JudikaturJustiz15Os147/94

15Os147/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. November 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.November 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Hager, Mag.Strieder, Dr.Ebner und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr.Hobel als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Wilhelm P***** wegen des Verbrechens der vesuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 8.August 1994, AZ 9 Bs 289/94, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Presslauer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 8.August 1994, AZ 9 Bs 289/94, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 180 Abs 1 StPO.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Der Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Ried im Innkreis beschloß am 1.August 1994 einerseits die Einleitung der Voruntersuchung gegen (den damals unbekannten Aufenthaltes befindlichen) Wilhelm P***** wegen versuchter schwerer Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB, andererseits die Abbrechung des Verfahrens gemäß § 412 StPO. P***** konnte jedoch noch am selben Tag festgenommen werden und wurde am 2.August 1994 vom Untersuchungsrichter zu den einzelnen Anschuldigungsfakten befragt. Im Anschluß an diese - auch die Haftfrage betreffende - Vernehmung verhängte der Untersuchungsrichter die Untersuchungshaft, unterließ aber die formelle Bekanntmachung des Beschlusses auf Einleitung der Voruntersuchung gegenüber dem Beschuldigten, der gegen die Haftverhängung sogleich Beschwerde erhob (ON 7).

Das Oberlandesgericht Linz vertrat als Beschwerdegericht in seinem Beschluß vom 8.August 1994 (in der Ausfertigung versehentlich: 1995), AZ 9 Bs 289/94, den Standpunkt, daß im vorliegenden Fall die gemäß § 180 Abs 1 StPO für die Verhängung einer Untersuchungshaft normierte Voraussetzung der Führung einer Voruntersuchung gegen den Beschuldigten gefehlt habe, weil ihm der Beschluß auf Einleitung der Voruntersuchung nicht kundgemacht wurde. Demgemäß verfügte es in Stattgebung der Beschwerde die Aufhebung der Untersuchungshaft.

Diese Auffassung des Beschwerdegerichtes steht mit dem Gesetz nicht im Einklang, wie bereits der Generalprokurator, der deswegen eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes erhob, zutreffend darlegte.

Eine Voruntersuchung wird mit dem im § 92 StPO umschriebenen Beschluß des Untersuchungsrichters eingeleitet und somit ab dieser Entscheidung auch "geführt", ohne daß es dabei auf eine tatsächliche Kundmachung des Einleitungsbeschlusses ankommt. Zur Unterstreichung dieser schon aus der Wortbedeutung ersichtlichen Konsequenz genügt ein Hinweis auf die im Gesetz vorgesehene Führung der Voruntersuchung (auch) gegen einen Abwesenden, dem der Einleitungsbeschluß naturgemäß nicht in unmittelbarer Folge eröffnet werden kann (§ 91 Abs 1 StPO).

Das Oberlandesgericht war daher nicht berechtigt, aus dem von ihm genannten Grund die Untersuchungshaftvoraussetzung zu verneinen und die sachliche Überprüfung des angefochtenen Beschlusses zu unterlassen.

Der vom Generalprokurator gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war sohin stattzugeben.