JudikaturJustiz15Os129/03

15Os129/03 – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Dezember 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Dezember 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Proksch als Schriftführer, in der Strafsache gegen Martin W***** wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs l und Abs 2 (§ 161 Abs l) StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28. Mai 2003, GZ 121 Hv 2606/01v 226, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Sperker, des Angeklagten Martin W***** sowie seines Verteidigers Dr. Farid Rifaat zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch (mit Ausnahme des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache zu Recht erkannt:

Martin W***** wird unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Jugendgerichtshofs Wien vom 8. Mai 2000, AZ 8 U 609/97i, unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 156 Abs 2 StGB zu einer zusätzlichen Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe :

Mit dem angefochtenen – auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthaltenden – Urteil wurde Martin W***** des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs l und Abs 2 (§ 161 Abs l) StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien in mehreren Angriffen als Einzelkaufmann bzw Geschäftsführer folgender Unternehmen, die Schuldner mehrerer Gläubiger waren, Bestandteile des Vermögens der Unternehmen im Gesamtwert von 29,608.035,33 S (= 2,151.699,82 Euro) beiseite geschafft und dadurch die Befriedigung der Gläubiger der Unternehmen vereitelt, wobei der durch die Taten herbeigeführte Schaden 40.000 Euro übersteigt, und zwar

l./ in der Zeit von 1989 bis 1997 hinsichtlich des Einzelunternehmens Martin W***** durch Privatentnahmen von 6,461.598,64 S, Geldflüsse ohne ersichtliche Gegenleistung von 3,879.506,98 S und Aufwand für von ihm benützte PKW von 2,043.504,57 S (insgesamt 12,384.610,19 S);

2./ in der Zeit von 1989 bis 1997 hinsichtlich der H***** GmbH durch Entnahmen für nicht betriebliche Zwecke sowie von unangemessenen Geschäftsführerbezügen von insgesamt 7,917.053,51 S und Aufwand für von ihm benutzte PKW von 1,744.630,47 S (insgesamt 9,661.691,98 S);

3./ in der Zeit von 1991 bis 1997 hinsichtlich der M***** GmbH durch Entnahme für nicht betriebliche Zwecke sowie unangemessene Geschäftsführerbezüge von insgesamt 4,202.009,90 S, Aufwand für von ihm benutzte PKW von 1,606.016,36 S und unentgeltliche Benützung von Wohnraum im Gegenwert von 1,753.706,90 S (insgesamt 7,561.733,16 S).

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 156 Abs 2 StGB eine Freiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren, ohne dabei auf das gegen ihn ergangene Urteil des Jugendgerichtshofs Wien vom 8. Mai 2000, AZ 8 U 609/97i, Bedacht zu nehmen.

Gegen den Schuld- und den Strafausspruch richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie ist teilweise im Recht.

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge (Z 4) schlägt mit der Kritik an der Ablehnung (S 445 f/IX) des Antrages auf Vernehmung der Zeugen Gustav N***** (oder N*****), Jack C. P***** und Murphy E. J***** schon deshalb fehl, weil dieser Beweisantrag lediglich schriftlich (ON 161) und in der Hauptverhandlung am 24. Oktober 2002 (S 491/VIII) gestellt, in der gemäß § 276a StPO neu durchgeführten Hauptverhandlung am 28. Mai 2003 jedoch nicht wiederholt worden ist, sodass – zumal die bloße Verlesung des bisherigen Akteninhalts nicht ausreicht – ein entscheidungspflichtiger Antrag iSd § 238 StPO gar nicht vorlag und es dem Angeklagten somit an der Beschwerdelegitimation mangelt ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 310; Mayerhofer StPO4 § 281 Abs l Z 4 E 31, 32).

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider hat das Erstgericht die Feststellungen zur subjektiven Tatseite hinreichend begründet, indem es aus dem äußeren Tatgeschehen, nämlich der vom Angeklagten seit Jahren durchgeführten und gezielten Aushöhlung der einzelnen Unternehmen zum Zwecke von Privatentnahmen, in zulässiger Weise, nämlich ohne Verstoß gegen die Grundsätze logischen Denkens und empirische Erkenntnisse, auf dessen Vorsatz zur Vermögensverringerung und Verletzung der Befriedigungsrechte der Gläubiger schloss (US 21, 23 f = S 495, 497 f/IX). Soweit der Beschwerdeführer einen Widerspruch darin erblickt, dass die ihm vorgeworfenen kridaträchtigen Handlungen (iSd § 159 Abs 5 Z 3 und 5 StGB) der Annahme eines auf Schadensherbeiführung gerichteten (bedingten) Vorsatzes entgegenstünden, übersieht er, dass kridaträchtige Handlungen grundsätzlich auch vorsätzlich begangen werden können ( Leukauf/Steininger Komm3 RN 50, Fabrizy StGB8 Rz 13, je zu § 159). Aus welchem Motiv der Angeklagte die Schädigung der Gläubiger bewirkt hat, ist nicht tatbestandsrelevant, weshalb die von ihm behauptete Diskrepanz zwischen der Urteilsannahme eines aufwändigen Lebensstils und der Tätigung von "Investitionen" nicht erörterungsbedürftig ist.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) behauptet einerseits, die Feststellungen auf US 9 bis 13 (= S 483 bis 487/IX) böten nur die Grundlage für eine Beurteilung des Täterverhaltens als grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 2 und 4 Z 2 StGB, und bemängelt andererseits das Fehlen von Urteilskonstatierungen darüber, "welche vermögensmindernden Handlungen des Angeklagten betriebsfremd (also zum nutzlosen Verbrauch bestimmt) waren und welche als (wenn auch fehlgeschlagene) Investitionen der Vermögensvermehrung hätten dienen sollen". Damit bestreitet die Beschwerde aber prozessordnungswidrig die vom Schöffengericht getroffenen Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 15 [= S 489/IX]), welche die Subsumtion des Urteilssachverhaltes unter den Tatbestand des § 156 Abs l und Abs 2 StGB rechtfertigen. Der Einwand, der im Ersturteil verwendete Begriff "Investitionen" umfasse von seinem "finalen Gehalt" her keine vorsätzlich schädigenden Handlungen, lässt außer Betracht, dass die Tatrichter im vorliegenden Zusammenhang gerade nicht von einem solchen Bedeutungsinhalt, sondern davon ausgingen, dass "diese Investitionen wohl keinen anderen Zweck (hatten), als seinen aufwendigen Lebensstil zu finanzieren, dem Einzelunternehmen Martin W***** und der H***** GmbH Geldmittel in Millionenhöhe zu entziehen und dadurch die Befriedigung der Gläubiger zu vereiteln" (US 25 [= S 499/IX] zweiter Absatz). Für "genauere Zuordnungen" der vermögensmindernden Handlungen bestand somit ebenso wenig Anlass wie zur gleichfalls vermissten "Klärung der hypothetischen Frage, ob der Angeklagte eine Sanierung der von ihm geführten Unternehmen mit den von ihm erhofften Einkünften in den USA geplant hat oder nicht".

Im dargestellten Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher zu verwerfen.

Im Recht ist hingegen der Einwand der Strafzumessungsrüge (Z 11), das Erstgericht hätte gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 8. Mai 2000, AZ 8 U 609/97i (mit dem der Angeklagte zu einer – bedingt nachgesehenen – dreiwöchigen Freiheitsstrafe verurteilt worden war, siehe ON 62), Bedacht nehmen müssen und lediglich eine Zusatzstrafe verhängen dürfen, weil die der gegenständlichen Verurteilung zu Grunde liegenden Taten nach der Zeit ihrer Begehung schon im früheren Verfahren hätten abgeurteilt werden können. Da die Nichtanwendung des § 40 StGB dann, wenn – wie hier (US 9 [= S 483/IX]) – die Vorverurteilung den Entscheidungsgründen zu entnehmen ist, als rechtsfehlerhafte Bewertung nach Z 11 zweiter Fall Nichtigkeit des Strafausspruchs bewirkt ( Ratz in WK2 § 31 Rz l5), war das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in seinem Strafausspruch (mit Ausnahme der Entscheidung über die Vorhaftanrechnung) aufzuheben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO die Strafe unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das genannte Urteil des Jugendgerichtshofes Wien neu zu bemessen.

Dabei wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend die Höhe des die Wertgrenze des § 156 Abs 2 StGB vielfach übersteigenden Schadens in Zusammenhang mit dem langen Deliktszeitraum, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen (unter Berücksichtigung der Vorverurteilung), als mildernd hingegen den zuvor ordentlichen Lebenswandel, das längere Zurückliegen der Taten mit seitherigem Wohlverhalten und die unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer.

Unter Rücksichtnahme auf diese Strafzumessungsgründe sowie Tatunrecht und Täterschuld war eine Zusatzstrafe von fünf Jahren als sachgerechte, allen für und wider den Angeklagten sprechenden Aspekten Rechnung tragende Sanktion auszusprechen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.