JudikaturJustiz15Os45/06s

15Os45/06s – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. Juni 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. Juni 2006 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hennrich als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Harald D***** wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB, AZ 16 U 472/04z des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Durchführung der Hauptverhandlung am 12. Oktober 2004 und Fällung eines Urteils in Abwesenheit des Beschuldigten sowie den unter einem gefassten Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Weiß, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafsache gegen Harald D*****, AZ 16 U 472/04z des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien, verletzen

die in Abwesenheit des nicht gehörig geladenen Beschuldigten erfolgte Durchführung der Hauptverhandlung am 12. Oktober 2004 sowie die Fällung eines Abwesenheitsurteiles § 459 StPO und

die unter einem erfolgte Beschlussfassung nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO ohne Anhörung des Beschuldigten auch § 494a Abs 3 StPO. Das Abwesenheitsurteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 12. Oktober 2004, GZ 16 U 472/04z-12, sowie der unter einem gefasste Widerrufsbeschluss werden aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien verwiesen.

Text

Gründe:

Gegen Harald D***** ist zu AZ 16 U 472/04z des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien ein Strafverfahren anhängig. Am 5. August 2004 beantragte die Anklagebehörde die Bestrafung des Harald D***** wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB und gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO den Widerruf der zu AZ 162 Hv 45/04g des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gewährten bedingten Strafnachsicht (ON 3a).

Der Bestrafungs- und Widerrufsantrag konnte dem Beschuldigten nicht zugestellt werden (ON 3b), wohl aber zu eigenen Handen die Ladung zur Hauptverhandlung vom 12. Oktober 2004 (Rückschein S 41). Der Verfügung der Ladung zur Hauptverhandlung (S 27, 31) ist keine Anordnung zum Anschluss einer Ausfertigung des Bestrafungs- und Widerrufsantrages zu entnehmen. Die Ladung selbst enthält lediglich einen Hinweis auf die „§§ 127, 15 StGB" (vgl Postfehlbericht ON 6). Es ist demnach davon auszugehen, dass dem Beschuldigten der Anklagevorwurf nicht zur Kenntnis gebracht wurde.

Am 12. Oktober 2004 führte das Bezirksgericht Innere Stadt Wien die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Beschuldigten Harald D***** durch und fällte einen Schuldspruch wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB. Gemeinsam mit dem Abwesenheitsurteil wurde gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO der Beschluss auf Widerruf der zu AZ 162 Hv 45/04g des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gewährten bedingten Strafnachsicht verkündet.

Das Abwesenheitsurteil (samt dem gemäß § 494a Abs 4 StPO gemeinsam ausgefertigtem Widerrufsbeschluss) konnte dem Beschuldigten bislang nicht zugestellt werden.

Rechtliche Beurteilung

Die Durchführung der Hauptverhandlung und die Urteilsfällung am 12. Oktober 2004 in Abwesenheit des Beschuldigten sowie der unter einem gefasste Widerrufsbeschluss stehen, wie der Generalprokurator in seiner Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Die Verhandlung und Urteilsfällung vor dem Bezirksgericht in Abwesenheit des Beschuldigten setzen gemäß § 459 StPO dessen gehörige Ladung voraus. Diese wiederum erfordert die spätestens mit der Ladung erfolgte Zustellung des Bestrafungsantrages (Rainer, WK-StPO § 459 Rz 3; Fabrizy StPO9 § 459 Rz 1; SSt 61/54). Die Durchführung der Hauptverhandlung am 12. Oktober 2004 sowie die Fällung eines Abwesenheitsurteiles (§ 459 StPO) waren daher unzulässig. Gemäß § 494a Abs 3 erster Satz StPO ist vor einer Entscheidung nach Abs 1 leg cit - sofern kein Ausspruch nach Z 1 oder 2 erfolgt - der Angeklagte zu hören. Da dem Beschuldigten nach der Aktenlage eine Gelegenheit zur Äußerung zum Widerrufsantrag nicht eingeräumt worden ist, verletzt die solcherart erfolgte Fassung des Widerrufsbeschlusses § 494a Abs 3 StPO (vgl Jerabek, WK-StPO § 494a Rz 8; 13 Os 118/05k; 14 Os 34/05i).

Da nicht auszuschließen ist, dass sich die Gesetzesverletzungen zum Nachteil des Beschuldigten ausgewirkt haben, waren das Urteil und der Widerrufsbeschluss aufzuheben und die Verfahrenserneuerung anzuordnen (§ 292 letzter Satz StPO).

Rechtssätze
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