaltschaft Leoben zu AZ 5 St 174/21a wider ihn erhobenen Vorwurf (ON 6) gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen, er habe am 22. Februar 2021 in K* den Polizeibeamten N* in Beziehung auf eine seiner Berufshandlungen in einer für einen Dritten wahrnehmbaren Weise einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung geziehen oder eines unehrenhaften Verhaltens oder eines gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt, das geeignet war, ihn in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen, wobei er die Tat auf eine Weise beging, wodurch die üble Nachrede einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wurde, indem er auf der öffentlich einsehbaren Facebookseite des E* S* ein Foto des uniformierten N* mit der wahrheitswidrigen Textnachricht: „Lasst dieses Gesicht des Polizisten um die Welt gehen. Dieser Polizist eskalierte bei der Demo in Innsbruck. Ein 82jähriger unschuldiger Mann wurde zu Boden gerissen, verhaftet und stundenlang verhört. Dieser Polizist ist schuldig.“ , teilte, mithin veröffentlichte. Unter einem wurde „gemäß § 366 Abs 1 StPO [...] der Privatbeteiligte [...] N* mit seinen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen“ (ON 12 S 7, ON 12a S 1 f).

[3] Zum Begehren einer Entschädigung nach §§ 6 ff MedienG hielt der Einzelrichter lediglich in den Entscheidungsgründen fest, dass der Privatbeteiligte „in Konsequenz des Freispruchs […] gemäß § 366 Abs 1 StPO mit seinen Ansprüchen – auch im Hinblick auf das Entschädigungsbetragsbegehren gemäß den §§ 6–8 MedienG […] – auf den Zivilrechtsweg zu verweisen“ war (ON 12a S 5).

[4] In einer dagegen gerichteten, auf § 281 Abs 1 Z 7, § 489 Abs 1 StPO iVm § 41 Abs 1 MedienG gestützten Berufung wegen Nichtigkeit relevierte N*, dass durch den Verweis auf den Zivilrechtsweg gemäß § 366 Abs 1 StPO eine Erledigung des Entschädigungsantrags unterblieben sei (ON 15).

[5] Das Oberlandesgericht Graz gab der Berufung mit Urteil vom 21. Dezember 2021, AZ 9 Bs 379/21k, nicht Folge und erkannte, dass der Berufungswerber zwar zur Anfechtung des Urteils wegen Nichtigkeit zum Nachteil des Angeklagten legitimiert sei, der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund jedoch nicht vorliege. Denn die im Ersturteil ausgesprochene Verweisung des N* mit seinen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg beziehe sich nach den zur Auslegung und Verdeutlichung heranzuziehenden Entscheidungsgründen (US 5 letzter Absatz) ausdrücklich auch auf das Entschädigungsbegehren nach §§ 6 ff MedienG, sodass „(ungeachtet deren inhaltlicher und formeller Richtigkeit)“ darüber eine Entscheidung erfolgt sei und somit der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 7 StPO nicht vorliege. Die zu Unrecht erfolgte Nichtannahme der Anspruchsgrundlagen nach §§ 6 bis 7c MedienG hätte mit Rechtsrüge oder Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld releviert werden können (ON 18 S 3).

Das Urteil des Oberlandesgerichts verletzt – wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt – das Gesetz :

Rechtliche Beurteilung

[6] Ansprüche auf eine Entschädigung nach §§ 6 bis 7c MedienG stellen als solche sui generis – ungeachtet ihrer schadenersatzrechtlichen Aspekte – keine privatrechtlichen Ansprüche dar, über die das Strafgericht in einem Adhäsionserkenntnis nach § 260 Abs 1 Z 5 erster Fall oder nach § 366 Abs 1 StPO zu entscheiden hätte (vgl §§ 8, 41 MedienG; 14 Os 118/02 [14 Os 119/02]; RIS Justiz RS0108866; Rami in WK 2 MedienG § 8 Rz 2/4 mwN). Vielmehr ist über einen medienrechtlichen Entschädigungsantrag spruchförmig meritorisch (durch Stattgebung oder Abweisung) zu entscheiden (vgl § 8 Abs 2 dritter Satz MedienG [arg „Entscheidung über einen Entschädigungsanspruch“]) und eine Verweisung des Antragstellers auf den Zivilrechtsweg (§ 366 StPO) nicht möglich ( Rami aaO Rz 3; § 8a Rz 11). Wurde dem nicht entsprochen, blieb der Entschädigungsantrag unerledigt.

[7] Indem das Oberlandesgericht den in erster Instanz erfolgten Ausspruch nach § 366 Abs 1 StPO rechtlich verfehlt auch als Entscheidung über die medienrechtlichen A nsprüche nach §§ 6 ff MedienG beurteilt und das Vorliegen des Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z 7 StPO verneint hat (vgl dazu Ratz , WK StPO § 281 Rz 526), verletzt das gegenständliche Berufungsurteil § 281 Abs 1 Z 7 iVm § 489 Abs 1 StPO iVm § 41 Abs 1 MedienG und § 8 Abs 2 dritter Satz MedienG.

[8] Die Gesetzesverletzungen gereichen K* nicht zum Nachteil, weshalb ihre Feststellung nicht mit konkreter Wirkung zu verbinden war (§ 292 vorletzter Satz StPO).