JudikaturJustiz14Os19/95

14Os19/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Februar 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Februar 1995 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Ebner, Dr.E. Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Schaffer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Claus Dieter Sch***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1, Abs 2 und Abs 3 Z 3 SGG sowie des Finanzvergehens des Schmuggels nach §§ 35 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 25. November 1994, GZ 34 Vr 787/94-18, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Claus Dieter Sch***** des Verbrechens nach § 12 Abs 1, Abs 2 und Abs 3 Z 3 SGG (I) sowie des Finanzvergehens des Schmuggels nach §§ 35 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG (II) schuldig erkannt und zu einer Zusatzfreiheitsstrafe, einer Geld- sowie einer Wertersatzstrafe verurteilt.

Darnach hat er

I. im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit den gesondert verfolgten Peter Sch***** und Richard S***** gewerbsmäßig den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer Menge, die zumindest das 25fache der im § 12 Abs 1 SGG angeführten großen Menge ausmacht,

1. aus Holland ausgeführt und über Deutschland nach Österreich eingeführt, und zwar

a) Mitte Mai 1993 200 Gramm Kokain, 100 Gramm Heroin und 150 Stück Amphetamin;

b) Mitte Juni 1993 150 bis 200 Gramm Kokain, 100 bis 150 Gramm Heroin und 100 bis 150 Stück Amphetamin und

c) Mitte August 1993 200 Gramm Kokain, 100 bis 150 Gramm Heroin und 100 bis 150 Stück Amphetamin;

2. diese Suchtgiftmengen durch Verkauf und Weitergabe in der darauffolgenden Zeit in Linz in Verkehr gesetzt;

II. durch die unter I. beschriebenen Taten eingangsabgabepflichtige Waren gewerbsmäßig vorsätzlich unter Verletzung einer zollrechtlichen Stellungs- und Erklärungspflicht dem Zollverfahren entzogen.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde aus den Gründen der Z 4, 5, 5 a und 10 des § 281 Abs 1 StPO sowie mit Berufung.

Der Verfahrensrüge (Z 4) ist zwar zuzugeben, daß das Schöffengericht über den Beweisantrag des Angeklagten auf Einvernahme des Harald R***** als Zeuge entgegen der Vorschrift des § 238 StPO kein formelles Zwischenerkenntnis gefällt hat. Es ist jedoch unzweifelhaft erkennbar, daß hiedurch Verteidigungsrechte nicht beeinträchtigt worden sind, die Formverletzung somit auf die Entscheidung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß üben konnte (§ 281 Abs 3 StPO):

Angesichts der, wenngleich nur auf "am Gasthaustisch aufgeschnappte" Gespräche (S 29, 196) gegründeten, aber immerhin eindeutig belastenden Angaben des Harald R***** im Vorverfahren (S 23 ff; 195

ff) hätte der Angeklagte schon im Beweisantrag (und nicht erst in der Beschwerdeschrift) dartun müssen, aus welchen Gründen seiner Meinung nach vom Zeugen R***** nunmehr die Bestätigung zu erwarten sei, "daß der Beschuldigte keine Suchtgiftstraftaten in der Form der Einfuhr, Ausfuhr oder des Inverkehrsetzens verübt hat" (S 245). Infolge der Unzulänglichkeit dieses Beweisantrages wäre den Tatrichtern eine positive Beurteilung seiner Berechtigung ohnedies nicht möglich gewesen, weshalb der in der Unterlassung eines ausdrücklichen abweislichen Zwischenerkenntnisses gelegene Formalfehler auf sich beruhen kann.

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider hat das Erstgericht dadurch, daß es "zur Vermeidung von Wiederholungen" auf die belastenden ausführlichen Angaben des Richard S*****(S 43 ff) und des Peter Sch***** (S 109 ff) im Vorverfahren hinwies, denen es gegenüber deren Aussagen in der Hauptverhandlung den Vorzug gegeben hat (US 6), seiner Begründungspflicht durchaus Genüge getan, weil durch die derart "gedrängte Darstellung" die geforderte Bestimmtheit der Angaben darüber, welche Tatsachen und aus welchen Gründen der Gerichtshof sie als erwiesen angenommen hat und von welchen Erwägungen er bei der Beseitigung der vorgebrachten Einwendungen geleitet wurde (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO), nicht gelitten hat.

Dies gilt insbesondere für die Argumentation des Erstgerichtes, daß dem Zeugen Richard S*****hinsichtlich der Fahrt im Mai 1993 (I/1/a) eine Verwechslung seines Begleiters unterlaufen sein könnte (US 6/7), hat doch der Zeuge selbst angegeben, wegen seiner häufigen Fahrten nach den Niederlanden nicht mehr zu wissen, "wann (er) mit wem oben war" (S 239). Warum der Hinweis (US 7) auf das Parallelurteil betreffend Peter Sch***** und Richard S***** unzulässig sein sollte, ist nicht erkennbar, denn der Schöffensenat hat sich keineswegs auf die rechtskräftigen Annahmen jenes Urteils berufen, sondern eigene Feststellungen getroffen und diese mit den von ihm aufgenommenen und gewürdigten Beweisen selbständig begründet.

Mit der Form der strafrechtlichen Beteiligung des Peter Sch***** mußten sich die Tatrichter hier nicht eigens auseinandersetzen, weil das angefochtene Urteil den Angeklagten Claus Dieter Sch***** allein betrifft. Es ist zwar richtig, daß Peter Sch***** nach den Feststellungen (US 4) Bestimmungstäter und nicht unmittelbarer Täter (= Ausführungstäter) war, doch kann dies für das vorliegende Verfahren dahingestellt bleiben, da die Strafbarkeit des Beschwerdeführers davon in keiner Weise abhängig ist.

Mit seinen Überlegungen, warum der Zeuge Richard S***** im Vorverfahren und in der Hauptverhandlung unterschiedliche Angaben gemacht haben könnte und warum seiner entlastenden Aussage in der Hauptverhandlung Glauben zu schenken sei, gleitet der Beschwerdeführer in den Bereich einer im Rechtsmittelverfahren gegen Urteile von Kollegialgerichten unzulässigen Schuldberufung ab.

Die gewerbsmäßige Begehungsweise hat das Erstgericht logisch und empirisch einwandfrei aus der Arbeitsscheu des Angeklagten (US 4), seiner daraus resultierenden Arbeits- und Einkommenslosigkeit und der raschen Aufeinanderfolge der drei lukrativen Suchtgiftbeschaffungsfahrten abgeleitet (US 7).

Richtig ist zwar, daß das Erstgericht den eigentlichen Schmuggelvorgang nur summarisch dargestellt und nicht besonders untersucht hat, ob der Angeklagte in allen drei urteilsgegenständlichen Fällen beim Grenzübertritt zumindest Mitgewahrsamsträger des Suchtgiftes war, ihn somit jeweils auch selbst eine zollrechtliche Stellungs- und Erklärungspflicht als Voraussetzung der Beurteilung seiner Tatbeteiligung als Ausführungstäterschaft (§ 11 erster Fall FinStrG; Dorazil-Harbich FinStrG Erl. 8 und E 7, 36, 61 a zu § 35) getroffen hat.

Dieser Vorwurf der Undeutlichkeit (Z 5) erweist sich indes aus rechtlichen Erwägungen - auch unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit (Z 5) - als unbegründet. Bei von Mehreren gemeinsam geplanten und ausgeführten Suchtgiftbeschaffungsfahrten ist nämlich ihr einmal begründeter Mitgewahrsam am Suchtgift durchgängig selbst dann anzunehmen, wenn sich - wie hier nach den Behauptungen des Zeugen Richard S*****(S 47, 59, 89) - die Beteiligten vor der Zollkontrolle kurzfristig trennen und nur einer von ihnen mit dem Suchtgift die Grenze passiert. Diesfalls wird nämlich der Mitgewahrsam der anderen an der Konterbande bloß vorübergehend gelockert, aber keineswegs aufgehoben (zum faktisch-normativen Gewahrsamsbegriff und jenem des gelockerten Gewahrsams siehe Leukauf-Steininger Komm3 § 127 RN 21, 22; Kienapfel BT II3 § 127 Rz 54, 59 f).

Der Einwand eines inneren Widerspruchs (Z 5) hingegen versagt deshalb, weil ein solcher Mangel sich auf den Ausspruch des Gerichtshofes über entscheidende Tatsachen beziehen muß, während der Beschwerdeführer als Widerspruch eine differenzierte Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Gendarmerieaussage des Zeugen Richard S*****geltend macht, damit aber, wie auch mit seinem noch übrigen Vorbringen unter diesem Nichtigkeitsgrund abermals nur in unzulässiger Weise Kritik an der Beweiswürdigung der Tatrichter übt.

Auch unter dem Gesichtspunkt des § 281 Abs 1 Z 5 a StPO vermag der Beschwerdeführer mit diesen Einwendungen, die er insoweit wiederholt, nicht durchzudringen. Eine Prüfung der Akten anhand des Vorbringens gibt zu erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen keinen Anlaß.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) endlich ist nicht zum Vorteil des Beschwerdeführers ausgeführt (§ 282 Abs 1 StPO), schließt doch die einheitstäterschaftliche Regelung des § 11 FinStrG eine Benachteiligung des Angeklagten selbst durch eine allenfalls rechtsirrtümliche Beurteilung der von ihm beim Schmuggel des Suchtgiftes aktualisierten, in tatsächlicher Hinsicht - wie dargelegt - mängelfrei festgestellten Täterschaftsform aus (vgl Mayerhofer-Rieder StPO3 E 51 ff zu § 281 Z 10).

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Claus Dieter Sch***** war daher als zum größten Teil offenbar unbegründet, im übrigen aber als nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Linz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285 i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten ist in § 390 a StPO begründet.

Rechtssätze
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