JudikaturJustiz15Os7/21z

15Os7/21z – OGH Entscheidung

Entscheidung
04. Februar 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Februar 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in der Strafsache gegen W***** K***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB, AZ 12 Hv 22/19g des Landesgerichts für Strafsachen Graz, über die Grundrechtsbeschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 21. Dezember 2020, AZ 9 Bs 356/20a, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019) zu Recht erkannt:

Spruch

W***** K***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

[1] W***** K***** wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Geschworenengericht vom 17. Jänner 2020, GZ 12 Hv 22/19g 211, des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt und zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Zugleich wurde seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB angeordnet.

[2] Seine Nichtigkeitsbeschwerde wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 5. Juni 2020, AZ 15 Os 51/20v, zurückgewiesen.

[3] Mit Beschluss vom 9. Oktober 2020 setzte der Vorsitzende des Geschworenengerichts die über den Angeklagten verhängte Untersuchungshaft gemäß § 1 7 3 Abs 1 und Abs 6 StPO fort.

[4] Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Graz mit Beschluss vom 21. Dezember 2020 nicht Folge und setzte die Haft gleichfalls gemäß § 173 Abs 6 StPO fort (ON 217).

Rechtliche Beurteilung

[5] Dagegen richtet sich die Grundrechtsbeschwerde des W***** K*****, der keine Berechtigung zukommt.

[6] Eine unrichtige Beurteilung eines Haftgrundes liegt nur dann vor, wenn die Prognose angesichts der zugrunde gelegten bestimmten Tatsachen willkürlich getroffen wurde, also unvertretbar war (RIS Justiz RS0117806). Zudem ist bei einer – wie hier aufgrund der Strafdrohung des § 75 StGB gegebenen – bedingt obligatorischen Untersuchungshaft zu beachten, dass Umstände, die einen Haftgrund nicht annehmen lassen (§ 173 Abs 2 StPO), nicht gleichzusetzen sind mit solchen, die im Sinn des § 173 Abs 6 StPO sein Vorliegen ausschließen (RIS Justiz RS0113413 [T2]).

[7] Ausgehend davon erweisen sich die Erwägungen des Oberlandesgerichts, wonach Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a StPO nicht auszuschließen sei (BS 3), als nicht zu beanstanden. Demnach erscheint die Gefahr, der Angeklagte werde mit hoher Wahrscheinlichkeit neuerlich Tathandlungen mit schweren Folgen (Raub, schwere Körperverletzungs und Tötungsdelikte) begehen, weiterhin gegeben, was sich aus den aus dem Schuldspruch ableitbaren Charaktereigenschaften des K*****, insbesondere seiner massiven Gewaltbereitschaft, sowie aus den psychiatrischen bzw psychologischen Gutachten der Sachverständigen Univ. Prof. Dr. W***** (ON 107) und Mag. R***** (ON 89) ergebe. Mit dem Verweis darauf, dass sich das Tötungsdelikt lediglich auf das Verhältnis des Angeklagten zu seinem Vater bezogen habe und andere strafbare Handlungen nicht aktenkundig seien, zeigt die Beschwerde keine w illkürliche Begründung auf.

[8] Schon damit ist der Haftgrund des § 173 Abs 6 StPO mängelfrei begründet (RIS Justiz RS0061196).

[9] Im Übrigen hat das Beschwerdegericht ohne Willkür dargelegt, dass auch der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 173 Abs 2 Z 1 StPO) nicht auszuschließen ist. Dies leitete es aus dem aus der erstgerichtlichen Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe resultierenden Fluchtanreiz bei nicht gegebener beruflicher oder familiärer Bindung zu Österreich ab.

[10] Soweit die Beschwerde weiters kritisiert, die Untersuchungshaft wäre „als Hausarrest fortzusetzen gewesen“, übersieht sie, dass es sich beim elektronisch überwachten Hausarrest nach § 173a StPO nur um eine Modalität der Untersuchungshaft, nicht aber um ein diese substituierendes gelinderes Mittel handelt. Entscheidungen, die auf Fortsetzung der Untersuchungshaft in dieser Form gerichtete Anträge abweisen, greifen demnach nicht in das Grundrecht auf persönliche Freiheit ein, sondern betreffen bloß die Umstände des Freiheitsentzugs. Diese sind aber nicht Gegenstand einer Grundrechtsbeschwerde und generell vom Schutzbereich des Art 5 MRK nicht umfasst (RIS Justiz RS0126401).

[11] W***** K***** wurde somit im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt. Die Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.