JudikaturJustiz15Os108/19z

15Os108/19z – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Oktober 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Oktober 2019 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jukic als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung der Friedericke N***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 11. Juli 2019, GZ 13 Hv 46/19x 11, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Unterbringung der Friedericke N***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet.

Danach hat sie am 31. Oktober 2018 in G*****

unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grade beruht, nämlich einer paranoiden Schizophrenie,

1./ den Eintritt in die Wohnstätte eines anderen mit Gewalt erzwungen, wobei sie Gewalt gegen eine dort befindliche Person zu üben beabsichtigte, indem sie die Haustüre des Wohnhauses der Romana V***** gewaltsam aufdrückte und diese nachfolgend im Bereich der Schulter und am Hals packte und gegen die Stiege stieß;

2./ Romana V***** gefährlich mit dem Tod bedroht, um diese in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem sie diese am Hals packte und schrie „jetzt hab ich dich, ich bring dich um“,

sohin Taten begangen, die als Vergehen des Hausfriedensbruchs nach § 109 „Abs 1 und“ Abs 3 Z 1 StGB (1./) und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (2./) jeweils mit ein Jahr übersteigender Freiheitsstrafe bedroht sind.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5a und 10 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde der Betroffenen kommt keine Berechtigung zu.

Mit

Tatsachenrüge (Z 5a) sind Feststellungen nur insoweit anfechtbar, als sie für die Lösung der Schuldfrage entscheidend sind (RIS Justiz RS0117499). Daran ist das Beschwerdevorbringen nicht orientiert, soweit es das Vorliegen von Verletzungen beim Tatopfer in Frage stellt, ist doch eine derartige Konstatierung weder für die Verwirklichung des Tatbildes der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB noch für jenes des Hausfriedensbruchs nach § 109 Abs 3 Z 1 StGB von Bedeutung. Indem sich die

Tatsachenrüge überdies gegen die erstgerichtliche Würdigung der Schilderungen des Tatopfers (US 4 f) wendet und auf die leugnende Verantwortung der Betroffenen verweist, verkennt sie die Reichweite des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS Justiz RS0106588 [T9], RS0099419, RS0099649). Mit dem Hinweis auf den – im Urteil ohnehin berücksichtigten (vgl US 4 f) – Umstand, dass das Tatopfer in seiner ersten Vernehmung am Tag des Vorfalls eine „vermeintliche Drohung“ nicht erwähnt habe, weckt die Beschwerde keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (vgl RIS Justiz RS0118780). Insgesamt erschöpft sich das Vorbringen in unzulässiger Beweiswürdigungskritik nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Die Rechtsrüge (nominell Z 10, der Sache nach Z 9 lit a) argumentiert zu 1./, die Betroffene hätte weder den Vorsatz gehabt, „das Haus tatsächlich zu betreten“ noch habe sie „konkret die Gewaltausübung in dem geschützten Raum beabsichtigt“, sondern sei es ihr „lediglich“ darauf angekommen, das Tatopfer „zu beschimpfen“. Solcherart verfehlt sie den im festgestellten Sachverhalt (US 3) gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810). Selbiges gilt für die weiteren Beschwerdeausführungen zu 2./, denen zufolge die Nichtigkeitswerberin „im Zorn“ „oder“ bloß in Beleidigungsabsicht gehandelt habe, „aufgrund [ihrer] psychischen Situation [...] auf eine milieubedingte Unmutsäußerung zu schließen“ sei und weder „die Gefährlichkeit der Drohung im Sinne von § 107 Abs 2 StGB“ noch die dafür erforderliche subjektive Tatseite vorliege, vernachlässigen sie doch die gegenteiligen erstgerichtlichen Feststellungen zum Bedeutungsinhalt sowie zur Ernstlichkeit der inkriminierten Äußerung (US 3). Das im Rahmen der Berufung erstattete Vorbringen (der Sache nach erneut Z 9 lit a), nach dem „bereits der für die Maßnahme nach § 21 Abs 1 StGB notwendige Strafrahmen nicht erreicht“ worden sei, womit sich das Erstgericht überdies „nicht ausreichend“ auseinandergesetzt habe, orientiert sich ebenso wenig an den im Urteil (zu 1./ und 2./) getroffenen Konstatierungen.

Anzumerken ist, dass der das Vergehen des Hausfriedensbruchs nach § 109 „Abs 1 und“ Abs 3 Z 1 StGB (wobei es sich um zwei eigenständige und einander ausschließende Deliktstypen handelt, die nicht im Verhältnis von Grunddelikt und Qualifikation zueinander stehen [ Soyer/Schumann in WK 2 StGB § 109 Rz 46; Fabrizy , StGB 13 § 109 Rz 10; RIS Justiz RS0109115]) bezeichnende Ausspruch des Erstgerichts nach § 260 Abs 1 Z 2 StPO fehlerhaft ist.

Fallbezogen wurde aber nicht ein und derselbe Sachverhalt sowohl Abs 1 als auch Abs 3 des § 109 StGB unterstellt, sondern zum Ausdruck gebracht, dass die Betroffene (nur) ein Vergehen nach § 109 Abs 3 Z 1 StGB verübt hat, sodass – ohne Nichtigkeit zu begründen – ein sanktionsloser und bloß klarzustellender (Zitier )Fehler ( Lendl , WK StPO § 260 Rz 32; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 623 f; RIS Justiz

RS0109115 [T2]) vorliegt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).