JudikaturJustiz13Os88/12h

13Os88/12h – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Oktober 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Oktober 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Haberreiter als Schriftführerin in der Strafsache gegen DI Gerhard E***** wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 16. April 2012, GZ 29 Hv 35/12s 28, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung wegen der Aussprüche über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Freispruch enthält, wurde DI Gerhard E***** der Verbrechen des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB (I) und der betrügerischen Krida nach §§ 15, 156 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt.

Danach hat er in Innsbruck und an anderen Orten

(I) vom April 2009 bis zum August 2010 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz andere durch Täuschung über seine Rückzahlungsfähigkeit und Rückzahlungswilligkeit zur Gewährung von Darlehen verleitet und dadurch die Getäuschten mit einem insgesamt 50.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt, nämlich

1) Dr. Gudrun M***** um 34.500 Euro und

2) Evelyne B***** um 35.000 Euro, weiters

(II) im November 2010 Bestandteile seines Vermögens zu verheimlichen und beiseite zu schaffen sowie nicht bestehende Verbindlichkeiten vorzuschützen oder sonst sein Vermögen wirklich oder zum Schein zu verringern und dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen zu vereiteln oder zu schmälern versucht, indem er

1) Dr. Gudrun M***** bat, eine Autographensammlung in ihrer Wohnung zu verwahren und vorzugeben, dass ein in seinem Besitz befindliches Gemälde an sie verpfändet worden sei, sowie

2) Evelyne B***** ersuchte zu behaupten, dass in seinem Besitz befindliche Wert oder Kunstgegenstände im April 2009 an sie verpfändet worden seien.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4, 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Vorweg sei festgehalten, dass der Angeklagte am 19. April 2012 und solcherart innerhalb der dreitägigen Frist des § 284 Abs 1 erster Satz StPO „Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe, sohin die volle Berufung“ anmeldete (ON 29, vgl auch ON 31 S 1). Da die Erklärung, (auch) „Berufung wegen Nichtigkeit“ zu erheben, nach der Judikatur dem Erfordernis deutlicher und bestimmter Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde genügt ( Ratz , WK StPO § 284 Rz 7), ist die Beschwerde ungeachtet der Fehlbezeichnung als rechtzeitig erhoben zu betrachten.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wies das Erstgericht die im Übrigen nicht durch die gebotene Angabe der Fundstelle in den Akten (RIS Justiz RS0124172) bezeichneten Anträge auf Vernehmung von Dr. Reiner Er*****, Alexander K*****, Sabine R*****, Ingeborg Br***** sowie Johanna und Walter E***** (ON 27 S 25 f) ohne Verletzung von Verteidigungsrechten ab (ON 27 S 26 f):

Im Hinblick darauf, dass die Tathandlungen zum Verbrechen des schweren Betrugs (I) nicht nur in der Vorspiegelung der Rückzahlungsfähigkeit des Beschwerdeführers, sondern auch in der Vortäuschung seiner Rückzahlungswilligkeit bestanden (US 11, vgl auch US 2), bezogen sich die Beweisanträge, die allesamt auf den Nachweis der Rückzahlungsfähigkeit gerichtet waren, nicht auf schuld oder subsumtionsrelevante Umstände.

Vollständigkeitshalber sei festgehalten, dass die Anträge nicht erkennen ließen, warum die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse, und solcherart auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung zielten ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 330). Der Beschwerde zuwider waren diesbezügliche Darlegungen unter dem Aspekt prozessordnungskonformer Antragstellung schon allein im Hinblick auf die in der Hauptverhandlung vorgekommenen (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse (ON 27 S 25), wonach gegen den Beschwerdeführer seit dem Jahr 1994 laufend Exekutionsverfahren anhängig waren, während des Tatzeitraums mehrfach Anträge auf Eröffnung von Insolvenzverfahren eingebracht wurden, im Oktober 2010 ein solches Verfahren tatsächlich eröffnet wurde und der Masseverwalter im November 2010 die Betriebe des Beschwerdeführers schloss (ON 7, ON 25, ON 26, ON 27 S 24 f; vgl auch US 4, 6, 8 f), unerlässlich.

In Bezug auf den Tatbestand der betrügerischen Krida (II) ist die Frage nach der Zahlungsfähigkeit von vornherein irrelevant (RIS Justiz RS0094831; Kirchbacher in WK² § 156 Rz 1).

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider sind die Feststellungen zum Bereicherungsvorsatz (I), wonach sich der Beschwerdeführer durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig bereichern wollte (US 11), keineswegs undeutlich (Z 5 erster Fall).

Mit dem Ansatz, die Tatrichter hätten konstatiert, dass der Beschwerdeführer intendiert habe, Dr. Gudrun M***** und Evelyne B***** durch die zu (II) beschriebenen Tathandlungen zu „begünstigen“, entfernt sich die Beschwerde vom Urteilsinhalt. Das Erstgericht stellt in diesem Zusammenhang vielmehr ausdrücklich fest, dass es dem Beschwerdeführer insoweit „ausschließlich darum“ ging, die Kunstwerke dem Insolvenzverfahren zu entziehen, und er danach trachtete, durch seine Vorgangsweise den Zugriff seiner Gläubiger auf Teile seines Vermögens zu hindern (US 11).

Der Vollständigkeit wegen sei ergänzt, dass selbst die Annahme, der Beschwerdeführer hätte Dr. Gudrun M***** und Evelyne B***** im November 2010 Vermögen zugewendet, der Feststellung, er habe diese Personen in der Zeit vom April 2009 bis zum August 2010 betrügerisch am Vermögen geschädigt, nicht widerspräche (Z 5 dritter Fall).

Die Ableitung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite aus dem objektiven Tatgeschehen (US 18) ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden (RIS Justiz RS0098671, RS0116882; Ratz , WK StPO § 281 Rz 452).

Die Behauptung der Rechtsrüge (Z 9 lit a), das Erstgericht treffe keine Feststellungen zu den finanziellen Verhältnissen des Beschwerdeführers, geht nicht vom Urteilssachverhalt aus (US 4, 6, 8 f) und verfehlt solcherart den gerade darin gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 581).

Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO sei hinsichtlich der allfälligen Relevanz der Zahlungsunfähigkeit bei den Tatbeständen des Betrugs und der betrügerischen Krida auf die diesbezüglichen Ausführungen zur Verfahrensrüge verwiesen.

Auch der Einwand fehlender Konstatierungen zur Kausalität der Tathandlungen übergeht den Urteilsinhalt (US 11).

Das Erstgericht begründet die Feststellungen zur objektiven und zur subjektiven Tatseite eingehend (US 12 bis 19). Eine darüber hinausgehende Erläuterung, aus welchen Gründen von einem auf September 2008 bezogenen Betrugsvorwurf ein Freispruch erfolgte (US 3 f, 5 f), wogegen die den Zeitraum vom April 2009 bis zum August 2010 betreffenden Betrugsvorwürfe mit einem Schuldspruch erledigt wurden (I), ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (der Sache nach Z 5 vierter Fall) nicht erforderlich.

Mit dem Einwand unzureichender Konstatierungen zur subjektiven Tatseite (nominell verfehlt auch Z 10) argumentiert die Beschwerde einmal mehr nicht auf der Basis des Urteilssachverhalts (US 11).

Entsprechendes gilt für die Behauptung der Subsumtionsrüge (Z 10), die Feststellungen zur inneren Tatseite würden den Schuldspruch nach der Qualifikationsnorm des § 147 (richtig) Abs 3 StGB nicht tragen (US 11).

Zur Klarstellung sei in diesem Zusammenhang festgehalten, dass bei wie hier aufgrund des Zusammenrechnungsgrundsatzes des § 29 StGB schadensqualifiziertem Betrug das Überschreiten der jeweils aktuellen Wertgrenze keineswegs schon im Zeitpunkt der ersten Tat vom Vorsatz umfasst sein muss ( Ratz in WK² § 29 Rz 6, 10).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO ebenso wie die im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene Schuldberufung schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Aus Gründen der Vollständigkeit sei festgehalten, dass die Annahme mehrerer Verbrechen der betrügerischen Krida (II) im Hinblick darauf, dass (auch) diese strafbare Handlung eine schadensqualifizierte ist, rechtlich fehlgeht ( Ratz in WK² § 29 Rz 5, Kirchbacher in WK² § 156 Rz 31). Im Hinblick darauf, dass das Erstgericht bei der Strafzumessung aber zutreffend vom Zusammentreffen (bloß) zweier Verbrechen (I und II) ausgegangen ist (US 20), zieht der angesprochene Subsumtionsfehler jedoch keine dem Angeklagten nachteiligen Folgen nach sich.

Die Entscheidung über die Berufung wegen des Strafausspruchs und des Zuspruchs an die Privatbeteiligten (ON 29 S 4) kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.