JudikaturJustiz15Os20/10w

15Os20/10w – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. März 2010

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. März 2010 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärtin Mag. Stuhl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Robert W***** wegen des Verbrechens des Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung, AZ 30 Hv 105/09f des Landesgerichts Salzburg, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 2. September 2009, AZ 7 Bs 283/09f erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Wachberger, zu Recht erkannt:

Spruch

Im Verfahren 30 Hv 105/09f des Landesgerichts Salzburg verletzt der Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 2. September 2009, AZ 7 Bs 283/09f, § 215 Abs 1 StPO iVm § 4 Abs 1 EIRAG.

Dieser Beschluss wird aufgehoben und es wird dem Oberlandesgericht Linz die neue Entscheidung über den Einspruch des Angeklagten gegen die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Salzburg vom 15. Juli 2009 aufgetragen.

Text

G r ü n d e :

Mit Anklageschrift vom 15. Juli 2009 legte die Staatsanwaltschaft Salzburg Robert W***** das Verbrechen des Raubes nach §§ 15 Abs 1, 142 Abs 1 StGB und das Vergehen des Hausfriedensbruchs nach § 109 Abs 3 Z 1 StGB zur Last (GZ 30 Hv 105/09f 3 des Landesgerichts Salzburg). Gegen diese, die dem Angeklagten an seiner Wohnanschrift in Deutschland zugestellt worden war (S 2/ON 1), erhob ein in Deutschland niedergelassener Rechtsanwalt unter Berufung auf die ihm erteilte angeschlossene Vollmacht des Angeklagten rechtzeitig Einspruch (ON 4), wobei er die Begründung nachreichte (ON 5). Dieser Rechtsbehelf wurde vom Verteidiger, nicht jedoch vom Angeklagten unterschrieben.

Mit Beschluss vom 2. September 2009, AZ 7 Bs 283/09f (ON 8), wies das Oberlandesgericht Linz den Einspruch als unzulässig zurück. Dies begründete es mit einem Fehlen der Vertretungsbefugnis des deutschen Rechtsanwalts; dieser sei nämlich weder in der Liste der niedergelassenen europäischen Rechtsanwälte in Österreich eingetragen, noch habe er vor der erstmaligen Ausübung seiner vorübergehenden Tätigkeit im gegenständlichen Strafverfahren die Salzburger Rechtsanwaltskammer schriftlich verständigt.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend zeigt die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde auf, dass diese Begründung mit dem Gesetz nicht im Einklang steht.

Nach § 215 Abs 1 StPO sind verspätete Einsprüche gegen die Anklageschrift und solche, die von einer hiezu nicht berechtigten Person eingebracht wurden, vom Oberlandesgericht als unzulässig zurückzuweisen.

Gemäß § 4 Abs 1 EIRAG sind ausländische Rechtsanwälte bei der Ausübung einer bloß vorübergehenden rechtsanwaltlichen Tätigkeit den österreichischen Rechtsanwälten grundsätzlich gleichgestellt, wobei sie vor der erstmaligen Ausübung einer solchen Tätigkeit im Inland bloß die zuständige Rechtsanwaltskammer schriftlich zu verständigen haben. Diese für den dienstleistenden europäischen Rechtsanwalt bestehende Verständigungspflicht stellt keine verfahrensrechtliche Zulassungsvoraussetzung dar. Sie hat vielmehr einen rein standesrechtlichen Hintergrund; durch sie soll nämlich der Rechtsanwaltskammer die Wahrnehmung ihrer Aufsichtspflicht ermöglicht werden. Dies wird auch durch den Hinweis auf § 7 Abs 1 EIRAG in § 4 Abs 1 letzter Satz EIRAG klargestellt (vgl Tades Hoffmann RAO 8 Anm 3 zur inhaltsgleichen Bestimmung des § 4 EuRAG idF BGBl I 92/2003).

Der bevollmächtigte deutsche Rechtsanwalt war somit als Verteidiger des Angeklagten zur Erhebung des Einspruchs gegen die Anklageschrift legitimiert. Die in Verkennung dieser Rechtslage erfolgte Zurückweisung des Einspruchs steht daher mit § 215 Abs 1 StPO iVm § 4 Abs 1 EIRAG nicht im Einklang.

Der Oberste Gerichtshof sah sich veranlasst (§ 292 letzter Satz StPO), den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Oberlandesgericht Linz die neue Entscheidung über den Einspruch gegen die Anklageschrift aufzutragen.