JudikaturJustiz15Os51/17i

15Os51/17i – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Juni 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Juni 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Spunda als Schriftführerin in der Strafsache gegen Manuel S***** wegen Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Schöffengericht vom 15. Dezember 2016, GZ 15 Hv 14/16d 40, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das unter anderem auch einen verfehlten (vgl Lendl , WK StPO § 259 Rz 1)„Subsumtionsfreispruch“ enthält, wurde der Angeklagte der Vergehen der pornographischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs 3 erster und zweiter Satz StGB (I./), des Vergehens der pornographischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs 1 Z 2 StGB (II./), der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (III./A./), des Vergehens der sittlichen Gefährdung von Personen unter 16 Jahren nach § 208 Abs 1 StGB (III./B./) sowie der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (IV./) schuldig erkannt.

Danach hat er – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – in K*****

...

III./A./ zu nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten vor dem ***** September 2014 mit der ***** geborenen Natalie W*****, sohin einer unmündigen Person, eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen, indem er in zumindest drei Angriffen ihre Scheide streichelte, sodann seine Finger in ihre Vagina einführte, diese mit dem Finger penetrierte und die Finger in ihrer Scheide bewegte, wobei die Angriffe jeweils mehrere Minuten lang dauerten;

III./B./ zwischen Oktober 2014 und Sommer 2015 eine Handlung, die geeignet ist, die sittliche, seelische oder gesundheitliche Entwicklung von Personen unter 16 Jahren zu gefährden, an einer seiner Aufsicht unterstehenden Person unter 16 Jahren vorgenommen, um sich dadurch geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, indem er die Hand der ***** geborenen Natalie W***** zu seinem nackten erigierten Penis führte, sodass sie diesen mit der Hand berührte und umschloss;

IV./ durch die zu III./A./ beschriebenen Taten mit einer minderjährigen Person, die seiner Erziehung, Ausbildung oder Aufsicht unterstand, nämlich der Stiefschwester seiner Lebensgefährtin, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dieser Person jeweils eine geschlechtliche Handlung vorgenommen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) liegt vor, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS Justiz RS0099547). Die von den Erstrichtern aus den erhobenen Beweisen mängelfrei gezogenen Schlussfolgerungen können indes nicht unter dem Aspekt einer Aktenwidrigkeit angefochten werden (RIS Justiz RS0099524).

Soweit die Beschwerde zu III./A./ die auf die Aussage des Tatopfers in der kontradiktorischen Vernehmung (ON 27 S 19) gestützte Urteilsannahme von zumindest drei Angriffen vor dem 14. Geburtstag des Mädchens (US 5) als mit dem Vernehmungsprotokoll nicht im Einklang stehend, somit als aktenwidrig bekämpft, übersieht sie, dass die Tatrichter die Aussage der Zeugin in ihrer Urteilsbegründung nicht (falsch) wiedergegeben, sondern gewürdigt und in Bezug auf Beweiswert und -kraft bewertet haben (US 9). Dass die Tatrichter aus den Depositionen der Zeugin statt dieser vertretbarerweise gezogenen Schlüsse nicht andere abgeleitet haben, stellt bloß eine – in diesem Rahmen unzulässige – Kritik an der Beweiswürdigung dar (RIS Justiz RS0099431 [T2]).

Die Ableitung der Anzahl der Übergriffe vor dem 14. Geburtstag aus der Aussage der Zeugin W***** widerspricht weder den Kriterien folgerichtigen Denkens noch grundlegenden Erfahrungswerten und ist daher auch unter dem Aspekt offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden. Mit Widersprüchen zwischen polizeilicher (ON 24) und kontradiktorischer Vernehmung (ON 27) sowie mit dem Umstand, dass sich die Zeugin nicht an „jedes Detail“ der Übergriffe erinnern konnte, haben sich die Tatrichter zudem ausdrücklich auseinandergesetzt (US 8 f).

Zu den Schuldsprüchen III./B./ und IV./ macht die Rüge (Z 9 lit a) Rechtsfehler mangels Feststellungen geltend, weil es an Konstatierungen auf der „objektiven Ebene“ fehle, wonach das Tatopfer sich gerade im Zeitpunkt der jeweiligen Tathandlung unter der Aufsicht des Angeklagten befand. Dabei nimmt sie jedoch – entgegen den für die Geltendmachung materiell rechtlicher Nichtigkeit geltenden Kriterien (vgl RIS Justiz RS0099810) – nicht an den Urteilsannahmen in ihrer Gesamtheit Maß und übergeht solcherart die vom Erstgericht diesbezüglich gar wohl getroffenen Konstatierungen (US 5, 6, 11 und 16). Welcher Feststellungen darüber hinaus es zu einer aus Sicht des Angeklagten rechtsrichtigen Subsumtion bedurft hätte, legt die Beschwerde nicht dar.

Bleibt anzumerken, dass wegen sittlicher Gefährdung von Personen unter sechzehn Jahren nach § 208 Abs 1 StGB zu bestrafen ist, wer eine Handlung, die geeignet ist, die sittliche, seelische oder gesundheitliche Entwicklung von Personen unter sechzehn Jahren zu gefährden, vor einer unmündigen oder einer seiner Erziehung, Ausbildung oder Aufsicht unterstehenden Person unter sechzehn Jahren vornimmt, um dadurch sich oder einen Dritten geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen. Das Tatbild stellt also auf eine vor dem Opfer begangene Handlung ab. Vom Opfer am Täter vorgenommene geschlechtliche Handlungen fallen daher nicht darunter (vgl RIS Justiz RS0095353; Tipold in Leukauf/Steininger , StGB 4 § 208 Rz 7).

Nach den zu III./B./ getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte, der zunächst allein mit offener Hose und nacktem Penis in einem Raum saß, nach dem Eintreten der 14 jährigen Natalie W***** deren Hand genommen und sie zu seinem nackten und erigierten Penis geführt, wobei sie diesen kurz berührte und mit ihrer Hand umschloss (US 6).

Bei dieser vom Opfer geduldeten gezielten Berührung des Geschlechtsteils des Täters mit seiner Hand handelt es sich um eine unter Einbeziehung des Körpers des Opfers am Täter vorgenommene geschlechtliche Handlung, die nicht dem Tatbild des § 208 Abs 1 StGB unterfällt.

Vielmehr wäre das festgestellte Verhalten des Angeklagten unter Einbeziehung des ebenfalls konstatierten – und mängelfrei begründeten – Umstands seinerseits erfolgter absichtlicher Ausnützung eines in Form eines Aufsichtsverhältnisses tatsächlich bestehenden Autoritätsverhältnisses (US 6, 11) dem Tatbestand des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB zu unterstellen. Dieser ist jedoch im Vergleich zu § 208 Abs 1 StGB mit höherer, nämlich bis zu dreijähriger Freiheitsstrafe bedroht. Die im Urteil zu III./B./ erfolgte ungerügt gebliebene und im Übrigen mangels Beschwer zu Gunsten des Angeklagten auch gar nicht geltend zu machende (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 656 mwN) unrichtige Subsumtion (Z 10) gereicht dem Angeklagten daher nicht zum Nachteil, weshalb es auch keiner amtswegigen Maßnahme bedarf (§ 290 Abs 1 StPO).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.