JudikaturJustiz14Os141/02

14Os141/02 – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Februar 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Februar 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Zucker als Schriftführer, in der Strafsache gegen Elisabeth S***** und Michael L***** wegen des Verbrechens des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft und über die Berufung der Angeklagten S***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Jugendschöffengericht vom 10. September 2002, GZ 41 Hv 186/02p-51, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Raunig, sowie des Verteidigers Dr. Wampl, jedoch in Abwesenheit der Erstangeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben. Es werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Freispruch der Angeklagten Elisabeth S***** (vom Vorwurf des versuchten Raubes - Punkt B der Anklageschrift) und in dem sie treffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie der gemäß § 494a Abs 1 Z 2, Abs 6 StPO verkündete Beschluss aufgehoben. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Angeklagte S***** wird mit ihrer Berufung und der (darin ex lege enthaltenen) Beschwerde auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch rechtskräftige Schuldsprüche des Angeklagten Michael L***** wegen der Verbrechen des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB (A) und des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 StGB (B) sowie wegen des Vergehens des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 (richtig:) zweiter Fall StGB (C) enthält, wurde Elisabeth S***** gleichfalls rechtskräftig des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs 1 und 4 dritter Fall StGB schuldig erkannt.

Hingegen wurde die Angeklagte S***** vom weiteren Anklagevorwurf, das Verbrechen des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB als Beteiligte nach § 12 dritter Fall StGB (an der dem Michael L***** unter Punkt A des Schuldspruchs angelasteten Raubtat) begangen zu haben, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Nach Punkt A des Schuldspruchs haben Michael L***** und (der inzwischen verstorbene) Karlheinz Z***** am 17. April 2002 in Salzburg im bewussten und gewollten Zusammenwirken dadurch, dass sie - mit zwei T-Shirts der Elisabeth S***** über den Kopf maskiert - in die Wohnung des schwer behinderten Manfred W***** stürmten, diesem "das von S***** zur Verfügung gestellte" Leintuch über den Kopf warfen, ihn auf das Bett stießen und dort festhielten, ihm einen Polster auf das Gesicht drückten und ihn schließlich nach Bargeld durchsuchten, versucht, mit Gewalt gegen seine Person eine fremde bewegliche Sache mit dem Vorsatz wegzunehmen, durch deren Zueignung sich oder einen anderen unrechtmäßig zu bereichern. Nach dem Inhalt der Anklageschrift (ON 34 Punkt B) lag der Elisabeth S***** zur Last, zu der unter Punkt A beschriebenen Tat des Michael L***** und des Karlheinz Z***** dadurch beigetragen zu haben, dass sie ihren behinderten Wohnungsnachbarn Manfred W***** als geeignetes Raubopfer bezeichnete, zur Maskierung der beiden Täter zwei T-Shirts und zur Überwältigung des Opfers ein Leintuch zur Verfügung stellte, sich mit den beiden unmittelbaren Tätern in die Wohnung des Raubopfers begab und dessen Wohnungstür von innen verriegelte, um Störungen von außen von den unmittelbaren Tätern abzuhalten.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Freispruch bekämpft die Staatsanwaltschaft mit einer auf Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung zukommt.

Das Erstgericht hielt die Beteiligung der Angeklagten Elisabeth S***** an dem in Rede stehenden Raubversuch für nicht erwiesen. Es erachtete nämlich die Einlassungen des Mitangeklagten L*****, der sie zwar im Vorverfahren belastet hatte, aber in der Hauptverhandlung von diesen Angaben wieder abgewichen war, als zur Überführung der von Anfang an jegliche Unterstützung der unmittelbaren Täter - auch schon im Vorstadium des Tatgeschehens - in Abrede stellenden Angeklagten S***** nicht geeignet. Dies auch deshalb, weil sie nach den Angaben des Tatopfers Manfred W***** die beiden unmittelbaren Täter aufgefordert hätte, mit der Misshandlung "aufzuhören". Demgemäß nahm das Erstgericht bloß als erwiesen an, die unmittelbaren Täter hätten die beim Überfall verwendeten T-Shirts und das Leintuch der Angeklagten ohne deren Wissen und Wollen an sich genommen. S***** sei ihnen zwar zum Tatort gefolgt, sie hätte aber den Wohnraum des Manfred W*****, in dem der Raubversuch stattfand, nicht betreten, sondern sei im Vorraum geblieben, wo sie zunächst die Eingangstür zur betreffenden Wohnung verriegelt und (erst) wieder aufgeschlossen hätte, als L***** und Z***** die Flucht ergriffen.

Die Behauptung der Angeklagten S***** vor dem Untersuchungsrichter, mit dem Verriegeln der Eingangstür die Verhinderung der Flucht der Räuber bezweckt zu haben (S 145d f), glaubte das Erstgericht zwar ebenso wenig wie ihrer Erklärung in der Hauptverhandlung, es habe sich dabei um einen "Reflex" gehandelt (S 401). Jedoch vermeinte es, die Möglichkeit nicht ausschließen zu können, dass S***** infolge eines "wahrscheinlichen" Suchtgiftkonsums zur Tatzeit in ihrer Steuerungsfähigkeit eingeschränkt war und deshalb auch "zweifelhafte Erklärungsversuche" für ihr Verhalten unternehme (US 10 und 11). Demzufolge erachtete es eine Tatbeteiligung der Angeklagten S***** für nicht erwiesen und gelangte zum bekämpften Freispruch. Zu Recht bemängelt die Staatsanwaltschaft die erstgerichtliche Begründung des festgestellten Verhaltens der Angeklagten S***** während der Tatausführung (Z 5). Für die Beurteilung der Beweislage kann nämlich wesentlich sein, ob sich S***** zu dieser Zeit auch im Wohnzimmer des Tatopfers aufhielt und welches Motiv sie für die Ver- und Entriegelung der Wohnungseingangstür hatte.

Zu ihrer Anwesenheit hat die Angeklagte - anders als später in der Hauptverhandlung - vor dem Untersuchungsrichter unmissverständlich deponiert, sich gemeinsam mit den beiden unmittelbaren Tätern in das Wohnzimmer des Manfred W***** begeben und dabei das wesentliche Tatgeschehen mitverfolgt zu haben (S 145b ff). Aber gerade diese Angaben lassen die Erkenntnisrichter bei ihrer - ausschließlich der Verantwortung der Angeklagten in der Hauptverhandlung folgenden - Urteilsannahme außer Acht, wonach sich S***** während der Tatverübung bloß im Vorraum aufgehalten habe (US 7 iVm 399), weshalb der Freispruch schon insoweit unvollständig begründet ist. Die Urteilserwägung hinwieder, die Verriegelung der Eingangstür während des Angriffs und die Entriegelung im Zeitpunkt der Flucht der Täter seien möglicherweise auf eine durch "wahrscheinlich" vorangegangenen Suchtgiftkonsum bedingte Steuerungsbeeinträchtigung der Angeklagten S***** zurückzuführen, ist eine bloße Spekulation, deren Bedeutungsinhalt zudem darüber nichts aussagt, dass die Angeklagte keine objektive und subjektive Tatunterstützung geleistet hat. Davon abgesehen räumte sie schon vor dem Untersuchungsrichter ein, das Verriegeln der Tür habe bei den unmittelbaren Tätern den Eindruck erwecken müssen, ihr Vorhaben "ungestört" ausführen zu können (S 145 f). Eine durch den Konsum von Alkohol oder Rauschgift bedingte Beeinträchtigung ihrer Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit hat S***** nie behauptet, sondern sich auch in der Hauptverhandlung lediglich auf das Vorbringen beschränkt, zur fraglichen Zeit bloß "eingeraucht" gewesen zu sein (S 401). Davon abgesehen bietet auch die Aktenlage keinen Anhaltspunkt für eine durch den Genuss von Alkohol oder Suchtgift bewirkte Beeinträchtigung der Angeklagten zur Tatzeit. Schließlich attestiert ihr ein polizeiamtsärztliches Gutachten (rund 3 ½ Stunden nach der Tat) nur eine "mittlere Beeinflussung" durch Suchtgifte oder Medikamente und damit ihre Deliktsfähigkeit zur Tatzeit (S 135).

Der Beschwerdeführerin ist demnach beizupflichten, dass das Erstgericht nicht alle für die verlässliche Beurteilung des Tatverhaltens der Angeklagten maßgeblichen Verfahrensergebnisse ausreichend gewürdigt, sondern vorwiegend nur deren Standpunkt Rechnung getragen hat. Solcherart hat es einerseits entscheidende Verfahrensergebnisse vernachlässigt, welche die Lösung der Schuldfrage beeinflussen könnten. Andererseits hat es eine aktenmäßig nicht gedeckte, gleichsam willkürliche Annahme zum Tatgeschehen getroffen, ohne dabei einer Indizwirkung mit zureichender und denkrichtiger Begründung Rechnung zu tragen.

Wegen dieser von der Staatsanwaltschaft zutreffend gerügten Begründungsmängel (Z 5) ist die teilweise Aufhebung des angefochtenen Urteils in dem im Spruch ersichtlichen Umfang und die angeordnete Verfahrenserneuerung in erster Instanz unvermeidlich. Die Angeklagte S***** war mit ihrer Berufung gegen den Strafausspruch sowie mit ihrer Beschwerde (§ 498 Abs 3 Satz drei StPO) auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.