JudikaturJustiz14Os95/11v

14Os95/11v – OGH Entscheidung

Entscheidung
04. Oktober 2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Oktober 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kopinits als Schriftführer in der Strafsache gegen Thomas E***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 23. Februar 2011, GZ 8 Hv 126/10k 40, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Thomas E***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er (zusammengefasst wiedergegeben) in der Zeit von 2006 bis 2010 in B***** und an anderen Orten gewerbsmäßig mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz in 36 Fällen die im Urteil einzeln bezeichneten Personen durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorspiegelung, die ihm zum Zweck der Veranlagung übergebenen Geldbeträge gewinnbringend anzulegen und (in einem Fall Punkt 36 des Urteils) zu anderen Zwecken als zum Glücksspiel zu verwenden, zu Handlungen, und zwar zur Übergabe von teils 3.000 Euro übersteigenden Beträgen verleitet, die die Genannten in einem 50.000 Euro übersteigenden Betrag von insgesamt 459.047 Euro am Vermögen schädigten.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen auf die Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Mit dem Vorwurf widersprüchlicher Feststellungen (Z 5 dritter Fall) geht die lediglich auf eine einzelne Urteilspassage rekurrierende Mängelrüge nicht von der Gesamtheit der Entscheidungsgründe aus und verfehlt solcherart den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt (RIS Justiz RS0119370).

Bei gebotener Gesamtschau der Entscheidungsgründe (RIS-Justiz RS0099636) gingen die Tatrichter nämlich unmissverständlich davon aus, dass der Beschwerdeführer zwar einsah, dass kontinuierliche Geldvermehrung durch Glücksspiel „nicht funktionieren kann“ (US 19), aufgrund seines konstatierten Krankheitsbilds eines pathologischen Spielers aber gleichzeitig davon überzeugt war, dass es ihm „irgendwann einmal“ gelingen würde, das eingesetzte Kapital der (über die Verwendung der übergebenen Beträge) Getäuschten durch einen großen Gewinn zu vermehren und auf diese Weise seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen (US 19 iVm US 9, 11, 12). Weshalb aber der Glaube an die Möglichkeit späterer Schadensgutmachung für die Feststellung entscheidender Tatsachen erheblich und damit aus Z 5 dritter Fall relevant (vgl Ratz , WK-StPO § 281 Rz 443) sein sollte, erklärt die Beschwerde nicht.

Denn ein Betrug wird bereits mit dem Eintritt des Vermögensschadens, den der Täter mit (hier konstatiertem: US 8, 9, 10, 11, 12, 17, 20, 23) Täuschungs-, Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz herbeigeführt hat, vollendet, wobei hiefür kein dauernder Schaden erforderlich ist, sondern eine vorübergehende letztlich einem Vermögensverlust gleichkommende ( Birklbauer/Hilf/Tipold , BT I §§ 146 ff Rz 32) Vermögensminderung für einen wirtschaftlich nicht ganz bedeutungslosen Zeitraum genügt (RIS-Justiz RS0094383; SSt 57/42; Kirchbacher in WK² § 146 Rz 74; Kienapfel/Schmoller , StudB BT II § 146 Rz 146; Birklbauer/Hilf/Tipold , BT I §§ 146 ff Rz 27). Demgemäß spricht die Beschwerde mit ihren auch in der Rechtsrüge wiederholten (der Sache nach aber nur Z 5 vierter Fall) Hypothesen zum Wesen der Spielsucht, der der Glaube, „irgendwann den großen Gewinn zu machen“, immanent sei, keine entscheidenden Tatsachen an. Entgegen dem weiteren Vorbringen ist es für die Annahme eines unter § 146 StGB subsumierbaren Verhaltens auch nicht entscheidend, ob es der Angeklagte auf besonders leichtgläubige Opfer abgesehen hatte (zur Irrelevanz eines „Opfermitverschuldens“ vgl Kienapfel/Schmoller , StudB BT II § 146 Rz 107).

Mit Mängel- und Rechtsrüge (der Sache nach jedoch nur aus Z 5 zweiter Fall) fordert der Beschwerdeführer in Ansehung des Betrugs zum Nachteil des DI Torsten K***** (Punkt 36) zusätzliche den Tatvorsatz angeblich ausschließende Konstatierungen zum Wissen dieses Zeugen um die finanziellen Probleme des Angeklagten ein. Angesichts dessen, dass das Schöffengericht zu diesem Punkt ohnedies von einem (finanziellen Bedarf des Täters regelmäßig voraussetzenden) Darlehensbetrug unter Vorspiegelung der Rückzahlungsfähigkeit und -willigkeit (US 10) ausging, betrifft auch dieses Vorbringen keinen für die Lösung der Schuldfrage maßgeblichen Umstand.

Entgegen der weiteren Rüge (Z 5 vierter Fall) haben die Tatrichter das festgestellte Wissen des Angeklagten, dass er beim Glücksspiel nicht gewinnen werde (US 12, 19), mit seinen vorhergehenden genau wegen seines Spielverhaltens eingetretenen massiven finanziellen Verlusten logisch und empirisch einwandfrei begründet (US 7, 12, 23). Details zur Ausführung der Täuschungshandlungen, wie das Einsetzen beliebiger Zinssätze in den den Tatopfern vorgelegten Verträgen (US 12), sind für die Annahme betrügerischen Verhaltens nicht von Relevanz, sodass auch die Kritik offenbar unzureichender Begründung dieser Urteilsannahmen (Z 5 vierter Fall) scheitert.

Gleiches gilt für den in der Rechtsrüge (der Sache nach jedoch erneut nur aus Z 5 zweiter Fall) erhobenen Vorwurf unterbliebener Berücksichtigung von Beweisergebnissen zur Rückzahlung „gewisser Beträge“ an im Rechtsmittel genannte Personen. Bleibt der Vollständigkeit halber anzumerken, dass dieses Vorbringen auch keine relevanten Beweisergebnisse in Richtung tätiger Reue (§ 167 StGB) anspricht, wäre doch zur Strafaufhebung bei hier vorliegendem einheitlichen Willensentschluss aufgrund vorausgegangener konkreter Planung (US 8) vollständige Schadensgutmachung erforderlich (RIS-Justiz RS0090642, RS0117252; Kirchbacher in WK² § 167 Rz 68 ff).

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810). Dies verkennt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) grundlegend, soweit sie die (mehrfachen) Konstatierungen zum Täuschungs- (US 9, 17), Schädigungs- (US 8, 9, 20) und Bereicherungsvorsatz (US 8, 23) des Angeklagten schlichtweg ignoriert und mit eigenständigen, aus dessen Spielsucht abgeleiteten Beweiswerterwägungen zu ersetzen sucht. Mit dem Vorbringen zur „unrichtigen rechtlichen Beurteilung aufgrund unterlassener Feststellungen“ ist die weitere (der Sache nach auf Z 5 zweiter und vierter Fall gestützte) Beschwerde auf die obige Erledigung der Mängelrüge zu verweisen. Die allgemein gehaltene Behauptung, wonach substanzloser Gebrauch von verba legalia Tatsachenfeststellungen nicht zu ersetzen vermag, ist zwar für sich richtig, entzieht sich jedoch mangels jeglicher Bezugnahme auf die getroffenen Urteilsannahmen einer inhaltlichen Erwiderung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.