JudikaturJustiz15Os115/97

15Os115/97 – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. August 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.August 1997 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Wais als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Gerhard S***** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 3.April 1997, GZ 8 Vr 3196/96-34, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Gerhard S***** wurde der Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (A.) und des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (B.) sowie des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (C.) schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe sowie zur Zahlung eines Schmerzengeldbetrages von 10.000 S an die Privatbeteiligte Manuela T***** verurteilt.

Danach hat er in Graz

(zu A.) im Jahre 1989 die am 23.Dezember 1977 geborene - sohin unmündige - Manuela T***** auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht, indem er in vielfachen Angriffen deren Scheide intensiv betastete oder (gemeint: und) ableckte;

(zu B.) vor dem (23.)Dezember 1991 wiederholt mit der unmündigen Manuela T***** den außerehelichen Beischlaf unternommen;

(zu C.) unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber den nachgenannten, seiner Aufsicht unterstehenden minderjährigen Personen diese zur Unzucht mißbraucht, und zwar

I. Manuela T*****

1. durch die zu B. angeführten Tathandlungen,

2. zwischen 1993 und August oder September 1995, indem er mit ihr wiederholt den Beischlaf unternahm,

3. im Herbst 1995, indem er wiederholt seinen Penis von ihr streicheln oder (gemeint: und) ablecken ließ,

II. im Sommer und August oder September 1995 die am 30.April 1979 geborene Sabine S***** (geborene T*****), indem er mit ihre zumindest zweimal den Beischlaf unternahm.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; die Strafhöhe ficht er mit Berufung an.

Als nichtig nach Z 4 rügt der Beschwerdeführer das schöffengerichtliche Zwischenerkenntnis, mit dem die Ladung jener (in der Beschwerdeschrift nur in einem Fall namentlich genannten) Personen abgelehnt wurde (381 f), deren zeugenschaftliche Vernehmung sein Verteidiger in einem am 25.März 1997 beim Erstgericht eingelangten Antrag begehrt hatte (ON 32), der in der Hauptverhandlung vom 3.April 1997 "aufrecht erhalten" (was der Gerichtshof ersichtlich als prozeßordnungsgemäß "wiederholt" beurteilt hat) und im Punkt II.4. dahin modifiziert wurde, "daß die Zeugin Manuela T***** im Jahre 1993 beim Besuch des Frauenarztes Dr.Armin B***** tatsächlich noch 'Jungfrau' war" (und keine Anzeichen für eine psychosomatische Menstruationsstörung aufgewiesen hat), weshalb - nach Meinung des Nichtigkeitswerbers - die ihm unter B. (die Beschwerdeschrift erweitert diesen Antrag prozeßordnungswidrig auch auf das Faktum C.2.) des Urteilsspruchs angelasteten Tathandlungen, nämlich der mit der Unmündigen wiederholt unternommene außereheliche Beischlaf, nicht stattgefunden haben könnten; die Einvernahme jener unter II.1. und 2. des schriftlichen Beweisantrages genannten (zwölf) Personen sei - nach Ansicht der Beschwerde - notwendig gewesen, weil "das gesamte Umfeld, insbesondere die persönliche Beziehung des Angeklagten zu Manuela T*****, Sabine S*****, deren Mutter und zur eigenen Ehegattin hätte abgeklärt werden müssen, wie auch der Gesundheitszustand des Angeklagten, der ein Unvermögen eines geschlechtlichen Verkehrs aus gesundheitlichen Gründen behauptet".

Rechtliche Beurteilung

Die Rüge versagt.

Was zunächst die abgelehnte zeugenschaftliche Vernehmung des Frauenarztes Dr.B***** betrifft, wäre der Rechtsmittelwerber fallbezogen verpflichtet gewesen, schon im Verfahren erster Instanz konkret darzutun, aus welchen Gründen entgegen der ihn belastenden Verfahrensergebnisse dennoch zu erwarten war, daß die begehrte Beweisaufnahme das von ihm angestrebte Ergebnis erbringen werde. Dies umsomehr, als für die Tatbestandsverwirklichung des im Beweisantrag ausdrücklich angesprochenen Verbrechens nach § 206 Abs 1 StGB in objektiver Hinsicht genügt, daß der Täter zum Beischlaf ansetzte (dieser muß also nicht einmal begonnen, noch viel weniger vollendet worden sein), wofür eine (im Urteil gar nicht konstatierte) "conjunctio membrorum", durch welche eine allfällige - aber keineswegs in jedem Fall zwingend notwendige -, auch noch nach Jahren vom Gynäkologen feststellbare Verletzung des kindlichen Hymens erfolgt sein könnte, nicht gefordert wird. Demnach hat das Erstgericht diesen - im Kern bloß auf die Aufnahme eines unzulässigen Erkundungsbeweises hinauslaufenden - Antrag zu Recht abgewiesen. Abgesehen davon wurde der Frauenarzt wegen einer Regelstörung aufgesucht, dem gegenüber die Zeugin Manuela T***** deshalb behauptete, unberührt zu sein, weil ihre Mutter anwesend war, zu der sie kein Vertrauen hatte (S 329, 331, 379).

Die Vernehmung des Arztes für Allgemeinmedizin Dr.Walter F***** als Zeuge wurde zum Beweis dafür beantragt, "daß der Beschuldigte auf Grund massiver Beschwerden im Genitalbereich (Makroblutungen) sowie einer Hodentuberkulose gar nicht in der Lage gewesen wäre, die von der Zeugin Manuela T***** geschilderten massiven sexuellen Übergriffe zu unternehmen" (II.3. der ON 32). Das wiedergegebene Beweisthema ist indes so allgemein gehalten, daß es eine verfahrensrechtlich gebotene Relevanzprüfung nicht zuläßt. Zudem steht es im krassen Widerspruch zum Inhalt des Attestes dieses Arztes vom 9.Dezember 1996 (111 = 469). Davon abgesehen gab der Angeklagte selbst zu, mit seiner Ehegattin Margit laufend "Geschlechtsverkehr" gehabt zu haben (S 303 iVm S 353 und US 13). Im übrigen wurde ihm von der Anklage nicht nur der an der unmündigen Manuela T***** wiederholt unternommene außereheliche Beischlaf vorgeworfen, sondern eine Reihe anderer verbrecherischer Unzuchtsakte, bei deren Vornahme die behaupteten körperlichen Mängel gewiß keine Rolle spielen konnten.

Die Ladung jener zwölf (in der Beschwerde nicht einmal namentlich genannten - vgl hiezu Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 16) Personen laut II.1. und 2. der ON 32 hinwieder war entbehrlich. Zum einen sprechen schon die im Urteil aktengetreu verwerteten Verfahrensergebnisse, insbesonders das schriftlich erstattete und in der Hauptverhandlung erörterte jugendpsychologische Gutachten der Sachverständigen Dr.W***** nicht gegen das in Punkt II.1. des Antrags enthaltene Vorbringen (vgl US 14, 16 Mitte und 17 f), womit - im Sinne der Beschwerdeausführungen - auch "das gesamte Umfeld" hinreichend erfaßt wurde. Zum anderen wären die in II.2. unter Beweis gestellten Umstände weder für die Frage des anzuwendenden Gesetzes noch des Strafsatzes von Bedeutung gewesen (vgl hiezu US 14).

Sonach wurde Gerhard S***** durch die Abweisung der in Rede stehenden Beweisanträge weder in seinen Verteidigungsrechten verkürzt, noch wurden Gesetze oder Grundsätze des Verfahrens hintangesetzt oder unrichtig angewendet.

Soweit der Beschwerdeführer schließlich mit Bezugnahme auf die "Rechte eines Privatbeteiligten" wegen eines vor Einleitung des Strafverfahrens stattgefundenen Informationsaustausches zwischen Manfred T*****, (Vater der Manuela T*****), seiner Nachbarin (einer Bediensteten bei der Staatsanwaltschaft Graz) und einer Staatsanwältin (die den Haftantrag gegen den Angeklagten gestellt hatte) den relevierten Nichtigkeitsgrund auch deshalb für gegeben erachtet, weil "die Äquidistanz zu den Betroffenen somit nicht gewahrt scheint, wodurch die Verfahrensgarantie des Art 6 EMRK die völlige Unparteilichkeit und Unabhängigkeit eines Tribunals für ein 'fair trial' im Rahmen dieses Strafverfahrens verletzt wurden", ist sein Vorbringen nicht nur unverständlich und nicht nachvollziehbar, sondern auch insoweit unzulässig, als es sich auf keinen im Beweisantrag ON 32 oder in der Hauptverhandlung gestellten Antrag stützen kann, über den das Erstgericht zu entscheiden gehabt hätte. Die im § 281 Abs 1 Z 1 bis 11 StPO angeführten Nichtigkeitsgründe dienen indes ausschließlich zur Überprüfung der Gesetzmäßigkeit des Verfahrens vor dem erkennenden Gericht und des Urteils erster Instanz. Mit dem erwähnten Teil der Beschwerdeausführungen wird jedoch keine dem Erstgericht unterlaufene Gesetzwidrigkeit aufgezeigt. Auch der vom Angeklagten ins Treffen geführte Art 6 MRK stellt gleichfalls auf ein unabhängiges und unparteiisches Gericht (tribunal) ab und nicht auf Aktivitäten von Verfahrensparteien. Außerdem verkennt der Beschwerdeführer mit seinen Ausführungen über die Rechte eines Privatbeteiligten, daß diesem nicht nur die in den §§ 46 bis 50 StPO umschriebenen Rechte zustehen, sondern ihm selbstverständlich - wie auch sonst jedermann - gemäß § 86 Abs 1 StPO die Berechtigung zukommt, eine strafbare Handlung beim Staatsanwalt anzuzeigen und sich deshalb mit diesem in Verbindung zu setzen. Dieses jedermann zustehende Recht bedarf keiner zusätzlichen Anführung im V.Hauptstück der StPO.

Mit der Behauptung in der Mängelrüge (Z 5), "zwischen den Angaben der Entscheidungsgründe und den ergangenen Urteilen im Verfahren 1 U 841/84 des BGfStrs Graz, sowie der ergangenen Rechtsmittelentscheidung" bestünden Widersprüche, wird kein Begründungsfehler in der Bedeutung des angerufenen formellen Nichtigkeitsgrundes prozeßordnungsgemäß dargetan. Ein solcher läge unter anderem nur dann vor, wenn der Ausspruch des Gerichtes über entscheidende (also entweder für die Unterstellung der Tat unter ein bestimmtes Strafgesetz oder auf die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes maßgebende) Umstände mit sich selbst in Widerspruch stünde, oder wenn im Urteil verschiedene, sich gegenseitig ausschließende Tatsachen festgestellt worden wären (vgl Foregger/Kodek StPO6 S 397), nicht aber, wenn - wie vorliegend - das Schöffengericht einzelne Verfahrensergebnisse, die für den aktuellen Schuldspruch ohnehin bedeutungslos sind, aus einem anderen Verfahren bloß zur Illustration heranzieht.

Da dieser bezirksgerichtliche Strafakt in der Hauptverhandlung auch verlesen und demnach zum Gegenstand des Beweisverfahrens gemacht wurde, was der Beschwerdeführer nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls, dessen Berichtigung nicht beantragt wurde, widerspruchslos hingenommen hat und es ihm nicht verwehrt war, dazu Stellung zu nehmen (vgl 383), liegt weder eine Verletzung des Art 6 (Abs 3 lit b) EMRK noch ein formeller Begründungsmangel vor. Da dem Angeklagten ein rechtskundiger Verteidiger beistand, bedurfte es auch - der Beschwerdemeinung zuwider - keiner ausdrücklichen Aufforderung zu einer Stellungnahme; genug daran, daß er hiezu Gelegenheit hatte.

Aus welchen Gründen eine anläßlich der zeugenschaftlichen Vernehmung jener (in der Beschwerdeschrift namentlich angeführten) Verwandten der Manuela T***** und der Sabine S***** unterbliebene Belehrung nach § 153 Abs 1 StPO, die auch keine Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 3 StPO bewirken konnte, einen Begründungsmangel darstellen soll, ist den Beschwerdeausführungen auch nicht ansatzweise zu entnehmen, sodaß eine sachbezogenen Erörterung nicht möglich ist. Es wäre dem Angeklagten oder dem Verteidiger freigestanden, in der Hauptverhandlung unter Behauptung von Gründen des § 153 Abs 1 StPO - wofür freilich die Aktenlage keine Anhaltspunkte bot - die Erteilung eines Vorhaltes zu begehren. Zur Ergreifung der Verfahrensrüge nach der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO hinwieder ist der Beschwerdeführer in Ansehung dieses Vorganges und der Verwertung des genannten Strafaktes nicht legitimiert, weil er in der Hauptverhandlung - wie erwähnt - keinen darauf bezugnehmenden Antrag gestellt oder Widerspruch erhoben hat.

Da im Nichtigkeitsverfahren das Neuerungsverbot gilt (vgl Mayerhofer aaO § 281 E 15 a ff), ist auf das zugleich mit der Rechtsmittelschrift vorgelegte Attest des Facharztes für Frauenheilkunde Dr.Matthäus Sch***** über eine am 20.Juni 1997 (also erst Monate nach der Hauptverhandlung und dem Urteil) durchgeführte Untersuchung der Sabine S***** (467) nicht einzugehen.

Keiner sachlichen Erörterung hinwieder bedarf jener Teil der Mängelrüge, mit welchem erneut und mehrfach auf die unterbliebene Einvernahme jener im Antrag ON 32 (auf S 455 der Beschwerdeschrift wird versehentlich auf ON 19 verwiesen) genannten Zeugen Bezug genommen wird; denn ein Zwischenerkenntnis des Gerichtshofes darf (bei Vorliegen der formellen Voraussetzungen) nur mit dem Nichtigkeitsgrund der Z 4 angefochten werden (vgl Mayerhofer aaO § 281 Z 5 E 38).

Keinen Begründungsmangel, der allenfalls Nichtigkeit gemäß der Z 5 nach sich ziehen könnte, zeigt der weitere Beschwerdevorwurf auf, wonach das Erstgericht den beim Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz zum AZ 20 P 154/84 anhängigen Pflegschaftsakt zur Schaffung einer breiteren Entscheidungsgrundlage beizuschaffen gehabt hätte. Auch diesbezüglich wäre es Sache des Angeklagten oder seines Verteidigers gewesen, einen darauf abzielenden und begründeten Antrag zu stellen, dessen formelle Abweisung er mit der Verfahrensrüge nach Z 4 bekämpfen hätte können. Die Beischaffung wird erst in der Beschwerdeschrift - somit prozessual verspätet - begehrt, sodaß der Rechtsmittelwerber dazu nicht (mehr) legitimiert ist.

Das übrige Beschwerdevorbringen, wonach das Urteil auch deswegen unzureichend begründet sei, weil die Untersuchungsrichterin die Sachverständige Dr.Sylvia W***** beauftragt habe, ein Gutachten über die Glaubwürdigkeit der Zeugin Manuela T***** zu erstatten, im Zuge dessen die psychologische Expertin eine Zeugengruppe einvernommen und Manuela T***** verschiedener Tests unterzogen habe, ohne dieser die Entscheidungsmöglichkeit darüber einzuräumen, sich solcher Tests zu unterziehen, ergeht sich entweder überhaupt nur in bloßen Spekulationen - so etwa auch darüber, daß die Sachverständige psychologische Tests ohne Zustimmung der getesteten Personen vorgenommen habe - oder eigenen beweiswürdigenden Überlegungen oder argumentiert rundweg an jenen Erwägungen vorbei, in denen das Schöffengericht in einer ausführlichen und kritischen Gesamtschau aller relevanten Sach- und Zeugenbeweise sowie unter Verwertung des persönlich gewonnenen Eindrucks aktengetreu, ausführlich und nachvollziehbar ausführt, warum es die leugnende Verantwortung des Angeklagten als widerlegt und seine Schuld für erwiesen hielt. Die von der Beschwerde vermißte Erörterung, aus welchen Gründen es der Aussage der Zeugin Sabine S***** den Glauben versagt hat, finden sich im Urteil auf S 18 f.

Entsprechend dem Gebot des § 270 Abs 2 Z 5 StPO, nur die entscheidenden Umstände in gedrängter Darstellung abzufassen, waren die Erkenntnisrichter - entgegen der Beschwerdemeinung - auch nicht verhalten, sich mit dem im Gerichtsakt erliegenden Schreiben über den Auszug der Manuela T***** aus der gemeinsamen Wohnung näher auseinanderzusetzen.

Da somit das Erstgericht alle entscheidungsrelevanten Tatsachen formell einwandfrei begründet hat, trifft der Beschwerdevorwurf, das Urteil sei widersprüchlich und unzureichend geblieben, in keinem Punkt zu.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs 1 StPO als offenbar unbegründet schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen, woraus folgt, daß zur Entscheidung über die zudem erhobene Berufung des Angeklagten das Oberlandesgericht Graz zuständig ist (§ 285 i StPO).

Die in der Äußerung des Angeklagten zur Stellungnahme der Generalprokuratur erhobene Forderung auf Anberaumung eines Gerichtstages versagt.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat wiederholt - insbesondere im Zusammenhang mit dem Nichtigkeitsverfahren vor dem österreichischen Obersten Gerichtshof - ausgesprochen, daß eine Verhandlung vor dem Rechtsmittelgericht nicht erforderlich ist, wenn in erster Instanz eine öffentliche Verhandlung stattgefunden hat und die Beweiswürdigung des Erstgerichtes nach innerstaatlichen Bestimmungen durch das Rechtsmittelgericht nicht zu prüfen ist

(Urteil vom 22.Februar 1996, Nr 59/1994/506/588 = ÖJZ 1996, 430;

Urteil vom 19.Februar 1996, Nr 50/1994/497/579 = ÖJZ 1996, 675;

jeweils mit Zitaten von Vorjudikatur; Frowein/Peukert EMRK-Komm2 Art 6 RN 95, 118). Ein Vergleich mit dem Verwaltungsverfahren (Fall Zumtobel), in dem in der Regel keine öffentliche Verhandlung stattfindet, ist nicht zielführend (15 Os 97/97).

Ist aber die Abhaltung eines Gerichtstages entbehrlich, dann entfällt auch das vom Beschwerdeführer reklamierte "Recht der letzten Äußerung". Dem aus Art 6 EMRK abgeleiteten Prinzip der Waffengleichheit wird nämlich völlig Genüge getan, wenn - wie vorliegend - der Verteidiger Gelegenheit hatte, sich (als letzter vor der Entscheidung des Gerichtes) zur Stellungnahme der Generalprokuratur zu äußern (so jüngst der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Fall Bulut gegen Österreich, Zl 59/1994/506/588 = ÖJZ 1996, 430).

Das in der Äußerung weiters reklamierte Recht eines Angeklagten, die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen zu erwirken (Art 6 Abs 3 lit d EMRK), ist auch nach der Judikatur der Straßburger Instanzen kein absolutes, sondern von der Entscheidungserheblichkeit abhängig (Frowein/Peukert aaO RN 99, 202). Daß diese zu verneinen ist, wurde bereits dargetan.

Im Hinblick auf das im Nichtigkeitsverfahren geltende Neuerungsverbot können auch die in der Äußerung gemäß § 35 Abs 2 StPO wiederholten Neuerungen (Attest Dris.Sch*****) - entgegen der Meinung des Rechtsmittelwerbers - nicht zur Anordnung eines Gerichtstages führen.

Rechtssätze
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  • RS0108489OGH; AUSL EGMR Rechtssatz

    17. Januar 2018·3 Entscheidungen

    Die in der Äußerung des Angeklagten zur Stellungnahme der Generalprokuratur mit dem Hinweis auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in einem Verwaltungsverfahren (Fall Zumtobel gegen Österreich), in dem in der Regel keine öffentliche Verhandlung stattfindet, erhobene Forderung auf Anberaumung eines Gerichtstages ist nicht zielführend. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat wiederholt - insbesondere im Zusammenhang mit dem Nichtigkeitsverfahren vor dem österreichischen Obersten Gerichtshof - ausgesprochen, daß eine Verhandlung vor dem Rechtsmittelgericht nicht erforderlich ist, wenn in erster Instanz eine öffentliche Verhandlung stattgefunden hat und die Beweiswürdigung des Erstgerichtes nach innerstaatlichen Bestimmungen durch das Rechtsmittelgericht nicht zu prüfen ist (Urteil vom 22.Februar 1996, Nr 59/1994/506/588 = ÖJZ 1996, 430; Urteil vom 19.Februar 1996, Nr 50/1994/497/579 = ÖJZ 1996, 675; jeweils mit Zitaten von Vorjudikatur; Frowein/Peukert MRK-Komm2 Art 6 RN 95,118). Dem aus Art 6 MRK abgeleiteten Prinzip der Waffengleichheit wird dadurch genüge getan, daß - wie vorliegend - der Verteidiger Gelegenheit hatte, sich (als letzter vor der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes) zur Stellungnahme der Generalprokuratur zu äußern (vgl Fall Bulut gegen Österreich = ÖJZ 1996,430).