JudikaturJustiz13Os89/07y

13Os89/07y – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. August 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. August 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Maschler als Schriftführerin in der Strafsache gegen unbekannte Täter wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB („an Ursula M*****; in eventu der Unterschlagung nach § 134 Abs 1 StGB), AZ 10 U 542/06s des Bezirksgerichtes Hernals, über die vom Generalprokurator gegen die Beschlüsse dieses Gerichts vom 27. Dezember 2006 (ON 3) sowie des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Beschwerdegericht vom 23. Februar 2007 (ON 7) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Mag. Höpler, zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafsache AZ 10 U 542/06s des Bezirksgerichtes Hernals verletzen die Beschlüsse

(1) dieses Gerichts vom 27. Dezember 2006 (ON 3) im Punkt 2, mit dem der E***** AG aufgetragen worden ist, den Namen und die Anschrift einer Kundin bekannt zu geben, sowie

(2) des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Beschwerdegericht vom 23. Februar 2007, AZ 133 Bl 17/07x (ON 7), soweit der Beschwerde der E***** AG (auch) gegen den Punkt 2 des unter (1) angeführten Beschlusses nicht Folge gegeben worden ist,

das Gesetz in der Bestimmung des § 145a Abs 1 Z 1 StPO. Der Beschluss des Bezirksgerichtes Hernals vom 27. Dezember 2006 (ON 3) wird im Punkt 2 ersatzlos aufgehoben.

Text

Gründe:

Beim Bezirksgericht Hernals ist seit 29. Dezember 2006 zum AZ 10 U 542/06s ein Strafverfahren gegen unbekannte Täter wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB (in eventu der Unterschlagung nach § 134 Abs 1 StGB) zum Schaden der Ursula M***** anhängig (S 2). Dem liegt die Anzeige der Ursula M***** vom 31. Oktober 2006 zu Grunde, wonach dieser in einer Filiale der E***** AG (in der Folge: E*****) ein Mobiltelefon weggenommen worden sei (S 7). Nach Auskunft eines Bankangestellten sei dieser Vorgang von einer Überwachungskamera festgehalten worden und handle es sich bei der insoweit verdächtigen Person um eine ihm bekannte Bankkundin (S 11 f).

Mit Beschluss vom 27. Dezember 2006 (ON 3) beauftragte das Bezirksgericht Hernals die E*****, der ermittelnden Polizeidienststelle

Rechtliche Beurteilung

Nach § 38 Abs 1 BWG dürfen (ua) Kreditinstitute sowie für diese tätige Personen Geheimnisse, die ihnen ausschließlich auf Grund der Geschäftsverbindung mit Kunden oder auf Grund des § 75 Abs 3 BWG anvertraut oder zugänglich gemacht worden sind, nicht offenbaren oder verwerten (Bankgeheimnis).

Die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses besteht gemäß § 38 Abs 2 Z 1 BWG (ua) nicht im Zusammenhang mit eingeleiteten gerichtlichen Strafverfahren gegenüber den Strafgerichten. Die verfahrensrechtliche Durchführung der Durchbrechung des Bankgeheimnisses regelt § 145a StPO. Nach Abs 1 Z 1 dieser Bestimmung sind Kredit- oder Finanzinstitute und für sie tätige Personen, soweit sie das Bankgeheimnis gemäß § 38 Abs 2 Z 1 BWG nicht zu wahren haben und dies zur Aufklärung eines Verbrechens oder eines Vergehens, das in die Zuständigkeit des Gerichtshofes erster Instanz fällt, erforderlich erscheint, verpflichtet, die Stammdaten, also den Namen, sonstige ihnen bekannte Daten über die Identität des Inhabers einer Geschäftsverbindung sowie dessen Anschrift bekannt zu geben. Vor der Neufassung des § 145a StPO durch Art II Z 6 StRÄG 2002 BGBl I 134 regelte jene Bestimmung nur die Voraussetzungen der Konto-Öffnung. Demgemäß fiel nach dieser Gesetzeslage die Bekanntgabe von Stammdaten zwar in den Regelungsbereich des § 38 Abs 2 Z 1 BWG, nicht jedoch in den des § 145a StPO (14 Os 4/02, EvBl 2002/105, 391). Die Auskunfterteilung über solche Daten konnte daher nach § 143 Abs 2 StPO (iVm § 38 Abs 2 Z 1 BWG) erwirkt werden.

Diese Konsequenz sollte durch die Novellierung des § 145a StPO mittels Schaffung eines eindeutigen Eingriffstatbestandes vermieden werden. Dabei legte der Gesetzgeber in Weiterführung der die Bestimmung des § 452 Z 4 StPO rechtfertigenden Verhältnismäßigkeitsüberlegungen fest, dass die Auskunft der Aufklärung einer Straftat dienen muss, für deren Verfolgung der Gerichtshof erster Instanz zuständig ist (RV StRÄG 2002, 1166 BlgNR 21. GP 49). Die durch die Gerichtshofzuständigkeit gezogene Beschränkung der Auskunftspflicht ist daher nunmehr auch in Bezug auf die Bekanntgabe von Stammdaten zu beachten (Flora, WK-StPO § 145a Rz 20, 24), welchem Erfordernis der Punkt 2 des Beschlusses des Bezirksgerichtes Hernals vom 27. Dezember 2006 (ON 3) sowie der diesen bestätigende Teil der Entscheidung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Beschwerdegericht vom 23. Februar 2007 (ON 7) nicht entsprechen.

Da diese Gesetzesverletzung geeignet ist, der auszuforschenden Verdächtigen zum Nachteil zu gereichen, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, deren Feststellung gemäß § 292 letzter Satz StPO mit konkreter Wirkung zu verknüpfen.

Durch die Aufhebung des Punktes 2 des Beschlusses des Bezirksgerichtes Hernals ist auch allen darauf basierenden Verfahrensschritten, insbesonders dem diesen Beschlusspunkt betreffenden Teil der Entscheidung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Beschwerdegericht der Boden entzogen (vgl 14 Os 82/05y, 15 Os 109/05a, 11 Os 78/06i; RIS-Justiz RS0100444). Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass - wie vom Generalprokurator mit Recht dargelegt - die Herausgabe der Videoaufnahme (Punkt 1 des Beschlusses vom 27. Dezember 2006) nicht unter das Bankgeheimnis fällt, weil § 38 Abs 1 BWG nur solche Informationen erfasst, die den zur Geheimhaltung Verpflichteten auf Grund der Geschäftsverbindung mit Kunden oder auf Grund einer Großkreditmeldung (§ 75 Abs 3 BWG) anvertraut oder zugänglich gemacht worden sind.

Rechtssätze
1
  • RS0116106OGH Rechtssatz

    13. Dezember 2007·3 Entscheidungen

    1) Die mit der Preisgabe der Identität des Karteninhabers untrennbar verbundene Identität des Bankkunden fällt unter den Schutz des Bankgeheimnisses, das ua im Zusammenhang mit - auch gegenüber unbekannten Tätern - eingeleiteten Strafverfahren gegenüber den Strafgerichten nicht besteht (§ 38 Abs 2 Z 1 BWG). 2) Während § 38 Abs 2 Z 1 BWG nur auf einen Zusammenhang mit dem Verfahren zur Aburteilung (§ 1 StPO) einer Straftat abstellt, verlangt § 145a StPO in Hinsicht auf Informationen, die Art und Umfang der Geschäftsverbindung und damit im Zusammenhang stehende Geschäftsvorgänge und sonstige Geschäftsvorfälle betreffen, dass die Geschäftsverbindung einer Person mit dem Kreditinstitut mit der Begehung einer strafbaren Handlung und nicht bloß mit der Aufklärung einer Straftat im Zusammenhang steht und schließt solcherart jene Lücke, die ein Teil der Rechtsprechung bis zu diesem Zeitpunkt durch teleologische Reduktion des § 38 Abs 2 Z 1 BWG bejaht hatte, in dem Sinn, dass für die davon erfassten, den Kern des Geheimnisbereiches ausmachenden Informationen besondere Pflichten, einerseits der Kreditinstitute, andererseits der Gerichte festgeschrieben werden. 3) Wird die Bank nicht zur Preisgabe der Art der Geschäftsverbindung, sondern bloß zur Bekanntgabe der Tatsache veranlasst, dass eine solcherart identifizierte Person überhaupt eine Geschäftsverbindung mit ihr unterhält, liegt zwar ein Fall des § 38 Abs 2 Z 1 BWG, nicht aber ein solcher des § 145a Abs 1 StPO vor, sodass es nur eines Zusammenhanges zwischen einem strafgerichtlichen Verfahren zur Aburteilung einer Straftat, nicht aber zusätzlich der Annahme bedarf, dass auch die aufzuklärende Tat selbst im Zusammenhang mit der Geschäftsverbindung stand.