JudikaturJustiz15Os27/93

15Os27/93 – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. Mai 1993

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.Mai 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner, Dr.Kuch, Dr.Schindler und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kirschbichler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Josef P***** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 10.Dezember 1992, GZ 7 c Vr 9663/92-37, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Jerabek, und des Verteidigers Dr.Baumgärtel, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß § 290 Abs. 1 StPO wird jedoch das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB zu Punkt A/1., soweit dieser auch das Jahr 1989 erfaßt, und zu Punkt A/2. des Urteilssatzes sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und es wird gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Josef P***** wird für die ihm nach dem unberührt gebliebenen Teil des Schuldspruches weiterhin zur Last liegenden strafbaren Handlungen, nämlich die Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB (Punkt A/1. im verbliebenen Umfang und Punkt A/3. des Urteilssatzes) und der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB (Punkt B/ des Urteilssatzes) sowie das Vergehen des Mißbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1 StGB (Punkt A/1. bis 3. des Urteilssatzes) gemäß §§ 28 Abs. 1, 201 Abs. 2 StGB zu zweieinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Strafneubemessung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Josef P***** (A/1.-3.) des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB und des Vergehens des Mißbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1 StGB sowie (B/) des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in Haringsee

(zu A/) seine Töchter auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht, und zwar

1. 1988 und 1989 seine am 19.März 1975 geborene Tochter Josefine P*****, indem er ihr ca sechsmal mit einem Finger in die Scheide fuhr;

2. 1990 seine Tochter Josefine P*****, indem er vor ihr bis zum Samenerguß onanierte, sie an der Brust erfaßte und ihr mit einem Finger in die Scheide fuhr;

3. 1990 seine am 4.März 1977 geborene Tochter Manuela P****, indem er ihr ca viermal auf die bekleidete Brust griff;

(zu B/) am 12.Juli 1992 Karina H***** mit Gewalt gegen ihre Person, indem er ihre Schultern gegen ein Bett drückte, zur Duldung des Beischlafes genötigt.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diesen Schuldspruch gerichtete, auf § 281 Abs. 1 Z 3, 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht berechtigt.

Wenn sich der Beschwerdeführer zunächst in Ausführung des erstgenannten Nichtigkeitsgrundes (Z 3) gegen die Verlesung (und der Sache nach auch Verwertung) der von der Sicherheitsbehörde (Sicherheitsdirektion für Niederösterreich) protokollierten Aussagen der Zeugen Josefine, Manuela und Aloisia P***** und Herbert K***** wendet, die in der Hauptverhandlung von ihrem Entschlagungsrecht gemäß § 152 Abs. 1 Z 1 StPO Gebrauch machten, übersieht er, daß § 281 Abs. 1 Z 3 StPO jene gesetzlichen Bestimmungen erschöpfend aufzählt, deren Verletzung diesen Nichtigkeitsgrund herstellt; die nach Auffassung des Beschwerdeführers verletzte Vorschrift des § 252 StPO ist darin aber nicht enthalten.

Die gerügte Verlesung außergerichtlichen Aussagen bewirkte, wie der Vollständigkeit halber festzuhalten ist, auch keine Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten des Beschwerdeführers. Abgesehen davon, daß dieser sich laut Hauptverhandlungsprotokoll erst nach der ohne Widerspruch vorgenommenen Verlesung dagegen aussprach, ohne allerdings die formelle Entscheidung des Gerichtes über die Zulässigkeit dieses Vorganges zu begehren (S 229), entsprach die in Kritik gezogene, auf den vorletzten Absatz des § 252 StPO gestützte Vorgangsweise durchaus der Verpflichtung des erkennenden Gerichtes zur Erforschung der materiellen Wahrheit (Mayerhofer-Rieder StPO3 EGr 20 und 24 zu § 152). Das Erstgericht hat ferner bei der Verwertung dieser nicht unter gerichtlicher Kontrolle zustandegekommenen Beweismittel in verfassungskonformer, die Grundsätze des Art 6 Abs. 1 und 3 lit d MRK berücksichtigender Interpretation der §§ 3, 258 Abs. 2 StPO auf die mit der Abführung mittelbarer Beweise regelmäßig verbundene Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte Bedacht genommen und durch Vernehmung der Kriminalbeamtin Christine S*****, die die Niederschriften mit den Töchtern des Angeklagten aufnahm, und der Zeugin Daniela V*****, der Josefine und Manuela P***** Mitteilungen über die sexuellen Verfehlungen des Angeklagten machten, auch jene nach Lage des Falles sinnvollen Beweise durchgeführt, die geeignet waren, die Beweiskraft der verlesenen Aussagen einer Überprüfung zu unterziehen (Foregger-Serini5 Erl II zu § 252 Abs. 1 Z 3 StPO und die dort zitierte Judikatur).

In der Mängelrüge (Z 5) kritisiert der Beschwerdeführer zunächst die Annahme des Schöffengerichtes, daß Josefine und Manuela P***** wahrscheinlich aus Angst vor dem Angeklagten in der Hauptverhandlung von ihrem Entschlagungsrecht Gebrauch machten und nicht einmal ihrer Mutter sofort über das Vorgefallene Mitteilung machten, weil ihnen der Beschwerdeführer verboten hatte, mit irgend jemandem darüber zu reden, als sowohl aktenwidrig als auch unzureichend begründet.

Abgesehen davon, daß der gerügte Ausspruch des Erstgerichtes nach Lage des Falles keine entscheidenden Tatsachen betrifft, weil die in der Beschwerde hervorgehobenen Umstände (für sich allein) weder für die Unterstellung der Tat unter ein bestimmtes Strafgesetz noch auf die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes Einfluß haben, findet er in den Beweisergebnissen Deckung (vgl S 27, 35, 55, 224; 35, 37).

Richtig ist zwar, daß die Zeugin Karina H***** vor der Gendarmerie angab, sie sei unter einem Holztor durchgeklettert, habe vom Garten das Haus durch die unversperrte Eingangstüre betreten und sich sodann nackt zu Manuela P***** in deren Bett gelegt (S 23), während sie in der Hauptverhandlung aussagte, sie sei von hinten durch die offene Türe ins Haus gekommen und habe sich in der weiteren Folge mit Unterhose und Leibchen bekleidet ins Bett gelegt (S 217). Diese Widersprüchlichkeit betrifft indes weder eine Tatschilderung noch sonst wesentliche Umstände, sondern vielmehr ein bedeutungsloses Detail ohne erkennbaren Indizcharakter für die Verläßlichkeit der Zeugenaussage über das deliktische Geschehen, weshalb sie der Annahme, daß die Angaben der Zeugin H***** über den Tathergang der Wahrheit entsprechen, nicht entgegensteht und in den auf gedrängte Darstellung zu beschränkenden Entscheidungsgründen (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO) nicht erörtert werden mußte.

Nach Inhalt und Zielrichtung stellt das gesamte Vorbringen der Mängelrüge auf den im Nichtigkeitsverfahren gegen kollegialgerichtliche Urteile nach wie vor unzulässigen Versuch ab, nach Art einer Schuldberufung die unter Verwertung sämtlicher Verfahrensergebnisse von den Tatrichtern für glaubwürdig beurteilten Aussagen der Tatzeuginnen Manuela und Josefine P***** und Karina H***** zu erschüttern und solcherart der als hiedurch widerlegt erachteten leugnenden Verantwortung des Angeklagten doch noch zum Durchbruch zu verhelfen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) hält zum einen, indem sie das festgestellte Tatbestandsmerkmal der Gewaltanwendung übergeht, nicht an dem bei Geltendmachung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes bindenden Urteilssachverhalt fest und unterstellt zum anderen der Bestimmung des § 201 Abs. 2 StGB, indem sie Feststellungen zur Widerstandsunfähigkeit des Vergewaltigungsopfers vermißt, nicht den seit der Strafgesetznovelle 1989, BGBl 242 geltenden Norminhalt, sondern den der (zur Tatzeit nicht mehr in Kraft stehenden) früheren Fassung. Sie vergleicht somit den festgestellten Sachverhalt nicht mit dem darauf angewendeten, zur Tatzeit und zur Zeit der Urteilsfällung geltenden Strafgesetz, weshalb sie nicht gesetzmäßig ausgeführt ist. Ihr weiteres Vorbringen wendet sich (abermals) in unzulässiger Weise gegen die schöffengerichtliche Beweiswürdigung.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Hingegen war gemäß § 290 Abs. 1 StPO aus Anlaß der Beschwerde in amtswegiger Wahrnehmung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs. 1 Z 10 StPO jener Teil des Schuldspruches wegen Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB spruchgemäß aufzuheben, der sich auf die Jahre 1989 und 1990 bezieht, weil - wie die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme zutreffend aufzeigt - Josefine P***** am 19. März 1989 das vierzehnte Lebensjahr vollendete und ab diesem Zeitpunkt der objektive Tatbestand dieses Verbrechens an ihr nicht mehr verwirklicht werden konnte. Tatopfer der gemäß § 207 StGB pönalisierten Unzucht kann nur eine unmündige, das heißt eine Person sein, die das vierzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat (§ 74 Z 1 StGB). Diese Voraussetzung trifft bei der am 19.März 1975 geborenen Josefine P***** im Jahre 1990 (Urteilsfaktum A/2.) mit Sicherheit nicht zu; im Zweifel muß nach der gegebenen Aktenlage aber auch angenommen werden, daß die im Urteil zeitlich nicht konkretisierten, im Jahre 1989 gesetzte(n) Unzuchtshandlung(en) (Punkt A/1., 2. Tatzeitraum) ein bereits mündiges Tatopfer betraf(en).

Die teilweise Aufhebung dieses Schuldspruches macht in Ansehung der dem Angeklagten weiterhin zur Last liegenden strafbaren Handlungen die Neubemessung der Strafe nach § 207 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB notwendig. Dabei konnten die vom Erstgericht im wesentlichen zutreffend dargestellten Strafzumessungsgründe (erschwerend: die Tatwiederholung zu A/1. und 3., das Zusammentreffen von Vergehen und Verbrechen, die einschlägigen Vorstrafen; mildernd:

kein Umstand) übernommen und der Strafneubemessung zugrunde gelegt werden. Ausgehend davon erwies sich eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren als im mittleren Bereich der aktuellen Strafdrohung gelegen tatschuldangemessen und dem Unrecht der strafbaren Handlungen gemäß.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung findet ihre Begründung in der im Spruch angeführten Gesetzesstelle.

Rechtssätze
5