JudikaturJustiz15Os48/21d

15Os48/21d – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Mai 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Mai 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann im Verfahren zur Unterbringung der M***** S***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17. Februar 2021, GZ 62 Hv 137/20z 60, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung wegen Strafe werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde M***** S***** gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil sie am 14. Juni 2020 in W***** unter dem Einfluss einer die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Geisteskrankheit (§ 11 StGB), die auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades beruhte, nämlich einer schizomanisch schizoaffektiven Psychose (ICD 10; F25), versucht hat, A***** St***** eine schwere Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung zuzufügen, indem sie mit einem Schirm und einer Glasflasche in Richtung des Kopfes von St***** schlug, wobei es nur deshalb beim Versuch blieb, weil diese die Angriffe mit ihrem Unterarm abwehren konnte,

und dadurch eine Tat begangen hat, die als Verbrechen der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist.

Rechtliche Beurteilung

[2] Dagegen richtet sich die auf Z 5 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Betroffenen, der keine Berechtigung zukommt.

[3] Der Kritik der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider haben sich die Tatrichter mit dem Umstand, dass die Zeugin St***** bei ihrer polizeilichen Vernehmung erklärte, nicht mit der Glasflasche, sondern lediglich mit dem Schirm getroffen worden zu sein (ON 2 S 22), in der Hauptverhandlung aber angab, sie sei mit dem Schirm und der Flasche geschlagen worden (ON 59 S 3 f), dezidiert auseinandergesetzt (US 6 f). Ob die Flasche im Anschluss an die Auseinandersetzung am Boden zerbrach (ON 59 S 4) oder „bei den Blumen“ zu liegen gekommen ist (ON 51 S 11), war nicht gesondert erörterungsbedürftig.

[4] Auch auf Widersprüche in der Aussage der Zeugin L***** ist das Erstgericht eingegangen (US 7). Insofern erfolgte auch im Umfang des Vorwurfs der (im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit) versuchten schweren Körperverletzung zum Nachteil der L***** eine Antragsabweisung (US 3; RIS-Justiz RS0117261 [T5]; vgl auch Lendl , WK-StPO § 259 Rz 15).

[5] Entgegen dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) haben die Tatrichter die Feststellungen zur objektiven Tatseite – logisch und empirisch mängelfrei – auf die Aussagen der Zeuginnen St***** und L***** (diese vor allem zum „grundsätzlich aggressiven und gewaltbereiten Verhalten der Betroffenen“; US 6) gegründet. Indem die Beschwerde kritisiert, dass das Erstgericht die Ausführungen der Betroffenen als „wirr und teilweise nicht zusammenhängend“ bewertet habe (US 7), und argumentiert, aus der Vorstrafenbelastung der Betroffenen ließe sich kein gewalttätiges Vorgehen ableiten, bekämpft sie die Beweiswürdigung des Erstgerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Berufung wegen Schuld.

[6] Soweit die Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) eine Überschreitung der Anordnungsbefugnis moniert, weil die Anlasstat „bei richtiger Beurteilung“ nicht die „erforderliche Mindeststrafdrohung“ aufweise, übergeht sie (vgl aber RIS Justiz RS0099810) die Konstatierungen des Erstgerichts zum Vorliegen einer Tat, die der mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bedrohten strafbaren Handlung der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB (US 2, 5) zu subsumieren wäre.

[7] Weshalb „sowohl die Gefährlichkeitsprognose, als auch (allfällige) Prognosetaten durch das Erstgericht verfehlt beurteilt“ wurden, erklärt die Rüge nicht. Die Feststellungen zu den zu befürchtenden Taten finden sich im Übrigen auf US 5 letzter Absatz („qualifizierte Todesdrohungen, aber auch Gewaltdelikte in Form von schweren Körperverletzungen oder versuchten schweren Körperverletzungen“).

[8] Soweit die Beschwerde den Inhalt des Sachverständigengutachtens (ON 39; ON 59 S 4 ff) kritisiert und den darauf gegründeten Inhalt der erstgerichtlichen Gefährlichkeitsprognose bekämpft, macht sie lediglich einen Berufungsgrund geltend (RIS-Justiz RS0118581 [T11]; RS0113980).

[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – ebenso wie die im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene Berufung wegen Schuld (§§ 280, 283 Abs 1 StPO) – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285i StPO).