JudikaturJustiz14Os104/94

14Os104/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. August 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.August 1994 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer, Mag. Strieder, Dr. Rouschal und Dr. Adamovic als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krumholz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Helmut K* wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 3 erster, zweiter und dritter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 12. April 1994, GZ 20 w Vr 11.926/93 61, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Zehetner, und des Verteidigers Dr. Muzik, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und es werden der Wahrspruch der Geschworenen zur Hauptfrage I sowie das darauf beruhende Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Verbrechens der Vergewaltigung der Angelika H* laut Punkt 1 des Urteilssatzes, demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Geschworenengericht beim Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde der am 16.Mai 1957 geborene Helmut K* des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 3 erster, zweiter und dritter Fall StGB schuldig erkannt. Darnach hat er in Wien nachgenannte Frauen mit schwerer, gegen sie gerichteter Gewalt und durch gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger schwerer Gewalt für Leib oder Leben zur Vornahme bzw Duldung des Beischlafes bzw einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, und zwar:

1. am 16. Juni 1993 die Angela H* durch Einflößen von Medikamenten, Würgen, Versetzen von Schlägen, Niederdrücken eines Polsters im Gesichtsbereich und die Frage "Leben oder Sterben?" zur Vornahme eines Oral und Geschlechtsverkehrs, wobei sie durch die Tat längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt und in besonderer Weise erniedrigt wurde;

2. nachts zum 5. September 1993 die Edeltraud P* zur Einnahme von Medikamenten mit der Folge der Bewußtlosigkeit, durch Würgen, Versetzen von Schlägen, Zufügen von Brandverletzungen oberhalb der Brustwarzen und einer 10 bis 15 cm langen Schnittwunde in der Scheide mit Eröffnung der Bauchhöhle (hervorgerufen durch mehrfaches Einführen der Faust in die Scheide), wobei die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) zur Folge hatte und die vergewaltigte Person durch die Tat längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt wurde.

Diese Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 6, 9 und 12 des § 345 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde, die zum Teil begründet ist.

Mit Recht macht nämlich der Beschwerdeführer geltend, daß durch die Abweisung seines Alibibeweisanbotes betreffend das Faktum Angelika H* (Punkt 1 des Urteilssatzes) Grundsätze des Verfahrens hintangesetzt worden sind, deren Beobachtung durch grundrechtliche Vorschriften, insbesondere durch Art 6 EMRK und durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden, fairen Verfahrens geboten ist (Z 5). Der Begründung des abweislichen Zwischenerkenntnisses (S 61/III) zuwider hat der Beschwerdeführer im Beweisantrag (S 501/II, 59/III) genügend Anhaltspunkte zur Ausforschung des Alibizeugen Jurek N. angegeben und im Rahmen seiner Verantwortung auch dargetan (S 15/III), aus welchen Gründen dieser Zeuge (dessen vollen Namen und Anschrift er mittlerweile in Erfahrung gebracht hat S 107/III) bestätigten könnte, daß sich der Angeklagte zur Tatzeit im Faktum Angelika H* (16. Juni 1993) in Siedlce (Polen) aufgehalten habe.

Schon aus diesem Grund erweist sich eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz in diesem Punkte als unumgänglich, ohne daß auf die dagegen erhobenen weiteren Beschwerdeeinwände einzugehen gewesen wäre.

Im übrigen (betreffend das Faktum 2) ist die Nichtigkeitsbeschwerde jedoch nicht gerechtfertigt.

Die die Qualifikation des § 201 Abs 3 zweiter Fall StGB (Versetzen der Edeltraud P* in einen qualvollen Zustand) bekämpfende Subsumtionsrüge (Z 12) verfehlt ihre prozeßordnungsgemäße Darstellung, weil sie sich mit der Behauptung, das Tatopfer habe die ihm zugefügten Qualen nicht bewußt miterlebt, nicht an dem dem Wahrspruch zugrundeliegenden Tatsachensubstrat orientiert, dem der Beschwerdeauffassung zuwider nicht zu entnehmen ist, daß die quälenden Mißhandlungen der Edeltraud P* ausschließlich im Zustand ihrer Bewußtlosigkeit erfolgt sind.

Indem aber der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang unter Hinweis auf die Angaben der Genannten über den Zeitpunkt des Eintritts ihrer Bewußtlosigkeit auch eine widersprüchliche Beantwortung der Hauptfrage II rügt (Z 9), leitet er den bezeichneten Mangel nicht aus dem Wahrspruch selbst ab, weshalb dieser Nichtigkeitsgrund gleichfalls nicht prozeßordnungsgemäß dargetan wird. Ein nichtigkeitsbegründender innerer Widerspruch der Antwort der Geschworenen auf die an sie gestellten Fragen liegt nur vor, wenn im Wahrspruch Tatsachen festgestellt worden sind, die nach den Denkgesetzen einander ausschließen und daher nebeneinander nicht bestehen können, nicht hingegen dann, wenn der Wahrspruch der Geschworenen mit den tatsächlichen (oder vom Beschwerdeführer angenommenen) Ergebnissen des Beweisverfahrens nicht übereinstimmt.

Insoweit war daher die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Die teilweise Aufhebung des Schuldspruchs bedingte auch die Kassierung des Strafausspruchs, sodaß die Berufung des Angeklagten gegenstandslos ist.

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten ist in § 390 a StPO begründet.