JudikaturJustiz15Os42/17s

15Os42/17s – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Juni 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Juni 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Spunda als Schriftführerin in der Strafsache gegen Nazam M***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 2 und Abs 4 erster Fall StGB idF BGBl I 2013/144 und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des genannten Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 26. Jänner 2017, GZ 26 Hv 126/16g 93, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten M***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen – auch einen in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch eines weiteren Angeklagten enthaltenden – Urteil wurde Nazam M***** der Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 2 und Abs 4 erster Fall FPG idF BGBl I 2013/144 (1./) sowie nach § 114 Abs 1, Abs 2, Abs 3 Z 2 und Abs 4 erster Fall FPG (2./) schuldig erkannt.

Danach hat er in L***** und an anderen Orten im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) die rechtswidrige Einreise oder Durchreise von Fremden, die zum Aufenthalt in und zur Durchreise durch Österreich nicht berechtigt waren, durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs mit dem Vorsatz gefördert, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, wobei er innerhalb der letzten fünf Jahre schon einmal wegen Schlepperei im Sinne des § 114 Abs 1 und 3 FPG verurteilt worden war, nämlich durch Urteil des Landesgerichts Flensburg vom 1. April 2014, AZ 109 Js 17069/12 II Kls 33/13, und er die Taten als Mitglied einer kriminellen Vereinigung beging, und zwar

1./ am 27. November 2014 mit den rechtskräftig verurteilten Mazhar H*****, Besmir C***** und Safran A***** drei syrische und zwei irakische Staatsbürger, wobei er die Organisation der Schleppung in Italien übernahm und C***** die Geschleppten mit einem PKW über Italien nach Österreich beförderte, und sie vorhatten, die Genannten bis nach Deutschland zu transportieren,

2./ am 19. November 2016 mit Irfan Ah***** sieben irakische Staatsangehörige, indem sie die Geschleppten in Italien mit einem Kastenwagen aufnahmen und von dort nach L***** brachten, wo M***** sie in einen Linienbus begleitete, mit dem sie weiter nach Deutschland gelangen sollten.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten M*****, der – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – keine Berechtigung zukommt:

Das Erstgericht gründete seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten (US 16 bis 21) zu 2./ auf die Beobachtungen des als Zeugen vernommenen ÖBB-Mitarbeiters Othmar Z*****, der einen Kastenwagen mit italienischem Kennzeichen wahrnahm, aus dem mehrere Personen ausstiegen, und als jenen Mann, der die Fahrertüre öffnete, den (später festgenommenen) Zweitangeklagten Ah***** anhand dessen Bekleidung identifizieren konnte, den – inhaltlich korrekt wiedergegebenen (US 16 ff), hinsichtlich eines Teils der Aussage des Asokhalid E***** (ON 54a S 21) jedoch offensichtlich irrtümlich „Efraim I*****“ zugeordneten (US 16) – Angaben der Geschleppten Hassan H***** (ON 54a S 27, 31 ff) und Asokhalid E***** (ON 54a S 35), auf die Erinnerung des Busfahrers Markus P***** an den von einem Einzelnen getätigten Kauf einer Fahrkarte für sieben Personen, die M***** bei seiner nachfolgenden Anhaltung durch die Polizei im Linienbus mitführte, sowie auf die mehrere Anrufe zwischen den Angeklagten aufweisenden Verbindungs- und die im Bereich der Schlepperroute S***** bis L***** praktisch identen Einloggdaten der von ihnen verwendeten Mobiltelefone (US 20 f).

Soweit die Mängelrüge unter dem Blickwinkel der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) den Aspekt der fehlenden Identifizierung des Beschwerdeführers durch die Zeugen P***** und Z***** als übergangen reklamiert, wird der angesprochene Nichtigkeitsgrund nicht dargestellt, weil die Tatrichter – wie bereits ausgeführt – die Aussagen der Zeugen berücksichtigten.

In der erwähnten irrtümlichen Anführung des Namens „Efraim I*****“ in den Entscheidungsgründen liegt keine Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) und keine widersprüchliche Begründung (Z 5 dritter Fall), vielmehr unterlief dem Schöffengericht ein offensichtlicher Schreibfehler (vgl RIS Justiz RS0107358).

Die weitere Mängelrüge macht Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) geltend und bezieht sich auf die Urteilsbegründung, wonach die Geschleppten „allesamt“ den Rechtsmittelwerber als Beifahrer identifiziert hätten (US 20 f), verkennt dabei jedoch, dass sich das Schöffengericht ersichtlich nur auf die zuvor wiedergegebenen Aussagen der tatsächlich vernommenen Zeugen bezog, wobei auch E***** den Angeklagten M***** insoweit identifizierend belastete, als er angab, dass der Beifahrer jene Person gewesen sei, die in den Bus eingestiegen und dort verhaftet worden sei (ON 54a S 35 iVm S 5).

Insgesamt bekämpft die Nichtigkeitsbeschwerde nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung.

Die Namen der Geschleppten sind ausschließlich die Individualisierung betreffende, nicht jedoch entscheidende Tatumstände, weshalb sie keinen Gegenstand der Mängelrüge bilden (RIS-Justiz RS0117435). Eine solche ist in Bezug auf alle Fehlerkategorien ferner nur dann gesetzmäßig ausgeführt, wenn sie die Gesamtheit der Entscheidungsgründe berücksichtigt (RIS-Justiz RS0119370). Dies missachtet der Beschwerdeführer, indem er – ungeachtet der vorangehenden Würdigung der Aussagen der Geschleppten und des äußeren Geschehensablaufs – in der erstgerichtlichen Anmerkung, dass die Feststellung, wonach es sich bei den geschleppten Personen um Fremde im Sinne des FPG handle, „keiner näheren weiteren Ausführung mehr“ bedarf (US 24), eine unzureichende (Z 5 vierter Fall) sowie undeutliche (Z 5 erster Fall) Begründung ortet. Die Argumentation, dass es nach den Verfahrensresultaten noch weitere Beweisergebnisse zur Fundierung dieser Annahme gäbe, zeigt gerade keine Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) auf.

Entgegen dem Beschwerdestandpunkt (Z 5 vierter Fall, nominell auch zweiter Fall) hat das Erstgericht die Feststellung der Begehung beider Schlepperfahrten durch den Rechtsmittelwerber als Mitglied einer kriminellen Vereinigung nicht unbegründet gelassen, sondern sich auf eine Zusammenschau der Beweisergebnisse gestützt, insbesondere darauf, dass die Aussagen der als Zeugen vernommenen Geschleppten das Bild von „äußerst professionell zusammenarbeitenden Personen“ zeigten (US 13 ff) sowie auf seine in der im Jahr 2014 erfolgten Verurteilung durch das Landgericht Flensburg zum Ausdruck kommende „Verstrickung mit der Schlepperszene“ (US 22 f).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) behauptet betreffend die Qualifikation nach § 114 Abs 4 erster Fall FPG eine bloß substratlose Verwendung der verba legalia in Bezug auf die Begehung als Mitglied einer kriminellen Vereinigung, orientiert sich dabei aber nicht an den hinreichenden Sachverhaltsbezug (RIS-Justiz RS0119090) herstellenden Konstatierungen des Erstgerichts (US 7).

Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu 1./ des Schuldspruchs die inländische Gerichtsbarkeit verneint, weil der Angeklagte das ihm zur Last gelegte Verhalten ausschließlich in Italien gesetzt habe und in Österreich als bloßem Transitland kein Erfolg eingetreten sei, übergeht sie § 114 Abs 7 FPG und legt nicht dar, weshalb nicht bereits durch die illegale Einreise nach Österreich – unabhängig von einer beabsichtigten Weiterschleusung nach Deutschland – inländische Interessen verletzt wurden (vgl Tipold in WK² § 114 FPG Rz 4), womit sie einer methodengerechten Ableitung der gewünschten rechtlichen Konsequenz aus dem Gesetz entbehrt (RIS-Justiz RS0116565).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.