JudikaturJustiz15Os171/96

15Os171/96 – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Dezember 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.Dezember 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Kirchgasser als Schriftführer in der Strafsache gegen Markus L***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 3 StGB sowie des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 10.Mai 1996, GZ 2 Vr 274/96-44, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der zu den Tatzeiten jugendliche Angeklagte Markus L***** der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (A) und des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 3 StGB (B) sowie des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG (C) schuldig erkannt. Danach hat er in Wien

zu A) am 27.Dezember 1995 im einverständlichen Zusammenwirken mit dem bereits Verurteilten Markus Alexander M***** der Eleonora B***** mit Gewalt gegen ihre Person eine fremde bewegliche Sache, nämlich eine Handtasche mit einer Geldbörse, in der sich mindestens 700 S Bargeld befand, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem Markus L***** ihr die Handtasche trotz Gegenwehr von der rechten Schulter zerrte, während Markus Alexander M***** ihr den linken Arm festhielt;

zu B) am 26.Dezember 1995 im einverständlichen Zusammenwirken mit dem bereits Verurteilten Markus Alexander M***** in mindestens 12 Angriffen fremde bewegliche Sachen, nämlich insgesamt etwa 700 S Bargeld mehreren Zeitungsverlagen durch Aufbrechen von Behältnissen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;

zu C) vom 25.Dezember 1995 bis Anfang Februar 1996 außer den Fällen der §§ 12 und 14 a SGG den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift, nämlich Heroin, erworben und besessen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die vom Angeklagten erhobene, auf die Z 5, 5 a und 10, der Sache nach auch Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde.

Von der Generalprokuratur wurde die - nicht näher begründete - Stellungnahme abgegeben, wonach sich die Nichtigkeitsbeschwerde für eine Entscheidung nach § 285 e StPO aus dem Grunde der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO eigne. Eine Zustellung dieser somit zugunsten des Angeklagten ergangenen Stellungnahme konnte iSd § 35 Abs 2 letzter Satz StPO unterbleiben.

Vorweg zur Nichtigkeitsbeschwerde: Nach dem Wortlaut des Beschwerdeantrages "... das angefochtene Urteil aufzuheben ..." wird das gesamte Urteil, sohin nicht nur der Schuldspruch wegen Verbrechens des Raubes (A) bekämpft. Mag daher auch die Beschwerde vorbringen, sie beschränke sich bei der Geltendmachung von Feststellungsmängeln zur subjektiven Tatseite auf die Relevierung des (vorgeblich) nicht festgestellten Bereicherungsvorsatzes betreffend die vom Schuldspruch A mitumfaßte Geldbörse, obwohl auch Feststellungen zur subjektiven Tatseite betreffend die Fakten B und C fehlen würden, ist im Hinblick auf den Gesamtaufhebungsantrag auch auf letzteres einzugehen: Es genügt hiebei jedoch, auf die ohnedies hiezu getroffenen Feststellungen US 5 f hinzuweisen, wonach die Tatpläne jeweils dahin gingen, Geld zu beschaffen.

Der von der Mängelrüge (Z 5) erhobene Vorwurf einer wegen Verstoßes gegen § 258 Abs 1 StPO mangelhaften Begründung der Feststellung, daß der Versuch des Zurückhaltens der Tasche durch die Überfallene nicht gelungen wäre, "weil der Angeklagte der Stärkere gewesen sei", ist unzutreffend. Die dieser Konstatierung zugrundeliegende Aussage (Protokoll ON 14) wurde - ebenso wie die Aussage ON 6, S 43 - in der Hauptverhandlung vorgehalten (sh S 250 sowie ON 52-54), sohin auch deren Gegenstand, der im Urteil zu verwerten war.

Soweit die Beschwerde eine Unvollständigkeit des Urteils darin sieht, daß sich das Erstgericht nicht mit dem gegen den Mittäter M***** gefällten Urteil des Landesgerichtes Wr.Neustadt auseinandergesetzt habe - unerfindlich bleibt in diesem Zusammenhang die Bezugnahme der Beschwerde auf die allein die Tatbestandsvoraussetzungen des (seinerzeitigen) § 516 StG 1945 behandelnde Entscheidung SSt 22/7 -, ist zu erwidern, daß ein Strafgericht nicht an Tatsachenfeststellungen eines anderen Strafgerichtes gebunden ist, mag jeweils auch derselbe Vorfall behandelt werden. Das Jugendschöffengericht stellte in eingehender Würdigung der Aussagen des Tatopfers und des Mittäters M***** unter Ablehnung der eine bloße Ausnützung eines Überraschungseffektes behauptenden Verantwortung des Beschwerdeführers (US 8 ff) fest, daß M***** die Frau während der gesamten Zeit des Vorfalles festhielt und der Beschwerdeführer ihr die Tasche von der Schulter riß, was ihm trotz Gegenwehr gelang, weil er der Stärkere war. Angesichts des Umstandes, daß das Landesgericht Wr.Neustadt in seinem sogleich in Rechtskraft erwachsenen Urteil außer einem pauschalen, nicht differenzierten Hinweis auf Aussagen keine Begründung für die Feststellung eines bloß leichten Stoßes durch M***** bot und das Entreißen der Tasche nicht näher umschrieb, bestand keine Grundlage zu einer einläßlichen Auseinandersetzung mit diesem Urteil.

Im übrigen ist die Beurteilung, ob eine Gewaltausübung erheblich ist, eine Rechtsfrage, die das erkennende Gericht eigenständig zu lösen hat.

Entgegen den weiteren Beschwerdebehauptungen sind die Tatrichter auch mit der einen Bereicherungsvorsatz in Abrede stellender Verantwortung des Angeklagten, die Geldbörse später weggeworfen zu haben, weil er keine Verwendung dafür gehabt habe, beweiswürdigend eingegangen (US 11 unten), sodaß der angerufene (formale) Begründungsmangel nicht vorliegt.

Schließlich liegt auch der vorgebliche innere Widerspruch nicht vor. Der Versuch des Zurückreißens einer Handtasche, deren Riemen von der Schulter herabgezogen wird, mit dem Arm - und nicht nur mit der Hand - ist keineswegs denkunmöglich. Dazu kommt noch, daß nach den Feststellungen das Opfer ein auf derselben Seite wie die Handtasche in der Hand getragene - zwei Weinflaschen enthaltene - Säckchen, über welches die Handtasche hätte gezogen werden müssen, fallen ließ, um sich daraufhin besser gegen das Wegnehmen der Tasche wehren zu können (US 7).

Die Tatsachenrüge (Z 5 a) ist nicht geeignet, sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der den Ausspruch über die Schuld tragenden Feststellungen, insbesondere die Annahme einer Gegenwehr und deren Heftigkeit zu erwecken.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) macht vorerst einen Feststellungsmangel in bezug auf die Stärke der Gegenwehr geltend, in dem sie die Ausführungen der Mängelrüge wegen Verletzung des § 258 Abs 1 StPO wiederholt. Es genügt, auf das hiezu oben Gesagte hinzuweisen.

Zum behaupteten Begründungs- und Feststellungsmangel (auch Z 9 lit a) betreffend den Bereicherungsvorsatz hinsichtlich der Geldbörse ist bereits auf US 11 hingewiesen worden.

Soweit in der Beschwerde ein solcher Mangel bezüglich der Erheblichkeit der Gewalt "in Gestalt eines formellen Begründungsmangels" und damit neuerlich die Nichtverlesung der ON 6, S 43, in der Hauptverhandlung gerügt wird, muß sie aus den bereits dargelegten Gründen erfolglos bleiben.

Letztlich bringt die Rüge vor, das Halten des Opfers an der linken Hand durch den Mittäter stelle wohl Gewalt gegen eine Person, jedoch keine erhebliche Gewalt dar.

Damit ignoriert sie jedoch die weiteren, die ausgeübte Gewalt und die Gegenwehr des Opfers darlegenden wesentlichen Feststellungen US 7 oben, sodaß die Beschwerde einer prozeßordnungsgemäßen Ausführung entbehrt. Die Geltendmachung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes erfordert nämlich das unbedingte Festhalten am gesamten im Urteil konstatierten Sachverhalt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285 d StPO), sodaß über die außerdem erhobene Berufung das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden hat (§ 285 i StPO).