JudikaturJustiz15Os3/18g

15Os3/18g – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. März 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. März 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ettel als Schriftführerin in der Strafsache gegen Aziz M***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 und Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft sowie die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 30. August 2017, GZ 49 Hv 23/17b 39, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Aziz M***** der Verbrechen des Raubes nach § 142 (zu ergänzen: Abs 1 und) Abs 2 StGB (I./1./ und 2./) und des Verbrechens des Raubes nach §§ 15, 142 (Abs 1 und) Abs 2 StGB (II./) schuldig erkannt.

Danach hat er in H***** mit Gewalt (gegen eine Person; I./1./) und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben im Sinn einer Gesundheitsschädigung (US 8; § 89 StGB; I./2./ und II./) dem Mithäftling Jan S***** fremde bewegliche Sachen, nämlich die diesem ärztlich verordneten „Antidepressiva“, mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern,

I./ abgenötigt, und zwar

1./ „am 25. Februar 2017 eine halbe Tablette, indem er ihn in die Wange zwickte und ihm drohte, er (S*****; vgl US 4) werde nicht schlafen, wenn er ihm diese nicht gebe“;

2./ am 26. Februar 2017 eine Tablette, indem er seine Faust ballte und zu ihm sagte: „Gib die Tablette her, du Arschloch, oder ich schlage dich“;

II./ abzunötigen versucht, und zwar am 27. Februar 2017 eine Tablette, indem er die Faust ballte und sagte: „Gib mir die Tablette“ „und ihm eine Strafanzeige gegen ihn wegen Körperverletzung vorzeigte“,

wobei er die Raubtaten ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begangen hat, die Taten nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen haben und es sich um keinen schweren Raub handelte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die ihr Ziel verfehlt.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) wendet sich gegen die Unterstellung der Tathandlungen unter die unselbständige Privilegierung ( Hintersteininger SbgK § 142 Rz 43; Ratz , WK² StGB Vorbem zu §§ 28 bis 31 Rz 34) des § 142 Abs 2 StGB und behauptet, dass eine Hinderung des Opfers – das nach den Urteilsannahmen an den konkreten Abenden auch ohne Tabletten schlafen konnte (US 5, 7, 8) – „zumindest am leichteren Einschlafen“ durch Abnötigen der verordneten Medikation ein notorischer Umstand sei, sodass sich die Annahme bloß unbedeutender Folgen als verfehlt erweise.

Dabei verkennt sie, dass Einschlafhilfen zwar (auch) zu einem schnelleren Einschlafen beitragen können , aber keine Notorietät (RIS Justiz RS0098570) zu einer solchen Wirkung in jedem Einzelfall besteht. In der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse, die eine solche Wirkung im Fall des Jan S***** indizieren würden, bezeichnet die Beschwerde nicht (RIS Justiz RS0118580). Dass dieser tatsächlich am leichteren Einschlafen gehindert worden sei, stellt demnach eine reine Spekulation dar.

Im Übrigen würde eine – selbst an drei aufeinander folgenden Tagen bewirkte – bloße Schlafverzögerung bei dennoch möglichem Schlaf noch keine Folge von solcher Erheblichkeit darstellen, die der Annahme der Privilegierung nach § 142 Abs 2 StGB entgegenstünde.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).