JudikaturJustiz13Os92/03

13Os92/03 – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Juli 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Juli 2003 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Dokalik als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dembu N***** M***** wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB, AZ 11 Hv 104/03k des Landesgerichtes für Strafsachen Graz, über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Beschwerdegericht vom 12. Juni 2003, AZ 10 Bs 131/03 (ON 17), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Dembu N***** M***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt.

Gemäß § 8 GRBG wird dem Bund der Ersatz der Beschwerdekosten von 581 Euro zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer auferlegt.

Text

Gründe:

Der Untersuchungsrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Graz verhängte mit Beschluss vom 31. Mai 2003 über den am 15. Juli 1986 geborenen Dembu N***** M***** aus den Gründen des § 180 Abs 2 Z 1 und 2 StPO die Untersuchungshaft.

Der Beschwerde des Beschuldigten gab das Oberlandesgericht Graz mit dem angefochtenen, auf den erstgenannten Haftgrund bezogenen Beschluss nicht Folge.

Danach richtet sich gegen ihn der dringende Verdacht, er habe in zwei Fällen "einen falschen spanischen Reisepass, daher eine falsche ausländische öffentliche Urkunde" im Rechtsverkehr zum Beweis der Tatsache seiner (behaupteten) Identität sowie des Rechtes auf Einreise und Aufenthalt in Österreich gebraucht.

Rechtliche Beurteilung

In der Grundrechtsbeschwerde wird zu Recht gerügt, dass in der Entscheidung des Oberlandesgerichtes auf jugendstrafrechtliche Sonderbestimmungen, die mit der Frage nach Verhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft verbunden sind, nicht Bedacht genommen wurde. Die Untersuchungshaft darf nicht verhängt oder aufrechterhalten werden, soweit sie zur Bedeutung der Sache oder zu der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis steht oder ihr Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann (§ 180 Abs 1 zweiter Satz StPO). Überdies darf über Jugendliche die Untersuchungshaft nur dann verhängt werden, wenn die mit ihr verbundenen Nachteile für die Persönlichkeitsentwicklung und für das Fortkommen des Jugendlichen nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Tat und zu der zu erwartenden Strafe stehen (§ 35 Abs 1 zweiter Satz JGG). Ist auf Grund des im Zeitpunkt der Entscheidung über die Verhängung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft gegebenen Verdachtes im Hinblick auf jugendstrafrechtliche Sonderbestimmungen nicht mit der Verhängung einer Strafe zu rechnen (vgl § 6 Abs 1 und 3 JGG, § 7 JGG [§ 90b StPO], §§ 12, 13 JGG), so ist der auf Verhängung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft gerichtete Antrag des Staatsanwaltes wegen Unverhältnismäßigkeit des Zwangsmittels abzuweisen.

Indem das Oberlandesgericht bei Prüfung der Verhältnismäßigkeit von einer "dem Beschuldigten im Falle anklagekonformer Verurteilung drohenden Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr" ausging, nahm es zwar auf die gesetzliche Strafdrohung (§ 224 StGB, § 5 Z 4 JGG), aber nicht darauf Bedacht, ob im gegebenen Fall im Hinblick auf die genannten Bestimmungen des JGG überhaupt eine Strafe „zu erwarten" war (§ 180 Abs 1 zweiter Satz StPO und § 35 Abs 1 zweiter Satz JGG). Letzteres wäre auf Grund der festgestellten Umstände vor allem mit Blick auf die §§ 12 und 13 JGG zu verneinen gewesen. Der Grundrechtsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - Folge zu geben.