JudikaturJustiz15Os141/98

15Os141/98 – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Oktober 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Oktober 1998 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Rouschal, Dr. Zehetner und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Cihlar als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ihor K***** wegen des Finanzvergehens der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 29 Vr 583/98 des Landesgerichtes Linz, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 7. Mai 1998, AZ 8 Bs 138/98 (ON 25 des Vr-Aktes), nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Staatsanwältin Mag. Fuchs, des Vertreters des Hauptzollamtes Linz, Dr. Winkelbauer, und des Verteidigers Mag. Lambauer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 7. Mai 1998, AZ 8 Bs 138/98, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 207a Abs 1 FinStrG.

Text

Gründe:

Beim Landesgericht Linz ist zum AZ 29 Vr 583/98 gegen den ukrainischen Staatsangehörigen Ihor K***** ein Strafverfahren wegen zweier Finanzvergehen anhängig. Dieser wurde mit Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 11. August 1998 der Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG sowie der Monopolhehlerei nach § 46 Abs 1 lit a FinStrG schuldig erkannt und gemäß §§ 21 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG zu einer Geldstrafe von 700.000 S, im Falle der Uneinbringlichkeit zu drei Monaten Ersatzfreiheitsstrafe, sowie gemäß § 15 Abs 2 FinStrG zu einer Freiheitsstrafe von drei Wochen verurteilt. Außerdem wurde eine Wertersatzstrafe von 200.000 S, im Falle deren Uneinbringlichkeit ein Monat Ersatzfreiheitsstrafe, und der Verfall der beschlagnahmten Zigaretten ausgesprochen. Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wurde die vom Angeklagten erlittene Vorhaft vom 17. März 1998, 16 Uhr, bis 11. August 1998, 10.20 Uhr, auf die Strafe angerechnet.

Gegen dieses Urteil haben unmittelbar nach dessen Verkündung der Angeklagte Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung, die Staatsanwaltschaft Berufung angemeldet. Mit Zustimmung der Anklagebehörde wurde Ihor K***** danach enthaftet.

Inhaltlich des Schuldspruches hat Ihor K***** im März 1998 in Linz vorsätzlich mindestens 997 Stangen Filterzigaretten (199.400 Stück) der Marke Ernte 23 in einem Wert von 119.640 S (darauf entfallen Eingangsabgaben in der Höhe von 355.697 S), hinsichtlich welcher durch namentlich nicht bekannte ukrainische Staatsangehörige die Finanzvergehen des gewerbsmäßigen Schmuggels und des vorsätzlichen Eingriffes in die Rechte des Tabakmonopols (§§ 35 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a, 44 Abs 1 lit b FinStrG) begangen worden waren, durch Kauf an sich gebracht, wobei es ihm darauf ankam, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und in Tateinheit hiezu vorsätzlich die vorangeführten Monopolgegenstände mit einem inländischen Kleinverkaufspreis von

354.920 S, hinsichtlich welcher von namentlich nicht bekannten ukrainischen Staatsangehörigen in die Rechte des Tabakmonopols eingegriffen worden war, gekauft.

Am 17. März 1998 durchsuchten Organe des Hauptzollamtes Linz das Schleppschiff 1602 eines ukrainischen Schleppverbandes. Im Bugraum fanden sie 134 Stangen Zigaretten, welche beschlagnahmt wurden. In der Kabine des Angeklagten entdeckten sie in einer Bettlade einen Geldbetrag von 118.940 S. Diesen beschlagnahmten die Beamten des Hauptzollamtes Linz gemäß § 26 Abs 1 Z 2 ZollR-DG zur Sicherung allfälliger Abgabenansprüche.

Am 18. März 1998 erstattete das Hauptzollamt Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz Anzeige an die Staatsanwaltschaft Linz gemäß § 82 Abs 2 FinStrG, machte "Mitteilung" gemäß § 54 Abs 2 FinStrG über die Beschlagnahme der 134 Stangen Filterzigaretten und regte die Anordnung der gerichtlichen Beschlagnahme der Zigaretten an. In diesem Sinne beantragte die Anklagebehörde am 19. März 1998 beim Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Linz einen entsprechenden Beschlagnahmebefehl und richtet darüber hinaus an die Ratskammer des Landesgerichtes Linz den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 207a FinStrG hinsichtlich des beim Angeklagten sichergestellten Geldbetrages von 118.940 S zur Sicherung der Geldstrafe, des Verfalls und des Wertersatzes.

Dem ersten Antrag entsprach der Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Linz mit Beschluß vom 26. März 1998, dem zweiten die Ratskammer des Landesgerichtes Linz mit Beschluß vom 6. April 1998, AZ RK 59/98 (ON 12 des Vr-Aktes), in welchem sie gemäß §§ 54 Abs 2, 207a FinStrG anordnete, daß der bei Ihor K***** vorläufig sichergestellte Geldbetrag von 118.940 S künftig für das Gericht zur Sicherung der Geldstrafe und der Strafe des Wertersatzes zu verwahren sei.

Gegen diesen Beschluß der Ratskammer erhob das Hauptzollamt Linz Beschwerde, der das Oberlandesgericht Linz mit Beschluß vom 7. Mai 1998, AZ 8 Bs 138/98, Folge gab und den angefochtenen Beschluß dahin abänderte, daß der Antrag der Staatsanwaltschaft Linz vom 19. März 1988 auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 207a FinStrG abgewiesen wurde (ON 25 des Aktes des Landesgerichtes Linz).

Zur Begründung führte der Gerichtshof II. Instanz aus, die Gefährdungsvoraussetzungen des § 207a Abs 1 FinStrG lägen nicht vor, weil infolge der Beschlagnahme des Geldbetrages gemäß § 26 Abs 1 Z 2 ZollR-DG nicht zu befürchten sei, daß der Angeklagte durch Verfügungen, welcher Art immer, die Exekution zu vereiteln oder zu erschweren imstande sei, solle doch mit der Sicherungsmaßnahme der einstweiligen Verfügung verhindert werden, daß der Verpflichtete den bevorstehenden Ausspruch des Richters seines praktischen Erfolgs beraube, wobei es auf die Anmerkung zu § 207a in Sommergruber/Reger, Komm z. FinStrG, verwies.

Dieser Beschluß steht - wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt - mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 207a Abs 1 FinStrG hat im gerichtlichen Verfahren wegen eines Finanzvergehens die Ratskammer bei hinreichendem Verdacht, daß sich der Beschuldigte eines Finanzvergehens schuldig gemacht hat, auf Antrag des Staatsanwaltes zur Sicherung der Geldstrafe, des Verfalls und des Wertersatzes eine einstweilige Verfügung zu erlassen, wenn zu befürchten ist, daß andernfalls die Einbringung gefährdet oder wenigstens erschwert würde.

Die Regelung entspricht hinsichtlich der geforderten Gefährdung inhaltlich der Bestimmung des § 232 Abs 1 BAO über den Sicherstellungsauftrag.

Die vom Gesetzgeber getroffene Wortwahl zeigt, daß für eine einstweilige Verfügung nach § 207a FinStrG - wie auch für einen Sicherstellungsauftrag nach § 232 Abs 1 BAO - die objektive Gegebenheit der Gefährdung oder Erschwerung ausreicht, hingegen ein auf Gefährdung oder Erschwerung gerichtetes Verhalten des Beschuldigten nicht gefordert wird.

Dies macht auch ein Vergleich mit den Regelungen der Exekutionsordnung, welche für eine einstweilige Verfügung zur Sicherung von Geldforderungen grundsätzlich eine subjektive Gefährdung durch ein Verhalten des Gegners fordert (§ 379 Abs 2 Z 1 EO), während sie für eine einstweilige Verfügung zur Sicherung anderer Ansprüche eine objektive Gefährdung genügen läßt (§ 381 Z 1 EO), deutlich (vgl Angst/Jakusch/Pimmer EO13 § 379 E 12, § 381 E 19).

Dies zeigt auch die Regelung des § 233 FinStrG über die Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Verfahren gegen einen Flüchtigen, der gerade deshalb in der Regel kaum in der Lage ist, ein die Einbringung gefährdendes oder erschwerendes Verhalten zu setzen.

Soweit Sommergruber/Reger in ihrem Kommentar zum Finanzstrafgesetz, Anm zu § 207a, für eine einstweilige Verfügung nach § 207a FinStrG eine subjektive Gefährdung fordern, haben sie offenbar unkritisch einen die einstweilige Verfügung nach der Exekutionsordnung betreffenden Rechtssatz übernommen, was auch die Verwendung des Wortes "Verpflichteter" anstelle von "Beschuldigter" deutlich macht.

Somit entspricht die in der Begründung des bekämpften Beschlusses geäußerte Rechtsansicht des Oberlandesgerichtes Linz, daß eine einstweilige Verfügung nach § 207a FinStrG eine vom Beschuldigten herrührende Gefährdung erfordere, nicht dem Gesetz.

Diese Verletzung des § 207a FinStrG war antragsgemäß festzustellen.

Entgegen einem Vorbringen des Privatbeteiligtenvertreters im Gerichtstag ist Ankläger im gerichtlichen Verfahren über ein Finanzvergehen der Staatsanwalt, der ohne Bindung an Vorschlägen der Finanzstrafbehörde über die Stellung von Anträgen an das Gericht zu entscheiden hat, das in der vorgesehenen Zusammensetzung darüber zu erkennen hat. Das Gericht hatte daher über den Antrag des Staatsanwaltes auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zu entscheiden, auch wenn eine solche vom Hauptzollamt Linz nicht gewünscht wurde. Die dabei vom Oberlandesgericht Linz erörterte Rechtsfrage einer subjektiven Gefährdung ist Gegenstand der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes. Zu deren Lösung bedarf es nicht der Anwendung von Europarecht, sodaß auch keine Grundlage für die vom Privatbeteiligtenvertreter angeregte Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes besteht.

Da der sichergestellte Geldbetrag bereits am 21. April 1998 (also vor der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Linz) von der Finanzverwaltung für rechtskräftig festgestellte, geschuldete Einfuhrabgaben vereinnahmt und inzwischen an die Europäische Union abgeführt worden ist, kann ein Pfandrecht daran nicht mehr begründet werden. An die Feststellung der Gesetzesverletzung war daher - entgegen der Nichtigkeitsbeschwerde - keine konkrete Folge im Sinne des § 292 letzter Satz StPO zu knüpfen.