JudikaturJustiz15Os134/05b

15Os134/05b – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Januar 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Jänner 2006 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek als Vorsitzenden sowie durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Gomez Reyes als Schriftführer, in der Strafsache gegen Manfred E***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 21. September 2005, GZ 9 Hv 8/05s-36, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Mag. Fuchs, des Angeklagten Manfred E***** und seines Verteidigers Dr. Harrich zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird dahin Folge gegeben, dass gemäß § 43a Abs 4 StGB ein Strafteil von zwei Jahren unter Bestimmung einer Probezeit in der Dauer von drei Jahren bedingt nachgesehen wird.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Manfred E***** wurde der Verbrechen der „Schändung" (seit 1. Mai 2004, BGBl 2004/15, und auch im Urteil ersichtlich gemeint [US 1, 7]:

„des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person") nach § 205 Abs 1 StGB (1) und der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (2) schuldig erkannt. Danach hat er in der Nacht vom 6. auf den 7. Mai 2005 in Tauchen Natascha P*****

(1) sohin „eine Person, die aufgrund ihrer mittelschweren Alkoholisierung und ihres tiefen Schlafes wehrlos war, in diesem Zustand und unter Ausnützung dieses Zustandes zum Beischlaf missbraucht;

(2) mit Gewalt zur weiteren Duldung des Beischlafs genötigt, indem er ihr zwei Schläge in das Gesicht versetzte und unter Anwendung seiner überlegenen Körperkraft ihren Körper mit seinem Gewicht fixierte und wiederholt mit seinem Penis in ihre Scheide eindrang."

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Schuldspruch aus Z 5, 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Indem zur Alkoholisierung der Zeugin Natascha P***** ohnedies getroffene Feststellungen vermisst werden (US 1, 3 f), wird eine Mängelrüge (Z 5) nicht dargetan.

Soweit die Beschwerde das Fehlen von Konstatierungen (inhaltlich Z 10), wonach „der Angeklagte keinen Samenerguss hatte", bemängelt und darin ein „deutliches Indiz für seine Volltrunkenheit" erblickt, spricht sie einen nicht entscheidungsrelevanten Bereich an und legt im Übrigen nicht dar, auf Grund welcher Verfahrensergebnisse eine solche Feststellung getroffen hätte werden können. Liegt doch nach der Aktenlage lediglich ein Ergebnis dafür vor, dass eine Untersuchung des Opfers und eines Bekleidungsgegenstandes keinen Beweis für das Vorliegen von Samenflüssigkeit erbrachte (ON 24). Abgesehen davon hat der Angeklagte den Geschlechtsverkehr nach den Urteilsannahmen deshalb beendet, weil seine im unmittelbaren Nahbereich schlafende Tochter auf ihn aufmerksam wurde (US 5). Weiters hat das Erstgericht (auch gestützt auf Ausführungen der gerichtsmedizinischen Sachverständigen) im Einklang mit den Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen begründet dargelegt, weshalb es nicht Volltrunkenheit, sondern eine mittelstarke Alkoholisierung des Angeklagten zur Tatzeit angenommen hat (US 6 f).

Inwiefern das Urteil bloß deshalb an einer „Scheinbegründung" (Z 5 vierter Fall) leiden soll, weil bei dieser Beurteilung auch das zielgerichtete Vorgehen des Angeklagten einbezogen wurde (etwa, dass er sofort auf das Erwachen seiner Tochter reagierte; US 6), vermag die Rüge nicht deutlich und bestimmt zu bezeichnen (§ 285a Z 2 StPO). Die Feststellung schließlich, wonach der Angeklagte Natascha P***** Schläge versetzte, gründeten die Tatrichter formal mängelfrei auf die ihnen zuverlässig erschienenen Angaben des Opfers (US 7). Mit der erneut gegen die Glaubwürdigkeit der Angaben der Zeugin über das gewaltsame Vorgehen des Angeklagten gerichteten Argumentation in der Tatsachenrüge (Z 5a) und dem unsubstantiierten Vorwurf eines Verstoßes gegen die Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung „mangels nähere Befragung der einzigen Belastungszeugin" (vgl ON 14) zeigt der Beschwerdeführer aber auch keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der schuldspruchrelevanten Konstatierungen im Sinne des intendierten Nichtigkeitsgrundes auf.

Gegen die Subsumtion (Z 10) „seines Tuns" auch als Verbrechen nach § 205 Abs 1 StGB wendet sich der Angeklagte mit der Behauptung, dass „das Tatbestandsbild des § 205 Abs 1 StGB durch die Verwirklichung des Tatbildes des § 201 Abs 1 StGB konsumiert wird". Durch die Verurteilung nach § 201 StGB seien auch der Unrechtsgehalt der dem sexuellen Missbrauch einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person gemäß § 205 StGB zugeordneten Tathandlungen mit abgegolten. Den Urteilsfeststellungen zufolge missbrauchte der Angeklagte zunächst tatplangemäß die zufolge Alkoholisierung und Tiefschlaf wehrlose (Schick in WK² § 205 Rz 9; vgl auch RV 294 BlgNR XXII. GP,

19) Natascha P***** unter Ausnützung dieses Zustandes mit tatbestandsessentiellem Vorsatz zum Beischlaf, danach setzte er nach deren Erwachen - auf einem gesonderten Entschluss basierend - Gewalt zur Beugung ihrer nun aktualisierten Willenskraft zur Erzwingung des Beischlafs vorsätzlich ein (US 4 f).

Damit wurden aber - nach der zutreffenden erstgerichtlichen Ansicht - die Verbrechen des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB und der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB in (echter) Realkonkurrenz verwirklicht, womit sich ein Eingehen auf - ersichtlich nur auf Fälle von Idealkonkurrenz abstellende - pauschale Lehrmeinungen, denen zufolge „die Gewaltsexualdelikte der §§ 201 f dem § 205 StGB vorgehen" (Schick in WK2 § 205 Rz 30; Hinterhofer SbgK § 205 Rz 66) erübrigt.

Bloße Scheinkonkurrenz (in Form der auch im Fall von Realkonkurrenz an sich möglichen Konsumtion) liegt im konkreten Fall - ungeachtet der Identität des Opfers, der Eingriffe in dasselbe Rechtsgut und des engen zeitlichen Zusammenhangs - nicht vor, weil weder der Schuldspruch wegen des vorangegangenen sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB den Unrechtsgehalt der auf einem gesonderten Willensentschluss beruhenden nachfolgenden Vergewaltigung (zur straflosen Nachtat Ratz in WK2 Vor §§ 28 - 31 Rz 66), noch der Schuldspruch wegen des letztgenannten Delikts den Unrechtsgehalt der vorherigen Missbrauchshandlungen an einer Wehrlosen (zur straflosen Vortat WK2 Vor §§ 28 - 31 Rz 68) mitumfasst (vgl dazu auch 15 Os 10/91; JBl 1991, 255; RIS-Justiz RS0114523).

Im Übrigen kann entgegen der generalisierenden Betrachtung im Rechtsmittel auch (echte) Idealkonkurrenz der bezeichneten Tatbestände in bestimmter (wenn auch hier nicht in Rede stehender) Fallkonstellation sehr wohl in Betracht kommen (14 Os 18/05m). Soweit der Angeklagte „eine Verurteilung lediglich nach § 287 Abs 1 StGB" unter Hinweis auf seine Zurechnungsunfähigkeit zur Tatzeit anstrebt, entfernt er sich unzulässig vom Urteilssachverhalt ohne darzulegen, inwiefern dem Erstgericht bei Beurteilung des festgestellten Tatsachensubstrats ein Rechtsirrtum unterlaufen sein soll.

Dem Antrag auf „Vernichtung der Hauptverhandlung nach § 288a StPO" mangelt es bereits an den formalen Voraussetzungen, weil nach der Aktenlage gar nicht ein Gerichtshof zweiter Instanz die Versetzung in den Anklagestand ausgesprochen hat.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 201 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren.

Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend das Zusammentreffen strafbarer Handlungen und den Umstand, dass das Opfer erst 14 Jahre alt war und die erste sexuelle Erfahrung eines Beischlafs in der im Spruch geschilderten Art und Weise über sich ergehen lassen musste, als mildernd das bisherigen Wohlverhalten des Angeklagten. Die dagegen vom Angeklagte erhobene Berufung erweist sich zum Teil als zielführend.

Vorerst ist den Berufungsausführungen zwar insofern beizupflichten, dass in Ergänzung zu den sonst zutreffend angenommenen Milderungs- und Erschwerungsgründen als mildernd das Erscheinen des Angeklagten auf dem Wachzimmer zur Sachverhaltsklärung nach telefonischer Aufforderung noch (vgl S 11) hinzukommt.

Entgegen der Beschwerdeauffassung hat das Schöffengericht jedoch richtigerweise die Art und Umstände der Begehung der Taten soweit sie über diejenigen, die die Strafdrohung bestimmen, hinausgehen, nämlich die Schändung und Vergewaltigung eines erst 15-jährigen Mädchens, das bisher noch keine Beischlafserfahrungen hatte und überdies beim Tatgeschehen neben der leiblichen Tochter des Täters auf einer Matratze lag, als erschwerend angesehen. Dass der Angeklagte bei Begehung der Taten alkoholisiert war, kann ihm, wie das Schöffengericht ebenfalls zutreffend erkannt hat, nicht als mildernd angerechnet werden, weil die dadurch bedingte Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit durch den Vorwurf aufgewogen wird, den der Genuss oder Gebrauch des berauschenden Mittels den Umständen nach begründet (vgl US 8 iVm den Ausführungen des Sachverständigen in der Hauptverhandlung S 204 ff). Damit hat aber das Schöffengericht dem Schuld- und Unrechtsgehalt der Taten mit der verhängten Freiheitsstrafe in jeder Hinsicht Rechnung getragen, sodass diese - auch unter Berücksichtigung der bedeutungsmäßig in den Hintergrund tretenden Selbststellung - keiner Korrektur bedurfte. Allerdings konnte im Hinblick auf die Schuldeinsicht des Täters, den Umstand, dass er einen Teil der Freiheitsstrafe bereits in Untersuchungshaft verbracht hat und einen Teil noch zu verbüßen haben wird, sowie seine offenbar geregelten Familienverhältnisse davon ausgegangen werden, dass bei Androhung eines Teils der verhängten Freiheitsstrafe die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass er in Zukunft nicht mehr straffällig werden wird und auch unter den fallspezifischen Umständen generalpräventive Erwägungen nicht gegen eine teilbedingte Strafnachsicht sprechen, sodass ein Teil der Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachzusehen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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