JudikaturJustiz14Os154/13y

14Os154/13y – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Februar 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Februar 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ent als Schriftführer in der Strafsache gegen Julius M***** und andere Beschuldigte wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, 148 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 608 St 1/08w der Staatsanwaltschaft Wien, über den Antrag der M***** AG auf Erneuerung des Strafverfahrens nach § 363a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

In dem von der Staatsanwaltschaft Wien seit August 2007 zu AZ 608 St 1/08w wegen der Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und der Untreue nach §§ 153 Abs 1, Abs 2 zweiter Fall, 12 StGB sowie der Vergehen nach „§ 48b BörseG, nach § 255 AktG und der Verletzung der Prospektpflicht nach § 15 KMG“ gegen Julius M***** sowie verschiedene Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder der in J***** domizilierten M*****, der M***** Ltd, der Julius M***** AG und anderer Unternehmen, seit 27. Oktober 2010 auch gegen die M***** AG wegen § 3 VbVG (iVm §§ 146, 147 Abs 1 und Abs 3, 153 Abs 1, Abs 2 zweiter Fall, 229, 293 StGB; „§ 255 AktG, § 15 Abs 1 KMG, § 48b Börseg“; ON 1 S 283) geführten Ermittlungsverfahren wurde die von der Staatsanwaltschaft am 19. November 2012 angeordnete Durchsuchung von Geschäftsräumlichkeiten der M***** AG mit Beschluss der Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 27. November 2012, AZ 334 HR 436/08g, bewilligt (ON 3945) und am 29. November 2012 durchgeführt (ON 4019).

Zur Begründung der entsprechenden Verdachtslage bezog sich das Landesgericht für Strafsachen Wien in der gerichtlichen Bewilligung durch identifizierenden Verweis auf die Ausführungen in der staatsanwaltschaftlichen Anordnung (vgl dazu RIS Justiz RS0124017) auf die Ergebnisse der Prüfung der M***** AG durch die Finanzmarktaufsicht/OeNB und die Berichte der LPD Niederösterreich, Soko M*****, darunter jenen vom 13. Juni 2012 (ON 3481; ON 3945 S 9 iVm S 5).

Rechtliche Beurteilung

In ihrer dagegen am 13. Dezember 2012 erhobenen, mit dem gegen die Durchsuchungsanordnung der Staatsanwaltschaft vom 19. November 2012 gerichteten Einspruch wegen Rechtsverletzung verbundenen (§ 106 Abs 2 StPO) Beschwerde (ON 3996) machte die M***** AG soweit hier relevant einen „massiven Begründungsmangel“ geltend, weil der Bericht der Soko M***** vom 13. Juni 2012 (ON 3481) mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 19. Juni 2012 gemäß § 51 Abs 2 StPO von der Akteneinsicht ausgenommen worden war (ON 1 S 531), wodurch „es der Einschreiterin ... verunmöglicht“ werde, „die Rechtmäßigkeit und Schlüssigkeit der Begründung zu überprüfen“, und verwies in diesem Zusammenhang auf einen (angeblich) am 4. Oktober 2012 gegen die Verweigerung der Einsicht in dieses Aktenstück erhobenen Einspruch wegen Rechtsverletzung (ON 3996 S 36 f).

In ihrer (an das Oberlandesgericht Wien gerichteten, der Staatsanwaltschaft Wien und dem Landesgericht für Strafsachen Wien übermittelten; ON 4423 S 5) Äußerung zu einem vom Beschwerdegericht gemäß § 89 Abs 5 StPO veranlassten aufklärenden Bericht des Landesgerichts für Strafsachen Wien (derzeit unjournalisiert im Akt) vom 12. Februar 2013 (ON 4423) beantragte die M***** AG unter der erneuten Behauptung, die Einsicht in den in Rede stehenden Polizeibericht werde „den Beschuldigten“ „trotz eines bereits am 4. Oktober 2012 (ON 3763) erhobenen Einspruchs wegen Rechtsverletzung“ weiterhin verweigert, die Zustellung der ON 3481 zur Äußerung binnen sieben Tagen (ON 4423 S 13).

Tatsächlich hatte mit dem bezeichneten Schriftsatz vom 4. Oktober 2012 nicht die M***** AG, sondern Julius M*****, vertreten durch Dr. Herbert Eichenseder, Einspruch wegen Rechtsverletzung erhoben (ON 3763). Dieser bezog sich zudem nicht auf den hier in Rede stehenden Bericht der Soko M***** vom 13. Juni 2012 (ON 3481). Er richtete sich vielmehr gegen das Unterbleiben einer Entscheidung über seinen am 20. September 2012 gestellten Antrag auf „Herstellung einer Aktenkopie des Berichtes des LKA-O*****, Vorhalt enthalten in der BV MMag. W*****, auf AS 9 (5 von 11) in ON 3684“, der als ON 4315 im Akt erliegt (ON 4269; vgl auch ON 4462 S 10; ON 1 S 619).

Der oben angesprochene Antrag der M***** AG auf Zustellung der ON 3481 (ON 4423) wurde vom Oberlandesgericht Wien am 22. Februar 2013 zur „unverzüglichen Entscheidung über die Einsicht in ON 3481“ an das Landesgericht für Strafsachen Wien übermittelt (ON 4247) und von diesem an die Staatsanwaltschaft Wien weitergeleitet (ON 4247 S 1). Die Anklagebehörde gab dem Oberlandesgericht Wien mit Note vom 25. Februar 2013 bekannt, dass die diesbezügliche Beschränkung der Akteneinsicht aus den bisherigen Gründen aufrecht bleibe und setzte davon auch das Landesgericht für Strafsachen Wien in Kenntnis (ON 4255).

In ihrer an das Oberlandesgericht Wien, das Landesgericht für Strafsachen Wien und die Staatsanwaltschaft Wien gerichteten ergänzenden Stellungnahme vom 4. April 2013 (ON 4388) beantragte die M***** AG in Kenntnis der ablehnenden Äußerung der Staatsanwaltschaft (ON 4388 S 9 zweiter Absatz) ein weiteres Mal die Übermittlung einer Aktenabschrift des Zwischenberichts der Soko M***** vom 13. Juni 2012.

Am 5. April 2013 wurde der Verteidiger der M***** AG, Rechtsanwalt Dr. Rohregger, von der Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien telefonisch darauf hingewiesen, dass von Seiten des Gerichts eine Entscheidung über die Akteneinsicht nur dann erfolgen könne, wenn ein Einspruch wegen Rechtsverletzung erhoben werde. Dr. Rohregger gab in diesem Zusammenhang an, „dass ihm dies bekannt sei und er mit dem neuerlichen Antrag auf Bewilligung der Akteneinsicht in ON 3481 nur zum Ausdruck bringen wollte, dass ihm die Abgabe einer ausführlichen Stellungnahme in Ermangelung der vollständigen Akteneinsicht in alle bezughabenden Aktenteile nicht möglich sei“ (ON 4387).

Mit Beschluss vom 11. April 2013, AZ 22 Bs 4/13v, gab das Oberlandesgericht Wien (nach Verständigung von der telefonischen Äußerung des Rechtsvertreters der M***** AG) deren Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 27. November 2012 (ON 3945) nicht Folge (ON 4422). Begründend führte das Beschwerdegericht soweit für das Verfahren über den Erneuerungsantrag relevant aus, dass sich den in der angefochtenen Entscheidung angeführten Verfahrensergebnissen dem Beschwerdeeinwand offenbar unzureichender Begründung zuwider die gesellschaftsrechtliche und/oder wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Gesellschaften zweifellos entnehmen lasse und zudem die weiteren sichergestellten Unterlagen (ON 2306-2365), die Kapitalmarktprospekte Februar 2006, Oktober 2006 und Jänner 2007 (ON 12, 69, 3272 und 3459) sowie zur Frage der unterlassenen Bildung angemessener Rückstellungen für Haftungsrisken der Bank der Zwischenbericht des LPK Niederösterreich (V 41) die Annahme eines gegründeten Anfangsverdachts rechtfertigen würden (ON 4022 S 17). Zur relevierten Verweigerung der Einsicht in den Zwischenbericht der Soko M***** vom 13. Juni 2012 (ON 3481) wies das Oberlandesgericht darauf hin, dass die M***** AG trotz aufrecht erhaltener Beschränkung der Akteneinsicht durch die Staatsanwaltschaft Wien keinen Einspruch wegen Rechtsverletzung erhoben habe, sodass es dem Beschwerdegericht verwehrt sei, ihr Einsicht in obgenannten Bericht zu gewähren (ON 4422 S 21).

Erst mit Schriftsatz vom 7. Mai 2013 (ON 4462) erhob die M***** AG Einspruch wegen Rechtsverletzung gegen die Verweigerung der Akteneinsicht in ON 3481, dem das Landesgericht für Strafsachen Wien nach Aufhebung der Beschränkung durch die Staatsanwaltschaft Wien am 14. Mai 2013 (ON 1 nicht journalisiert) mit Beschluss vom 18. September 2013 hinsichtlich des Zeitraums von 30. November 2012 bis 13. Mai 2013 Folge gab (ON 4707).

Gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 27. November 2012, AZ 334 HR 436/08g (ON 3945), sowie gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 11. April 2013, AZ 22 Bs 4/13v (ON 4422), richtet sich der nicht auf ein Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gestützte, eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren nach Art 6 MRK sowie Art 47 und 48 GRC reklamierende rechtzeitige Antrag der M***** AG auf Erneuerung des Strafverfahrens (§ 363a StPO).

Zum Beschluss des Oberlandesgerichts Wien führt die Erneuerungswerberin unter Hinweis auf den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18. September 2013, AZ 334 HR 436/08g (ON 4707) aus, sie habe im Beschwerdeverfahren keine Einsicht in den Bericht der Soko M***** vom 13. Juni 2012 (ON 3481) erhalten, auf den sich der angefochtene Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien in seiner Begründung stütze, sodass ihr Grundrecht auf rechtliches Gehör, Waffengleichheit und ein faires Ermittlungsverfahren verletzt sei.

Der genannte Bericht der Soko M***** selbst enthalte entgegen § 3 StPO keine objektive Aufbereitung des Sachverhalts, sodass auch der Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 27. November 2012, AZ 334 HR 436/08g (ON 3945), das Recht auf ein faires Verfahren verletze.

Grundsätzlich ist die Möglichkeit der

Erneuerung eines Strafverfahrens nach §

363a StPO aufgrund eines darauf gerichteten, nicht auf ein Urteil des EGMR gestützten Antrags, nicht auf in rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren ergangene (End-)Entscheidungen beschränkt. Subsidiarität in einem solchen Erneuerungsverfahren bedeutet demnach (bloß) Erschöpfung des Instanzenzugs in Ansehung der nach grundrechtlichen Maßstäben zu prüfenden (Einzel-)Entscheidung (RIS Justiz RS0124739). Dem Erfordernis der Ausschöpfung des Rechtswegs wird entsprochen, wenn von allen effektiven Rechtsbehelfen (also solchen, die eine wirksame Beschwerde im Sinn des Art 13 MRK darstellen, Grabenwarter/Pabel Europäische Menschenrechtskonvention 5 § 24 Rz 168) Gebrauch gemacht wurde (vertikale Erschöpfung) und die geltend gemachte Konventionsverletzung zumindest der Sache nach in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Verfahrensvorschriften im Instanzenzug vorgebracht wurde (horizontale Erschöpfung; EvBl 2010/129, 15 Os 157/12w; RIS Justiz RS0122737 [T2 und T13]).

Da Erneuerungsanträge gegen Entscheidungen, die der Erneuerungswerber mit Beschwerde anfechten kann, unzulässig sind (13 Os 47/11b), war der gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 27. November 2012, AZ 334 HR 436/08g (ON 3945), gerichtete Erneuerungsantrag schon deshalb zurückzuweisen.

In Betreff des Beschlusses des Oberlandesgerichts Wien vom 11. April 2013, AZ 22 Bs 4/13v (ON 4422) mangelt es ihm an der Ausschöpfung des Rechtswegs:

Vorauszuschicken ist, dass jede am (hier: Beschwerde-)Verfahren beteiligte (hier: juristische) Person soweit hier wesentlich das Recht auf angemessenes rechtliches Gehör hat (§ 6 Abs 2 StPO).

§ 51 Abs 1 StPO räumt dem Beschuldigten (oder wie hier dem belangten Verband, der im Verfahren die Rechte des Beschuldigten hat; §§ 3, 13, 14 VbVG) ebenso wie etwa §§ 68, 147, 503 Abs 2, 513 StPO anderen Verfahrensbeteiligten und § 77 StPO Personen, die ein begründetes Interesse an Verfahrensergebnissen haben - das Recht ein, in der Kriminalpolizei, der Staatsanwaltschaft und dem Gericht vorliegende Ergebnisse des Ermittlungs-(und des Haupt-)verfahrens Einsicht zu nehmen. Dieses Recht kann mit Art 6 Abs 3 MRK vereinbar (ErläutRV 25 BlgNR 22. GP 72) in den in § 51 Abs 2 StPO normierten Ausnahmefällen beschränkt werden.

Für die Gewährung von Akteneinsicht ist im Ermittlungsverfahren soferne sich der Beschuldigte nicht in Untersuchungshaft befindet oder amtswegige Zustellung von Aktenstücken vorgesehen ist (vgl etwa §§ 52 Abs 3, 89 Abs 5 zweiter Satz StPO [dazu RIS Justiz RS0123977] sowie zum grundrechtlich abgesicherten Überraschungsverbot im Allgemeinen: instruktiv 12 Os 38/05p, EvBl 2005/162 und zum rechtlichen Gehör im Haftbeschwerdeverfahren: RIS Justiz RS0120050) nicht das Gericht, sondern (neben der Kriminalpolizei) ausschließich die Staatsanwaltschaft zuständig (§ 53 Abs 1 StPO).

Gegen eine (vermeintliche) Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht im Bereich der Anklagebehörde kann gerichtlicher Rechtsschutz erlangt werden, indem dagegen ein Einspruch wegen Rechtsverletzung nach § 106 StPO und bei ablehnendem Gerichtsbeschluss Beschwerde gegen diesen erhoben wird (bei Säumnis der Anklagebehörde mit der diesbezüglichen Entscheidung oder der tatsächlichen Gewährung bewilligter Akteneinsicht steht ebenfalls ein auf Verletzung des Beschleunigungsgebots gestützter Antrag nach § 106 Abs 1 Z 1 StPO, in Haftsachen Haftbeschwerde zur Verfügung; vgl RIS Justiz RS0122737 [T28]; RS0124006).

Vorliegend hat die Antragstellerin zwar wenn auch erst im Beschwerdeverfahren, so doch vor der hier angefochtenen Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien über die Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 27. November 2012, AZ 334 HR 436/08g (ON 3945) wiederholt den Antrag auf Einsicht in den Bericht der Soko M***** (ON 3481) gestellt. Ein Einspruch wegen Rechtsverletzung gegen die Verweigerung durch die Staatsanwaltschaft wurde jedoch ausdrücklich nicht erhoben, obwohl der Beschwerdeführerin diese Möglichkeit vom Beschwerdegericht (durch Rückmittlung der Akten an das Erstgericht) noch vor der Entscheidung über die Beschwerde eingeräumt und der Verteidiger der M***** AG durch die Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien konkret auf die Notwendigkeit der Einspruchserhebung hingewiesen worden war (vgl deren Aktenvermerk vom 5. April 2013; ON 4387).

Bei der Verweigerung der Akteneinsicht durch die Staatsanwaltschaft handelt es sich nämlich der in der Äußerung zur Stellungnahme der Generalprokuratur vertretenen Ansicht zuwider gerade nicht um eine Rechtsverletzung bei Anordnung oder Durchführung der mit Beschwerde bekämpften Ermittlungsmaßnahme im Sinn des § 106 Abs 2 StPO.

Der von der Antragstellerin hervorgehobene Einspruch wegen Rechtsverletzung durch den Beschuldigten Julius M***** (ON 3763) vermag die damit unterlassene Ausschöpfung des Instanzenzugs nicht zu ersetzen, weil sich dieser nach dem Vorgesagten einerseits gar nicht auf die ON 3481 bezog und andererseits bei der Entscheidung des Gerichts über einen Einspruch ein beneficium cohaesionis nicht vorgesehen ist ( Fabrizy , StPO 11 § 107 Rz 2; E. Fuchs [nun: Marek ], Rechtschutz im Ermittlungsverfahren, ÖJZ 2007, 900). Gleiches gilt für den erst am 7. Mai 2013 erhobenen Einspruch wegen Rechtsverletzung gegen die Verweigerung der Einsicht in die ON 3481 (ON 4462) durch die M***** AG, weil die behauptete Konventionsverletzung solcherart nicht (in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Verfahrensvorschriften) vor der Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien, sondern erst rund ein Monat nach der gegenständlich bekämpften Beschwerdeentscheidung vom 11. April 2013 (ON 4422), geltend gemacht wurde.

Der Antrag der M***** AG auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO war daher bereits bei der nichtöffentlichen Sitzung nach § 363b Abs 2 Z 2 StPO zurückzuweisen.

Bleibt anzumerken, dass das Oberlandesgericht durch seine Vorgangsweise, dem Antragsteller vor der Beschwerdeentscheidung die Gelegenheit eines Einspruchs gegen die Verweigerung der Akteneinsicht zu geben, um so im Sinn zweckentsprechender Verteidigung (Art 6 Abs 3 lit b MRK) umfassende Kenntnis von den Gründen für die mit Beschwerde bekämpfte Ermittlungsmaßnahme zu erhalten, dem vom Erneuerungsantrag inhaltlich reklamierten Grundsatz des fairen (Beschwerde )Verfahrens (Art 6 Abs 1 MRK) nach Möglichkeit Rechnung getragen hat.

Rechtssätze
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  • RS0122737OGH Rechtssatz

    18. März 2024·3 Entscheidungen

    Bei einem nicht auf ein Urteil des EGMR gestützten Erneuerungsantrag handelt es sich um einen subsidiären Rechtsbehelf. Demgemäß gelten alle gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 Abs 1 und 2 MRK sinngemäß auch für derartige Anträge. So kann der Oberste Gerichtshof unter anderem erst nach Rechtswegausschöpfung angerufen werden. Hieraus folgt für die Fälle, in denen die verfassungskonforme Auslegung von Tatbeständen des materiellen Strafrechts in Rede steht, dass diese Problematik vor einem Erneuerungsantrag mit Rechts- oder Subsumtionsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 oder Z 10, § 468 Abs 1 Z 4, § 489 Abs 1 zweiter Satz StPO) geltend gemacht worden sein muss. Steht die Verfassungskonformität einer Norm als solche in Frage, hat der Angeklagte unter dem Aspekt der Rechtswegausschöpfung anlässlich der Urteilsanfechtung auf die Verfassungswidrigkeit des angewendeten Strafgesetzes hinzuweisen, um so das Rechtsmittelgericht zu einem Vorgehen nach Art 89 Abs 2 B-VG zu veranlassen. Wird der Rechtsweg im Sinn der dargelegten Kriterien ausgeschöpft, hat dies zur Folge, dass in Strafsachen, in denen der Oberste Gerichtshof in zweiter Instanz entschieden hat, dessen unmittelbarer (nicht auf eine Entscheidung des EGMR gegründeter) Anrufung mittels Erneuerungsantrags die Zulässigkeitsbeschränkung des Art 35 Abs 2 lit b erster Fall MRK entgegensteht, weil der Antrag solcherart „im wesentlichen" mit einer schon vorher vom Obersten Gerichtshof geprüften „Beschwerde" übereinstimmt.