JudikaturJustiz15Os39/19b

15Os39/19b – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Mai 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Mai 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und Dr. Oshidari sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Binder als Schriftführer in der Strafsache gegen Charles E***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2 SMG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 8. Jänner 2019, GZ 44 Hv 49/18y 68, sowie über die Beschwerde des Genannten gegen den zugleich gefassten Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil ebenso wie der Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Charles E***** (im zweiten Rechtsgang [zum ersten vgl 15 Os 131/18f]) jeweils eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2 SMG (I./) sowie nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG (II./) schuldig erkannt.

Danach hat er in W***** und andernorts

I./ als Mitglied einer kriminellen Vereinigung, der neben ihm unter anderem zwei weitere (im Urteil umschriebene) unbekannte Täter angehörten, zur vorschriftswidrigen Ausfuhr einer insgesamt die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge Suchtgift aus den Niederlanden und zur anschließenden Einfuhr derselben nach Österreich beigetragen, indem er um den 30. September 2017 (1./), 28. Oktober 2017 (2./) und 14. Jänner 2018 (3./) jeweils bei einem in den Niederlanden aufhältigen Suchtgiftlieferanten Suchtgift bestellte, woraufhin der unbekannte Täter „9855 Drogenorganisator“ zu 1./ und 2./ jeweils zumindest 50 Gramm und zu 3./ zumindest 40 Gramm Kokain jeweils mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 20 % Reinsubstanz Cocain durch einen unbekannten Suchtgiftkurier aus den Niederlanden nach Österreich transportieren und an den Angeklagten übergeben ließ;

II./ vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er zwischen 30. September 2017 und 4. Februar 2018 das zu I./ genannte Suchtgift in mehreren Angriffen an unbekannte Abnehmer veräußerte.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobenen und auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt Berechtigung zu.

Zu Recht kritisiert die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall), dass das Schöffengericht die Feststellungen zu I./ zur kriminellen Vereinigung, zum Beitrag des Angeklagten an der Aus und Einfuhr von insgesamt 140 Gramm Kokain von den Niederlanden nach Österreich sowie zur subjektiven Tatseite (US 4 ff) und zu II./ zum Überlassen des genannten Suchtgifts an andere sowie zum darauf bezogenen Vorsatz (US 6) auch auf die Ergebnisse der Telefonüberwachung (ON 21 und 32) gestützt hat (vgl US 7 ff und US 16 f), die aber keinen Eingang in das Beweisverfahren gefunden haben. Denn wie eine vom Obersten Gerichtshof durchgeführte tatsächliche Aufklärung (§ 285f StPO) ergab, haben die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft und der Verteidiger zwar ausdrücklich auf wörtliche Verlesungen verzichtet und einem zusammenfassenden Vortrag des gesamten Akteninhalts zugestimmt, dieser wurde jedoch – entgegen den Angaben im Hauptverhandlungsprotokoll (ON 67 S 20) – tatsächlich nicht vorgenommen (vgl die Stellungnahmen des Vorsitzenden vom 3. und 18. April 2019).

Damit sind die im Urteil nicht bloß illustrativ genannten Beweismittel in der Hauptverhandlung nicht vorgekommen (§ 12 Abs 2, § 258 Abs 1 StPO; zum „Vorhalt“ von Beweismitteln im Rahmen der Vernehmung des Angeklagten siehe RIS Justiz RS0113446 [T3]; Ratz , WK StPO § 281 Rz 237, 459 f), sodass Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO vorliegt (RIS Justiz RS0113209, RS0121833 [T1]; RS0111533 [T7]).

Dieser Begründungsmangel erforderte die Aufhebung des Urteils (sowie des Beschlusses nach § 494a Abs 1 StPO) bereits bei der nichtöffentlichen Beratung und die Verweisung der Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung (§ 285e StPO).

Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Rechtssätze
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