JudikaturJustiz14Os63/23f

14Os63/23f – OGH Entscheidung

Entscheidung
01. August 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. August 2023 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Mair in der Strafsache gegen * G* wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16. März 2023, GZ 126 Hv 10/23y 52.3, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * G* des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 26. Juni 2021 in W* als Polizeibeamter mit dem Vorsatz, dadurch „die Republik Österreich sowie * H* an deren Recht auf wahrheitsgemäße Anzeigeerstattung nur wegen tatsächlich und in der beschriebenen Weise begangener Verwaltungsübertretungen“ (ersichtlich zutreffend gemeint [vgl US 11]: H* an deren Recht, nicht zu Unrecht verwaltungsstrafrechtlich verfolgt zu werden [vgl Nordmeyer in WK 2 StGB § 302 Rz 157 mwN]), seine Befugnis, im Namen „des Bundes“ (richtig [s § 5 Abs 1 Wiener Landes-Sicherheitsgesetz {kurz: WLSG}]) der Gemeinde W* (vgl Nordmeyer in WK 2 StGB § 302 Rz 14) als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, nämlich an der Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens durch Anzeigeerstattung mitzuwirken (vgl RIS Justiz RS0128192), wissentlich missbraucht, indem er H* wegen zweier Verstöße nach § 1 Abs 1 Z 1 und 2 WLSG (US 4 f) anzeigte und falsch protokollierte, sie habe die amtshandelnden Polizisten angeschrien und während der Amtshandlung mit den Worten, sie „hätte nicht geglaubt, dass in Österreich so blöde und unkompetente Polizisten herumlaufen“, beleidigt, obwohl H* ein § 1 Abs 1 Z 1 oder 2 WLSG subsumierbares Verhalten nicht gesetzt hatte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen nach § 281 Abs 1 Z 10a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

[4] Die gesetzmäßige Ausführung einer Diversionsrüge (Z 10a) erfordert eine methodisch korrekte Argumentation auf Basis der Urteilsfeststellungen unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens sämtlicher Diversionsvoraussetzungen (RIS Justiz RS0124801). Diese Vorgaben verfehlt das Beschwerdevorbringen schon deshalb, weil es auf der urteilsfremden Prämisse aufbaut, „dass der entstandene Schaden keine schweren Folgen nach sich gezogen hat“ und deshalb „als geringfügig“ einzustufen sei.

[5] Nach den Feststellungen wurde, basierend auf den Anzeigen des Beschwerdeführers, zunächst eine Strafverfügung gegen das Opfer mit einer Geldstrafe von insgesamt 200 Euro erlassen. Zwar trat diese Strafverfügung infolge Einspruchs des Opfers außer Kraft; dieses hatte jedoch im Verwaltungsstrafverfahren entstandene Verteidigerkosten von 2.571 Euro zu tragen (US 5). Auf dieser – von der Rüge übergangenen – Sachverhaltsgrundlage kann von keiner, geringfügiger oder sonst unbedeutender Schädigung im Sinn des § 198 Abs 3 StPO keine Rede sein (vgl zum anzuwendenden [weiten] Begriffsverständnis 17 Os 34/14z mwN; vgl auch RIS Justiz RS0120079).

[6] Im Übrigen liegt – wie schon das Erstgericht zutreffend ausführte (US 10 f) – ein atypisch geringer Schuldgehalt (vgl [zu diesem Maßstab bei Missbrauch der Amtsgewalt] 14 Os 150/21x mwN; allgemein RIS Justiz RS0116021 [T17 und T24]) des vorgeworfenen, in wahrheitswidriger Anzeigeerstattung wegen zweier Verwaltungsübertretungen mehrere Tage nach dem bezughabenden Polizeieinsatz (weshalb auch keine emotionale Belastung des Beschwerdeführers im Tatzeitpunkt ersichtlich ist) bestehenden Verhaltens nicht vor.

[7] Ebenso wenig kann hier – recht besehen – von einer von Unrechtsbewusstsein getragenen Verantwortungsübernahme des Beschwerdeführers als weiterer Diversionsvoraussetzung (RIS Justiz RS0126734) ausgegangen werden, gestand dieser doch nicht einmal das objektive Tatgeschehen zu und behauptete bis zuletzt, im Zeitpunkt der Anzeigenverfassung von der Richtigkeit seiner Protokollierung überzeugt gewesen zu sein (ON 52.2, 2, 8, 15 und 17).

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[9] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.