JudikaturJustiz14Os78/17b

14Os78/17b – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Dezember 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Dezember 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Rechtshörers Biley als Schriftführer in der Strafsache gegen Abdullah P***** und eine Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall, 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 23. November 2016, GZ 17 Hv 27/16m 116, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch rechtskräftige Freisprüche sowie einen (sich rechtlich verfehlt auf den zu A./ abgeurteilten Sachverhalt beziehenden, prozessual aber bedeutungslosen [RIS-Justiz RS0120128]) Freispruch von einem Betrugsvorwurf [B./I./A./1./1.1./a./] enthaltenden Urteil (vgl US 3) wurden Abdullah P***** und Silvia K***** – abweichend von der insoweit auf eine §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 148 zweiter Fall StGB subsumierte Tat gerichteten Anklage (ON 66) – jeweils des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB (A./) schuldig erkannt.

Danach haben sie im Oktober 2015 in W***** im einverständlichen Zusammenwirken eine falsche Urkunde, nämlich einen gefälschten Förderungsvertrag beinhaltend eine Förderzusage für den Verein Z***** betreffend „G*****“ im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht, indem Silvia K***** diesen in Absprache mit Abdullah P***** an den Vertreter der L***** GmbH per E-Mail übermittelte.

Darüber hinaus wurden die Angeklagten – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Relevanz – (zu B./) von der (zu I./A./1./1.1./b./ gegen beide Angeklagte, zu I./A./2./2.3./a./ nur gegen Abdullah P***** erhobenen) Anklage, gewerbsmäßig mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz durch Täuschung über die Zahlungsfähigkeit und -willigkeit und über die Verwendung von Investitionszuschüssen andere zu Handlungen verleitet und zu verleiten versucht zu haben, die diese in einem 300.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten und schädigen sollten, und zwar:

B./I./A./1./1.1./b./ Abdullah P***** und Silvia K***** im Herbst 2015 in W***** im einverständlichen Zusammenwirken als Handlungsbevollmächtigte des Vereins „Z*****“ unter Verwendung einer falschen Urkunde, nämlich einer gefälschten Förderzusage des „b*****“ Vertretungsbefugte der M***** GmbH zur Vermittlung eines rechtswirksamen Mietvertragsabschlusses, die diese um 80.000 Euro am Vermögen schädigte (Faktum „G*****“);

I./A./2./2.3./a./ Abdullah P***** im August 2010 in W***** als Obmann des Vereins K***** Helmut N***** zur mietweisen Überlassung des Mietobjekts in 1200 Wien, R*****, wodurch dem Vermieter ein Schaden in Höhe von zumindest 1.716.550,21 Euro entstand („Faktum R*****“)

gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft schlägt fehl.

Die auf das Freispruchfaktum B./I./A./2./2.3./a./ („R*****“) bezogene Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet (im Wesentlichen) Feststellungsmängel hinsichtlich vorsätzlich begangener Täuschungshandlungen des Angeklagten.

Ein Feststellungsmangel wird geltend gemacht, wenn unter Hinweis auf einen nicht durch Feststellungen geklärten, jedoch indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz angestrebt wird, weil dieses ein Tatbestandsmerkmal, einen Ausnahmesatz (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a bis c StPO) oder eine andere rechtliche Unterstellung bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat (RIS-Justiz RS0118580; zum Begriff und Abgrenzungsfragen vgl Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 9.190 ff).

Indem die Beschwerdeführerin die – zur objektiven und subjektiven Tatseite getroffenen – Konstatierungen übergeht, wonach der Angeklagte den Vermieter Helmut N***** „weder über die aktuelle noch über die zukünftige Zahlungsunfähigkeit“ des Vereins K***** täuschte (US 15), verfehlt sie die dargelegten Anfechtungskriterien (vgl RIS-Justiz RS0099810).

Bleibt anzumerken, dass mit alleinigem Hinweis auf in der Hauptverhandlung vorgekommene Indizien (ohne argumentativ an den Entscheidungsgründen des Urteils Maß zu nehmen) der Sache nach auch kein Begründungsmangel im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO geltend gemacht wird.

Im Hinblick auf die solcherart erfolglos in Frage gestellten, den Freispruch tragenden Feststellungen kann die gegen die Urteilsannahmen zur Vermögensschädigung des Opfers gerichtete Mängelrüge (Z 5 fünfter Fall) auf sich beruhen.

Zum Schuldspruch A./ und betreffend den Freispruch B./I./A./1./1.1./ „a./“ und b./ (Faktum „G*****“) stellten die Tatrichter fest, dass die Angeklagten weder Christian E***** (als Vertretungsbefugten der Immobilienmaklerin M***** GmbH) noch Verfügungsberechtigte der Vermieterin L***** GmbH unter Verwendung einer falschen Urkunde über ihre Zahlungsfähigkeit und -willigkeit täuschten, sondern den vom Schuldspruch A./ erfassten (gefälschten) Fördervertrag in der Annahme übermittelten, dass ihn die Vertragspartner zur Erwirkung einer Kreditfinanzierung benötigen würden (US 39 f, 43, 45 bis 48). Im Hinblick auf die solcherart verneinte Täuschung des Zeugen Christian E***** traf der Schöffensenat – in Bezug auf den Freispruch vom Vorwurf betrügerischen Verhaltens zum Nachteil der M***** GmbH (B./I./A./1./1.1./b./) – keine weiteren Feststellungen zu den sonstigen von §§ 146 ff StGB geforderten Tatbestandsmerkmalen (vgl US 47 f, 85 f).

Gründet das Gericht den Freispruch auf die Annahme, dass eine Tatbestandsvoraussetzung nicht erfüllt ist, und trifft es demnach keine Aussage zu sämtlichen Tatbestandselementen, reicht es für den Erfolg der Nichtigkeitsbeschwerde nicht hin, einen Begründungsmangel bloß in Ansehung der getroffenen Urteilsannahme (der Negativfeststellung zur Täterschaft) aufzuzeigen. Vielmehr ist hinsichtlich jener Tatbestandsmerkmale, zu denen das Urteil keine Konstatierungen enthält, unter Berufung auf derartige Feststellungen indizierende und in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse ein Feststellungsmangel (Z 9 lit a) geltend zu machen; fehlen die dafür nötigen Indizien, bedarf es der Geltendmachung darauf bezogener Anträge aus § 281 Abs 1 Z 4 StPO, wurden die fehlenden Tatbestandsmerkmale verneint, ist insoweit ein Begründungsmangel geltend zu machen (RIS-Justiz RS0127315).

An diesen Anfechtungsvoraussetzungen scheitert die Beschwerde, die (nominell) aus § 281 Abs 1 Z 5 zweiter bis fünfter Fall StPO lediglich die zum Freispruch führenden Annahmen des Erstgerichts sowie weitere – einen gar nicht relevierten Freispruch (B./I./A./1./1.1./c./) betreffende – Urteilsannahmen (vgl US 48 ff) kritisiert und aus § 281 Abs 1 Z 10 StPO einen Feststellungsmangel (nur) in Ansehung des (insoweit irrelevanten) Umstands, dass der Fördervertrag für die finanzierende Bank bei der Entscheidung über die Kreditgewährung keine Rolle spielte, behauptet. Damit spricht die Mängelrüge von vornherein keine entscheidenden Tatsachen an (RIS-Justiz RS0130509), sodass sich ein näheres Eingehen auf die einzelnen Einwände erübrigt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Eine Kostenentscheidung hatte gemäß § 390a Abs 1 erster Satz zweiter Halbsatz StPO zu unterbleiben.

Rechtssätze
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