JudikaturJustiz15Os54/22p

15Os54/22p – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Juli 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juli 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Marko, BA, BA, in der Strafsache gegen * L* wegen mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 23. Februar 2022, GZ 38 Hv 126/21b 13, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * L* der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 [zweiter Fall] StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in B* außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen von unmündigen Personen an sich vornehmen lassen, und zwar

1./ zu nicht näher feststellbaren Zeitpunkten von 2012 bis 2016 zumindest dreimal von der am * 2004 geborenen M* H* dadurch, dass er sie jeweils hinter ihr stehend aufforderte, eine Hand nach hinten zu geben, um ihr gemeinsam das Ministrantenkleid ordentlich anzuziehen und ihr gemeinsam mit dem Hosenträger des Ministrantenkleids seinen Penis in die linke Hand legte, ihre Hand leicht mit seiner Hand umfasste und einige Sekunden lang vor und zurück bewegte;

2./ im Zeitraum 2018/2019 zu zwei nicht näher feststellbaren Zeitpunkten von der am * 2009 geborenen S* H* dadurch, dass er sie hinter ihr stehend beim Anziehen des Ministrantenkleids aufforderte, eine Hand nach hinten zu geben, sodann ihren linken Unterarm leicht umfasste und ihren ausgestreckten Zeigefinger an seinen Penis führte, wo er für einige Sekunden verblieb, bis sie ihren Finger wegzog;

3./ zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt zwischen November 2013 und März 2014 oder zwischen November 2014 bis März 2015 von der am * 2006 geborenen * W* dadurch, dass er sie hinter ihr stehend beim Anziehen des Ministrantenkleids aufforderte, nach hinten nach einem Gummiband zu greifen, woraufhin sie mit beiden Händen hinter ihren Rücken griff und er ihr seinen Penis in eine ihrer halb geöffneten Handflächen legte, sodass sie diesen für die Dauer einiger Sekunden umfasste, wobei sie die Hand zumindest einmal wegführte und er sie aufforderte noch einmal hinzugreifen, was sie auch tat.

Rechtliche Beurteilung

[3] Gegen dieses Urteil richtet der Angeklagte seine auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde, der – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – keine Berechtigung zukommt.

[4] Soweit die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) die „Glaubwürdigkeit“ der den Angeklagten belastenden Angaben der Tatopfer bekämpft, ist vorauszuschicken, dass der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit einer Zeugin aufgrund des von dieser in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks führende kritisch psychologische Vorgang einer Anfechtung mit Mängelrüge entzogen ist (RIS-Justiz RS0106588, RS0099419).

[5] Die Beurteilung der Überzeugungskraft von Aussagen kann allerdings unter dem Gesichtspunkt von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) mangelhaft erscheinen, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat. Der Bezugspunkt besteht jedoch nicht in der Sachverhaltsannahme der Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit, sondern ausschließlich in den Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen ( RIS-Justiz RS0106588 [T15] ).

[6] Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) kritisiert zu 2./ des Schuldspruchs das Unterbleiben einer Auseinandersetzung der Tatrichter mit den in der Hauptverhandlung vorgekommenen (ON 12 S 17 f), teils differierenden Angaben der Zeugin S* H* vor der Kriminalpolizei und vor Gericht, wonach sie den Penis des Angeklagten einerseits mit der Hand (ON 2.19.6 f), andererseits jedoch bloß mit dem Zeigefinger (ON 7 S 7 ff, 12 f, 16) berührt habe. Dies betrifft mit Blick auf den durch den Angeklagten bewusst, einige Sekunden andauernden (US 7) und somit keinesfalls bloß flüchtig herbeigeführten Körperkontakt zwischen dem Penis des Angeklagten und dem Finger des Tatopfers jedoch keine entscheidende Tatsache (RIS Justiz RS0095733, RS0095739; Philipp in WK 2 StGB § 202 Rz 9 ff, § 207 Rz 7 und 9).

[7] Indem das weitere Rechtsmittelvorbringen die Glaubwürdigkeit aller Tatopfer mit Zweifeln an der Erkennbarkeit eines Penis bloß durch Berührung, ohne diesen zu sehen, bestreitet und solcherart auch die zu 1./ und 3./ des Schuldspruchs getroffenen Feststellungen kritisiert, bekämpft es unter prozessordnungswidriger Außerachtlassung der Gesamtheit der Entscheidungsgründe ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 394) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen Schuld die Beweiswürdigung der Tatrichter. Auf die Behauptung, dass aus den vorliegenden Umständen auch andere Schlüsse gezogen werden könnten und dass die des Urteils nicht zwingend sind, kann eine Rüge nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO nicht gestützt werden (RIS-Justiz RS0099455).

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 285d StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Innsbruck zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft folgt (§ 285i StPO).

[9] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.