JudikaturJustiz14Os10/01

14Os10/01 – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Januar 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. Jänner 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gottweis als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Anthony O***** wegen des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 erster Fall StGB, AZ 40b Vr 2.232/00 des Landesgerichtes Korneuburg, über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 5. Jänner 2001, AZ 21 Bs 2/01-(= ON24), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Anthony O***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Oberlandesgericht der Haftbeschwerde des Beschuldigten Anthony O***** nicht Folge gegeben und die Fortsetzung der (nach seiner Festnahme am 2. Dezember 2000) am 5. Dezember 2000 verhängten Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO angeordnet.

Dabei ging das Beschwerdegericht davon aus, Anthony O***** sei dringend verdächtig, das Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 erster Fall StGB dadurch begangen zu haben, dass er am 4. Dezember 2000 im Bereich des Flughafens Wien-Schwechat Polizeibeamte durch Fußtritte, Faustschläge und Bisse, sohin mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich seiner Verbringung in ein bereitstehendes Flugzeug zum Zweck seiner Abschiebung nach Nigeria hinderte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom einschlägig vorbestraften Beschuldigten erhobene Grundrechtsbeschwerde, mit der weder der dringende Tatverdacht, noch der Haftgrund bekämpft, sondern ausschließlich die Verhältnismäßigkeit der Dauer der Untersuchungshaft (§ 193 Abs 2 StPO) unter Hinweis auf eine in einem vor der nunmerigen Tat mit Freispruch beendeten Verfahren erlittene Untersuchungshaft in der Dauer von ca 13 Monaten angezweifelt wird, geht fehl.

Zwar betrifft die Bestimmung des § 38 Abs 1 Z 2 StGB nach ihrem Sinn und Zweck nicht nur jene Vorhaften, die der Täter nach der den Gegenstand des Schuldspruches bildenden Tat in einem anderen Verfahren erlitten hat, sondern darüber hinaus auch jene Vorhaften, die dem Verurteilten in einem anderen, noch nach der nunmehr bestraften Tat anhängigen Verfahren widerfuhren, mögen sie auch schon vor der jetzt bestraften Tat gelegen sein (SSt 48/90). Unabdingbare Voraussetzung der Vorhaftanrechnung ist aber jedenfalls, dass die Verfahren (zumindest in Ansehung eines Teiles der hievon erfassten Straftaten) zu irgend einem Zeitpunkt gemäß § 56 StPO hätten vereinigt werden können (13 Os 56/98, 14 Os 63/98).

Im Übrigen ist - der Beschwerde zuwider - die Voraussetzung für die Anrechnung der in dem mit Freispruch beendeten Verfahren erlittenen Untersuchungshaft auf die früheren Strafen gleichfalls bloß unter der oben dargestellten Bedingung möglich. Die Transferierung der im § 400 Abs 2 StPO enthaltenen Verfahrensbestimmungen auf den materiellrechtlichen Bereich der Vorhaftanrechnung ist - unter dem Gesichtspunkt der nicht vergleichbaren Regelungsinhalte - verfehlt (abermals 13 Os 56/98).

Die in der Grundrechtsbeschwerde unter Berufung auf das dem Gleichheitsgrundsatz (Art 7 B-VG) inhärente Sachlichkeitsgebot gehegten Zweifel an der Verfassungskonformität des § 38 StGB teilt der Oberste Gerichtshof nicht, läuft der darin vertretene Standpunkt doch auf die unakzeptable Zubilligung eines "Strafguthabens" für spätere Straftaten hinaus.

Dem Oberlandesgericht ist daher bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Dauer der Haft kein Fehler unterlaufen, weil ausschließlich die im Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung ca einen Monat andauernde Untersuchungshaft zu berücksichtigen war.

Anthony O***** wurde somit im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb seine Beschwerde ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.