JudikaturJustiz14Ns25/17p

14Ns25/17p – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Mai 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Mai 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Melounek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Fabiano P***** wegen Vergehen der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB in dem zu AZ 3 U 21/17x des Bezirksgerichts Lienz und zu AZ 5 U 52/17h des Bezirksgerichts Wiener Neustadt geführten Kompetenzkonflikt nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Das Hauptverfahren ist vom Bezirksgericht Wiener Neustadt zu führen.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit am 24. Februar 2015 beim Bezirksgericht Lienz eingebrachtem Strafantrag (ON 13) legte die Staatsanwaltschaft Innsbruck Fabiano P***** zur Last, er habe seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gegenüber Leonardo M***** in den Zeiträumen 1. bis 31. März 2015, 1. bis 30. Juni 2015 und 1. August 2015 bis 3. November 2016 gröblich verletzt, und erachtete durch dieses Verhalten „das“ (richtig: mehrere) Vergehen der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB verwirklicht.

Das Bezirksgericht Lienz überwies die Sache wegen örtlicher Unzuständigkeit dem Bezirksgericht Wiener Neustadt (§ 38 erster Satz StPO). Dieses nahm gleichfalls seine örtliche Unzuständigkeit an und verfügte die Vorlage der Akten an den Obersten Gerichtshof.

Für das Hauptverfahren ist nach § 36 Abs 3 erster Satz StPO primär das Gericht zuständig, in dessen Sprengel die Straftat ausgeführt wurde oder ausgeführt werden sollte. Beim Vergehen der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB ist dies – im hier interessierenden Fall des Geldunterhalts – jener Ort, an dem der Unterhaltspflichtige die Unterhaltszahlungen leisten soll, in der Regel also dessen Wohnsitz (RIS Justiz RS0091802; Nordmeyer , WK StPO § 25 Rz 1 f; Oshidari , WK StPO § 36 Rz 6).

Nach § 37 Abs 2 zweiter Satz StPO kommt das Verfahren im Fall mehrerer Straftaten jenem Gericht zu, in dessen Zuständigkeit die frühere Straftat fällt. Nach der Anklage setzte Fabiano P***** das inkriminierte Verhalten während mehrerer, zeitlich nicht unmittelbar aufeinander folgender Zeiträume, weshalb ihm die Begehung mehrerer Straftaten zur Last liegt (zur tatbestandlichen Handlungseinheit bei unmittelbar aufeinander folgenden Zeiträumen vgl hingegen RIS Justiz RS0128941). Da der Angeklagte nach der Aktenlage (ON 14) in den ersten beiden Tatzeiträumen im Sprengel des Bezirksgerichts Wiener Neustadt polizeilich gemeldet war, ist insoweit – mangels gegenteiliger Hinweise (vgl Nordmeyer , WK StPO § 25 Rz 4) – von einem dort gelegenen (früheren) Tatort auszugehen.

Entgegen der Ansicht des Bezirksgerichts Wiener Neustadt ändert daran auch nichts, dass Geldschulden nach § 907a ABGB Bringschulden sind. Dies war schon vor Inkrafttreten dieser Bestimmung (am 16. März 2013) für Unterhaltsschulden anerkannt (vgl RIS Justiz RS0108476), sagt jedoch über den für die strafprozessuale Zuständigkeit maßgeblichen Ort der (unterlassenen) Handlung des Verpflichteten nichts aus (eingehend 13 Os 27/12p). Dass Ort der Erfüllung und der vom Schuldner abverlangten Handlung beim – in Bezug auf Geldschulden praktisch wichtigsten – Fall der Überweisung in der Regel nicht ident sind, ergibt sich im Übrigen auch aus § 907a Abs 2 ABGB (vgl dazu Reischauer in Rummel/Lukas ABGB 4 § 907a Rz 64).