JudikaturJustiz14Os176/94

14Os176/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. Dezember 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. Dezember 1994 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer und Dr. Ebner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schaffer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Erwin P* wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung, AZ 15 E Vr 811/94 des Landesgerichtes Eisenstadt, über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 28. Oktober 1994, AZ 21 Bs 399,408/94 (= ON 23), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Durch den angefochtenen Beschluß wurde Erwin P* im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Erwin P* wurde am 26. September 1994 um 01.45 Uhr von Beamten des Gendarmeriepostens Rechnitz auf Grund eines über Antrag der Staatsanwaltschaft vom Untersuchungsrichter wegen Tatbegehungs und Ausführungsgefahr (§ 175 Abs 1 Z 4 StPO) mündlich voraus erteilten Haftbefehls (vgl § 177 Abs 2 StPO, wonach schon die Zusage des Staatsanwaltes, einen Haftantrag zu stellen, genügt) festgenommen, weil er (dringend) verdächtig war, seine Lebensgefährtin gefährlich bedroht und leicht verletzt zu haben. Noch am selben Tag (26. September 1994) wurde gegen ihn die Voruntersuchung wegen der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB und der Körperverletzung nach § 83 StGB eingeleitet und über ihn aus den Haftgründen des § 180 Abs 2 Z 3 lit b, c und d StPO die Untersuchungshaft verhängt (ON 5). Als Ende der Haftfrist (§ 181 Abs 2 Z 1 StPO) wurde der 10. Oktober 1994 deklariert.

An diesem Tat (ab 09.00 Uhr) wurde eine Haftverhandlung durchgeführt (ON 8) und die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus den erwähnten Haftgründen beschlossen (ON 9). Dagegen erhob der Beschuldigte fristgerecht Haftbeschwerde, die sogleich dem Oberlandesgericht Wien zur Entscheidung vorgelegt wurde.

Mit Beschluß vom 13. Oktober 1994 (ON 17) "hob" der Untersuchungsrichter die Untersuchungshaft zum Zweck des Vollzuges einer gerichtlichen Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Tagen "auf" (§ 180 Abs 4 StPO). Die Ersatzfreiheitsstrafe wurde am 17. Oktober 1994 um 12.00 Uhr in Vollzug gesetzt (ON 18). Auch gegen diesen Beschluß erhob der Beschuldigte Beschwerde, die der Untersuchungsrichter dem Gerichtshof II.Instanz zur Haftbeschwerde nachreichte.

Mit Beschluß vom 28. Oktober 1994, AZ 21 Bs 399,408/94 (= ON 23), entschied das Oberlandesgericht Wien dahin, daß es

1. der Beschwerde gegen den Beschluß auf Fortsetzung der Untersuchungshaft (ON 9) nicht Folge gab und aussprach, daß damit eine (ab der neuerlichen Übernahme in Untersuchungshaft zu berechnende) 2 monatige Haftfrist ausgelöst werde;

2. die Beschwerde gegen die Aufhebung der Untersuchungshaft und die Übernahme in den Strafvollzug (ON 17) zurückwies.

Mit Urteil vom selben Tag (28.Oktober 1994) - der Untersuchungsrichter hatte inzwischen die Voruntersuchung an Hand der zurückbehaltenen Aktenkopien (§ 115 StPO) abgeschlossen, die Staatsanwaltschaft den Strafantrag eingebracht erkannte das Landesgericht Eisenstadt Erwin P* der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB und der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig und verhängte über ihn eine (unbedingte) Freiheitsstrafe von sechs Monaten (ON 21), wogegen der Beschuldigte sogleich Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe anmeldete, die nach der Aktenlage noch nicht ausgeführt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien richtet sich die vorliegende Grundrechtsbeschwerde, in welcher der Beschwerdeführer als Verletzung des Grundrechtes auf persönliche Freiheit geltend macht (§ 3 Abs 1 GRBG), daß

1. die Haftgründe (§ 180 Abs 2 Z 3 lit b, c und d StPO) unrichtig beurteilt worden seien;

2. zu Unrecht die Substituierbarkeit der Haft durch gelindere Mittel (§ 180 Abs 5 StPO) verneint worden sei;

3. die Untersuchungshaft zur Bedeutung der Sache und zu der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis stünde (§ 180 Abs 1 StPO);

4. die Haftverhandlung am 10. Oktober 1994 außerhalb der 14 tägigen Haftfrist durchgeführt worden sei und er daher zu enthaften gewesen wäre (§ 181 Abs 1 und Abs 2 Z 1 StPO);

5. das Oberlandesgericht Wien sich nicht mit allen Beschwerdeeinwänden auseinandergesetzt habe.

Zunächst sei klargestellt, daß der Gerichtshof II.Instanz über die Haftbeschwerde zu Recht meritorisch entschieden und diese nicht etwa im Hinblick darauf, daß sich der Beschuldigte zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr in Untersuchungshaft befand (weil an ihm bereits die erwähnte Ersatzfreiheitsstrafe vollzogen wurde), mangels Beschwerdeinteresses zurückgewiesen hat. Zu diesem Ergebnis führt eine nähere Untersuchung der aus § 180 Abs 4 StPO resultierenden haftrechtlichen Konsequenzen. Die im gegebenen Zusammenhang insbesondere in Betracht zu ziehenden Vorschriften der Strafprozeßordnung haben folgenden Wortlaut:

" § 180 (1) Die Untersuchungshaft darf nur auf Antrag des Staatsanwaltes und nur dann verhängt oder fortgesetzt werden, wenn gegen den Beschuldigten eine Voruntersuchung geführt wird oder Anklage erhoben worden ist und der Beschuldigte einer bestimmten Tat dringend verdächtig ist, einer der in den Abs 2 oder 7 angeführten Haftgründe vorliegt und der Beschuldigte durch das Gericht bereits zur Sache und zu den Voraussetzungen der Untersuchungshaft vernommen worden ist. Sie darf nicht verhängt oder aufrechterhalten werden, soweit sie zur Bedeutung der Sache oder der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis steht oder ihr Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel (Abs 5) erreicht werden kann.

(4) Die Untersuchungshaft darf nicht verhängt oder aufrechterhalten werden, wenn die Haftzwecke auch durch eine gleichzeitige Strafhaft oder Haft anderer Art erreicht werden können. Wird von der Verhängung oder Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft wegen einer gleichzeitigen Strafhaft Abstand genommen, so hat der Untersuchungsrichter die Abweichungen vom Vollzug der Strafhaft zu verfügen, die für die Zwecke der Untersuchung unentbehrlich sind.

(6) Können die Haftzwecke durch die gleichzeitige Strafhaft oder Haft anderer Art oder die Anwendung gelinderer Mittel nicht erreicht werden, oder würde die Untersuchung durch die Aufrechterhaltung der Strafhaft oder Haft anderer Art wesentlich erschwert, so ist vom Untersuchungsrichter die Untersuchungshaft zu verhängen. Damit tritt im Falle der Strafhaft eine Unterbrechung des Strafvollzuges ein.

§ 193 (2) Die vorläufige Verwahrung, die Untersuchungshaft sowie die Anwendung gelinderer Mittel sind aufzuheben, sobald ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen oder ihre Dauer unverhältnismäßig wäre."

Aus der Wortfolge, daß unter den Voraussetzungen des § 180 Abs 4 StPO die Untersuchungshaft "nicht aufrechterhalten werden darf", hat schon bald nach der Einführung dieser Bestimmung durch das EGStVG 1969, BGBl Nr 145, die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte (vgl OLG Wien 11 Bs 49/72 und 23 Bs 2007/78 = ÖJZ LSK 1978/357; OLG Innsbruck 4 Bs 380/80 = ÖJZ LSK 1981/132 = Mayerhofer Rieder StPO3 E 12 b zu § 180; siehe auch Foregger Kodek StPO6 Erl III zu § 180) - entgegen der von Kodek in RZ 1974, 75 vertretenen Auffassung abgeleitet, daß in diesem Fall die Untersuchungshaft nicht bloß zu unterbrechen, sondern aufzuheben und nach dem Strafvollzug gegebenenfalls neuerlich zu verhängen sei.

Anläßlich von Entscheidungen über die Frage der Berechnung der höchstzulässigen Dauer der Untersuchungshaft nach § 193 Abs 3 und Abs 4 StPO idF vor dem StPÄG 1993 hat sich der Oberste Gerichtshof zwar auf diese Judikatur bezogen, damit in jenem Zusammenhang aber auf den Nachweis abgezielt, daß woran festzuhalten ist - eine gemäß § 180 Abs 4 StPO vollzogene Strafhaft oder Haft anderer Art keine Untersuchungshaft ist und sie demgemäß bei der Berechnung der höchstzulässigen Dauer der Untersuchungshaft (nunmehr § 194 StPO nF) außer Betracht bleibt (14 Os 95/93, 14 Os 133/93, 11 Os 174/93).

Soweit darin implizit auch eine Billigung der erwähnten Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zum Ausdruck gekommen ist, wonach § 180 Abs 4 StPO eine formelle Aufhebung der Untersuchungshaft und gegebenenfalls deren Neuverhängung gebiete, sieht sich der Oberste Gerichtshof jedoch im Hinblick auf die durch das StPÄG 1993 geschaffene Rechtslage und die bisher hiezu ergangene Judikatur veranlaßt, von dieser Auffassung nunmehr ausdrücklich abzurücken.

Den zitierten Bestimmungen des § 180 Abs 4 und Abs 6 StPO kann ein gleichermaßen kategorisches Verbot der Verhängung oder Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft bzw ein Gebot zu deren Aufhebung nicht entnommen werden, wie es die §§ 180 Abs 1 und 193 Abs 2 StPO bei Fehlen oder Wegfall der Haftvoraussetzungen normieren. Jenes des § 180 Abs 4 StPO kommt nämlich auch dann nicht zum Tragen, wenn durch eine gleichzeitige Strafhaft oder Haft anderer Art zwar die Haftzwecke (d.i. die Verhinderung der in § 180 Abs 2 Z 1 bis 3 StPO beschriebenen Gefahren) erreicht werden könnten, die Untersuchung aber dadurch wesentlich erschwert würde. Somit können auch bloße Zweckmäßigkeitserwägungen, die in ihrem Anspruch den gesetzlichen Haftvoraussetzungen des § 180 Abs 1 StPO weder vergleichbar sind noch diese berühren, für die Verhängung oder Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft ausschlaggebend sein. Das Verbot der Verhängung und Fortsetzung (Aufrechterhaltung) der Untersuchungshaft nach § 180 Abs 1 StPO bzw das Gebot zu deren Aufhebung nach § 193 Abs 2 StPO unterscheidet sich daher grundlegend von den Bestimmungen des § 180 Abs 4 und Abs 6 StPO, die ihrem Wesen nach nur Kollisionsnormen für den Fall aufstellen, daß die an sich gegebenen Voraussetzungen der Untersuchungshaft mit einer Strafhaft oder Haft anderer Art gleichzeitig zusammentreffen, und diesen Haftarten wegen ihres definitiven Charakters grundsätzlich den Vorrang vor der Untersuchungshaft als Provisorialmaßnahme einräumen, ohne jedoch damit deren Grundlagen in Frage zu stellen.

Solange die Untersuchungshaft noch nicht verhängt ist, führt dieser essentielle Unterschied der in Rede stehenden Bestimmungen gleichwohl zu keinem unterschiedlichen Ergebnis. Selbst wenn die gesetzlichen Voraussetzungen einer Untersuchungshaft (§ 180 Abs 1 StPO) gegeben sind, darf unter den Bedingungen des § 180 Abs 4 StPO ein Beschluß auf Verhängung der Untersuchungshaft nicht gefaßt werden. Problematisch ist allein der auch hier aktuelle Fall, daß sich die Möglichkeit des Vollzuges einer Strafhaft oder Haft anderer Art erst nach Verhängung der Untersuchungshaft ergibt. Für diesen Fall läßt der aufgezeigte Wesensunterschied die Auslegung zu, daß dem gesetzlichen Verbot der Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft iS des § 180 Abs 4 StPO allein durch die Einleitung des Vollzuges der Strafhaft oder Haft anderer Art Genüge getan wird, ohne daß der Haftbeschluß auch in seinem materiellen Bestand (Feststellung des dringenden Tatverdachtes und der Haftgründe) formell zu beseitigen wäre. Er verliert für die Dauer des Zwischenvollzuges bloß vorübergehend seine Wirksamkeit.

Dieses Ergebnis harmoniert mit der vom Obersten Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung vom 8. September 1994, 15 Os 84,85/94 = EvBl 1994/176, entwickelten Auslegung, wonach die Haftfristen des § 181 StPO durch einen Zwischenvollzug iS des § 180 Abs 4 StPO nur in ihrem Fortlauf gehemmt werden. Da die Haftfristen als jene bestimmten Zeiträume definiert werden, für die Beschlüsse auf Verhängung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft längstens wirksam sind (§ 181 Abs 1 StPO), bezieht sich diese Hemmung eben auf die Wirksamkeit des Haftbeschlusses, die also für die Dauer des Zwischenvollzuges nur ausgesetzt ("vorläufig sistiert" vgl die zit E 15 Os 84,85/94) wird. Dies bedeutet aber, daß die Wirksamkeit eines Haftbeschlusses mit dem Ende des Zwischenvollzuges von selbst wieder einsetzt, somit die Untersuchungshaft danach ohne neuerliche Beschlußfassung fortgesetzt werden kann.

Das gesetzliche Anliegen, den Entscheidungen über den Entzug der persönlichen Freiheit als massivstem Grundrechtseingriff den gebührenden Stellenwert einzuräumen (JAB 1157 BlgNR 18.GP, 2), wird durch diese Auslegung nicht beeinträchtigt. Wenn sich die haftrelevanten Umstände in der Zwischenzeit geändert haben, müssen dies der Untersuchungsricher und der Staatsanwalt ohnedies von Amts wegen berücksichtigen, weshalb gegebenenfalls noch rechtzeitig vor dem Ende des Zwischenvollzuges die entsprechenden Verfügungen zu treffen sind. Der notwendig von einem Verteidiger vertretene (§ 41 Abs 1 Z 3 StPO) Beschuldigte selbst hinwieder kann schon während des Zwischenvollzuges im Hinblick auf seine unmittelbar bevorstehende Rücküberstellung in Untersuchungshaft einen Enthaftungsantrag stellen und damit gegebenenfalls eine Haftverhandlung erzwingen. Schließlich ist vor Ablauf der (gehemmt gewesenen) Haftfrist jedenfalls eine Haftverhandlung fällig.

Somit ist die wiedergegebene bisherige formalistische Interpretation des § 180 Abs 4 StPO weder nach dem Wortlaut des Gesetzes zwingend geboten, noch läßt sie sich nach dessen Sinn und Zweck unter Bedachtnahme auf eine möglichst einfache und den Bedürfnissen der Praxis entsprechende, der Verfahrensbeschleunigung und damit der Haftverkürzung (§ 193 Abs 1 StPO) dienende Handhabung dieser Bestimmung einleuchtend begründen. Sie wird daher aufgegeben.

Liegt dem Untersuchungsrichter eine rechtswirksame Vollzugsanordnung betreffend eine Strafhaft oder Haft anderer Art vor, so hat er demnach zu prüfen, ob dadurch die Haftzwecke erreicht werden können (§ 180 Abs 4 StPO) und bejahendenfalls wenn erforderlich unter Verfügung der zur Sicherstellung des Untersuchungszweckes unentbehrlichen Abweichungen vom Strafvollzug nur sein Einverständnis mit dem Vollzug der Strafhaft oder Haft anderer Art auszusprechen. In diesem Beschluß gegen den der vom Oberlandesgericht Wien vertretenen Auffassung zuwider die Beschwerde gemäß § 113 StPO an die Ratskammer zusteht kann auch schon die (unter Hinzuzählung der voraussichtlichen Dauer des Zwischenvollzuges) kalendermäßig angepaßte Haftfrist mitgeteilt werden.

Aus dem Fortbestand des bloß vorübergehend in seiner Wirksamkeit gehemmten Haftbeschlusses (Fortlaufhemmung der Haft = Wirksamkeitsfrist) folgt, daß das Beschwerdeinteresse des Beschuldigten trotz Einleitung des Zwischenvollzuges bestehen bleibt, weshalb die Haftbeschwerde vom Gerichtshof II.Instanz zu Recht meritorisch behandelt wurde. Eine bestätigende Beschwerdeentscheidung ist als Beschluß auf Fortsetzung der Untersuchungshaft ab dem Ende des Zwischenvollzuges unter der bei jedem Haftbeschluß gegebenen Voraussetzung gleichbleibenden Sachverhalts - wirksam und löst mit diesem Zeitpunkt eine neue Haftfrist aus (vgl 14 Os 149/94 über die Haftfrist einer reformatorischen Beschwerdeentscheidung nach Enthaftung). Auch insoweit ist daher dem angefochtenen Beschluß mit dem Beifügen zuzustimmen, daß in derartigen Fällen der Ablauftag der Haftfrist in der Regel berechenbar ist und daher sogleich mitgeteilt werden kann.

Den grundrechtlichen Beschwerdeeinwänden ist folgendes zu erwidern:

1. Die Haftgründe hat das Oberlandesgericht Wien unter Hinweis auf die einschlägigen Vorverurteilungen und die ausgesprägte Neigung des Beschwerdeführers zu exzessivem Alkoholmißbrauch (vgl die Vorstrafe wegen § 287 StGB aus dem Jahre 1992) zu Recht angenommen. Besonders ins Gewicht fällt, daß Erwin P* erst am 8. April 1994 nach Verbüßung von insgesamt 14 Monaten Freiheitsstrafe wegen Körperverletzung, Nötigung und Hausfriedensbruchs (u.a. auch zum Nachteil seiner hier betroffenen Lebensgefährtin) entlassen worden ist.

Die iS des § 180 Abs 2 StPO gefahrenbegründenden bestimmten Tatsachen bedürfen keineswegs eines prozeßförmlichen Nachweises. Dafür genügt vielmehr, daß sie nach der Aktenlage mit der selben höheren Wahrscheinlichkeit indiziert sind, die auch für den dringenden Tatverdacht zu fordern ist. Daher können für die Beurteilung der Haftgründe auch solche Umstände herangezogen werden, die sich aus dem seinerseits erst des Schuldbeweises bedürftigen Tatvorwurf ergeben.

Die Einschätzung von Menschen und ihres künftigen Verhaltens ist eine spezifisch richterliche Tätigkeit. Zur verläßlichen prognostischen Beurteilung der in § 180 Abs 2 Z 3 StPO beschriebenen Gefahren reichen daher die beruflichen Kenntnisse und Erfahrungen des Richters regelmäßig aus. Umstände, die ausnahmsweise schon bei der Haftentscheidung die Beiziehung eines Psychologen erfordert hätten, liegen nicht vor.

2. Gelinderen Mitteln hat die Beschwerdeinstanz mit Rücksicht auf die einschlägige Vorbelastung des Beschuldigten, die Art der ihm zum Vorwurf gemachten Tat und sein Naheverhältnis zum Tatopfer mit Recht jede abhaltende Wirkung abgesprochen.

3. Davon, daß die Dauer der Untersuchungshaft zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (3 Wochen) bereits unverhältnismäßig gewesen sei, kann angesichts des Vorlebens des Beschwerdeführers und des raschen Rückfalls keine Rede sein. Insbesonders lagen die Voraussetzungen für die Gewährung einer bedingten Strafnachsicht nicht mehr vor.

4. Die Haftverhandlung wurde am 10. Oktober 1994 vormittags rechtzeitig durchgeführt. Für die Haftfristen gelten die Regeln des § 6 StPO. Der Tag der Festnahme, mit welcher die Frist zu laufen beginnt (§ 181 Abs 2 Z 1 StPO), ist darnach nicht mitzuzählen (§ 6 Abs 1 StPO). Im übrigen ist die Frist nach Tagen zu berechnen (SSt 29/87) und endete daher am 10. Oktober 1994 erst um 24.00 Uhr (vgl 14 Os 57/94 = NRsp 1994/105 = EvBl 1994/139).

5. Mit dem Beschwerdeeinwand gegen den Haftgrund der Verdunkelungsgefahr mußte sich das Oberlandesgericht nicht auseinandersetzen, weil dieser Haftgrund gar nicht angenommen und seine Erwähnung im Beschluß auf Verhängung der Untersuchungshaft (ON 5) ersichtlich auf einem Diktat oder Schreibfehler beruhte.

Zu den Haftgründen wurde der Beschuldigt seiner Beschwerdebehauptung zuwider vernommen (S 53).

Im übrigen kann eine im unvollständigen Eingehen auf Beschwerdeargumente gelegene mangelhafte Begründung einer Beschwerdeentscheidung nur dann im Grundrechtsbeschwerdeverfahren releviert werden, wenn sich darin eine Grundrechtsverletzung durch das Beschwerdegericht manifestiert. Dies ist aber hier nicht der Fall.

Da somit in keinem Punkte eine Verletzung des Erwin P* im Grundrecht auf persönliche Freiheit festgestellt werden konnte, war seine Beschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.