JudikaturJustiz15Os187/97

15Os187/97 – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Februar 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Februar 1998 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Rouschal, Dr. Schmucker und Dr. Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Benner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Karin A***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 30. Juli 1998, GZ 4a Vr 9875/96-68, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kirchbacher, der Angeklagten und der Verteidigerin Dr. Scheimpflug zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Karin A***** des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG (1.) sowie der Vergehen der Begünstigung nach § 299 Abs 1 StGB (2.) und des tätlichen Angriffs auf einen Beamten nach § 270 Abs 1 StGB (3.) schuldig erkannt.

Danach hat sie in Wien

zu 1. den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte (in einer großen Menge) in Verkehr gesetzt, indem sie im Oktober 1996 dem abgesondert verfolgten Michael K***** insgesamt 10 bis 20 Gramm Heroin verkaufte;

zu 2. Mitte März 1997 durch die vor der Polzei gemachten Angaben, der Schulterdurchschuß sei ihr von einem Unbekannten auf der Straße zugefügt worden, Wolfgang D*****, der das Verbrechen nach § 87 Abs 1 StGB begangen hatte, vorsätzlich der Verfolgung entzogen;

zu 3. am 7. Mai 1997 dadurch, daß sie mehrfach auf den Justizwachebeamten Friedrich Böhm einschlug, einen Beamten "während der Ausübung seiner Pflicht" - gemeint: während einer Amtshandlung (§ 296 Abs 3 StGB) - tätlich angegriffen.

Die Schuldsprüche bekämpft die Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a (sachlich 9 lit b und 10) StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Als widersprüchlich (Z 5) rügt die Beschwerde die Urteilsbegründung zum Schuldspruch nach dem Suchtgiftgesetz, weil das Erstgericht die Annahme einer Gesamtmenge von 10 bis 30 Gramm verkauften Heroins (US 5) auf die Aussagen des Zeugen Michael K***** gegründet hat. Mit dem Einwand, dieser habe in der Hauptverhandlung bloß eine Menge von "vielleicht 10 Gramm" angegeben, wird jedoch weder der bezeichnete noch ein anderer Begründungsmangel aufgezeigt. Denn vor dem erkennenden Gericht hat der Zeuge die in der Beschwerde zitierte Schätzung mit dem Hinweis auf das Nachlassen seiner Erinnerung relativiert und betont, bei der Polizei wahrheitsgemäß ausgesagt zu haben, wo er den Ankauf der festgestellten Heroinquantität eingestanden hatte (S 483 f/I iVm 80/II, 253 f/I). Die Angaben des Zeugen im Vorverfahren hat das Erstgericht ausdrücklich in seine Erwägungen einbezogen (US 6).

Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, daß die SGV BGBl II Nr. 377/1997 hier (noch) nicht anzuwenden ist, weil deren Bestimmung über ihr Inkrafttreten nur im Zusammenhang mit jener des SMG BGBl I Nr 112/1997, und zwar § 48 iVm § 28 Abs 6 SMG, zu sehen ist.

Mit der Rechtsrüge (Z 9 lit b) strebt die Beschwerdeführerin einen Freispruch vom Vorwurf der Begünstigung an, indem sie sich auf einen Begünstigungsnotstand nach § 299 Abs 4 StGB beruft.

Mag die Angeklagte die falschen Angaben über den Urheber ihrer Verletzung auch zur Abwendung der Gefahr eigener strafgerichtlicher Verfolgung gemacht haben (US 8), so fällt doch die nach der genannten Gesetzesstelle vorzunehmende Interessenabwägung nicht zu ihren Gunsten aus: Der befürchteten strafrechtlichen Ahndung des von Wolfang D***** beobachteten Suchtgiftkonsums der Angeklagten (US 5) stand die spezial- und generalpräventiven Interessen zuwiderlaufende Vereitelung einer Bestrafung des Genannten für das mit einer Schußwaffe begangene Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB, somit eine gewichtige Form der Kriminalität, gegenüber. Aus dieser Sicht (vgl Pallin in WK § 299 Rz 25) kann davon keine Rede sein, daß die Folgen, die durch die Begünstigungshandlung (Mayerhofer/Rieder StGB4 § 299 E 9, 10, 12a) abgewendet werden sollten, schwerer gewogen hätten als die nachteiligen Folgen, die aus der Begünstigung hätten entstehen können.

Damit, daß das Begünstigungsverhalten der Abwendung des Widerrufes eines nach § 23 a Abs 1 SGG gewährten Straufaufschubes diente, hatte sich die Angeklagte selbst nicht verantwortet, sodaß dieses Beschwerdevorbringen eine unzulässige und demnach unbeachtliche Neuerung darstellt.

Zum Schuldspruch nach § 270 Abs 1 StGB vertritt die Beschwerdeführerin die Auffassung, das Vergehen des tätlichen Angriffs auf einen Beamten nur versucht zu haben (Z 10). Mit dem Vorbringen, daß Vollendung dieses Deliktes dann ausscheide, wenn der Täter den Beamten verfehlt oder dieser den Tätlichkeiten ausweichen kann, läßt sie die bei Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes gebotene Betrachtung des gesamten Urteilssachverhaltes vermissen. Denn nach den Feststellungen des Erstgerichtes konnte der im Zuge der Vorführung der Angeklagten zur Hauptverhandlung angegriffene Justizwachebeamte die Schläge nur abwehren (US 6). Dazu kommt, daß die ins Treffen geführte Rechtsauffassung überholt ist. Nach neuerer Rechtsprechung wird der Tatbestand schon mit dem Angriff vollendet, auch wenn der Beamte ausweichen konnte (Leukauf/Steininger Komm3 § 270 RN 3).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über die Angeklagte eine Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten. Dabei wertete es als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen und das Zusammentreffen eines Verbrechens mit zwei Vergehen, als mildernd hingegen keinen Umstand.

Den Strafausspruch bekämpfen sowohl die Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft mit Berufungen, denen jedoch keine Berechtigung zukommt.

Das Schöffengericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig und vollständig erfaßt (die Erregung der Angeklagten bei ihrem tätlichen Angriff auf einen Beamten war wohl selbstverschuldet) sowie zutreffend gewichtet, sodaß die Freiheitsstrafe auch unter Berücksichtigung der allgemeinen Strafbemessungsgründe des § 32 StGB sowohl der personalen Täterschuld als auch dem sozialen Störwert der angelasteten Taten entspricht. Die Freiheitsstrafe war sohin einer Reduktion nicht zugänglich, bedurfte aber auch keiner Erhöhung.

Den Berufungen war sohin ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.