JudikaturJustiz13Os86/15v

13Os86/15v – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. September 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. September 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Rechtspraktikanten Mag. Wüstner als Schriftführer in der Strafsache gegen Dr. Rajinder S***** wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG, AZ 38 Hv 54/14x des Landesgerichts Salzburg, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 19. November 2014, AZ 10 Bs 281/14s (ON 13 der Hv Akten), erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Höpler, zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafsache AZ 38 Hv 54/14x des Landesgerichts Salzburg verletzt der Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 19. November 2014, AZ 10 Bs 281/14s (ON 13 der Hv Akten), § 53 Abs 1 FinStrG.

Text

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft Salzburg legte Dr. Rajinder S***** mit Anklageschrift vom 17. Oktober 2014 (ON 12) zur Last, in den Jahren 2008 bis 2012 im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts Salzburg Land gewerbsmäßig vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige , Offenlegungs oder Wahrheitspflichten Verkürzungen an Einkommensteuer um insgesamt rund 117.000 Euro bewirkt zu haben, indem er für die Veranlagungsjahre 2006 bis 2010 unrichtige Steuererklärungen abgegeben habe, wobei die auf der Grundlage dieser Erklärungen erlassenen Abgabenbescheide mittlerweile in Rechtskraft erwachsen seien.

Der Angeklagte erhob gegen die Anklageschrift nach ordnungsgemäßer Zustellung (ON 1 S 7) keinen Einspruch (§§ 212 f StPO).

Mit Verfügung vom 12. November 2014 (ON 1 S 8) teilte die Vorsitzende des Schöffengerichts dem Oberlandesgericht im Sinn des § 213 Abs 6 zweiter Satz StPO mit, dass sie Bedenken gegen die gerichtliche Zuständigkeit zur Ahndung der gegenständlichen Finanzvergehen (§ 53 Abs 1 FinStrG) habe.

Mit Beschluss vom 19. November 2014 (ON 13) stellte das Oberlandesgericht Linz das Verfahren aus dem Grund des § 212 Z 1 StPO ein. Zur Begründung führte es aus, dass der Angeklagte nach der Aktenlage aufgrund mehrerer Wohnsitzwechsel in den Jahren 2006 und 2007 beim Finanzamt Innsbruck, in den Jahren 2008 und 2009 beim Finanzamt Kitzbühel Lienz, im Jahr 2010 (gemeint) beim Finanzamt Salzburg Land steuerlich veranlagt war. Demnach sei die in § 53 Abs 1 erster Satz FinStrG normierte Voraussetzung der örtlichen (und sachlichen) Zuständigkeit derselben Finanzstrafbehörde nicht gegeben, womit die Zusammenrechnung der strafbestimmenden Wertbeträge aller in Rede stehenden Finanzvergehen unzulässig und solcherart die für die Gerichtskompetenz maßgebende Wertgrenze (100.000 Euro) nicht überschritten sei.

Wie die Generalprokuratur in ihrer gemäß § 23 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, verletzt dieser Beschluss das Gesetz:

Rechtliche Beurteilung

Mit der „örtlichen und sachlichen Zuständigkeit derselben Finanzstrafbehörde“ spricht § 53 FinStrG die gesetzliche Kompetenz (§ 58 Abs 1 FinStrG) an. Dies folgt einerseits aus der Verwendung des Konjunktivs „fielen“ und andererseits aus dem Begriffsverständnis des FinStrG, das zwischen (konkreter) „Zuständigkeit zur Ahndung“ und wie in § 53 Abs 1 FinStrG (abstrakter) „Zuständigkeit“ unterscheidet ( Lässig in WK 2 FinStrG § 53 Rz 1 und 8).

Nach der Anklageschrift liegen dem Angeklagten als Einzelunternehmer (gewerbsmäßig) vorsätzlich bewirkte Verkürzungen an Einkommensteuer zur Last, wobei die Zuständigkeitsvoraussetzungen des § 58 Abs 1 lit g FinStrG nicht gegeben sind (ON 12).

Hievon ausgehend kommt die Kompetenz zur Durchführung des Finanzstrafverfahrens als Finanzstrafbehörde gemäß § 58 Abs 1 lit f FinStrG grundsätzlich dem zur Erhebung der beeinträchtigten Abgaben zuständigen Finanzamt zu.

Die hinsichtlich aller vom Anklagevorwurf umfassten Abgaben gegebene sachliche Zuständigkeit der Finanzämter mit allgemeinem Aufgabenkreis (§ 13 AVOG 2010) steht hier nicht in Frage.

Örtlich ist für die (hier interessierende) Erhebung der Einkommensteuer bei unbeschränkter Steuerpflicht gemäß § 20 Abs 2 Z 1 AVOG 2010 das Wohnsitzfinanzamt zuständig. Das ist nach § 20 Abs 1 AVOG 2010 prinzipiell jenes Finanzamt, in dessen Bereich der Abgabepflichtige einen Wohnsitz (§ 26 Abs 1 BAO), in Ermangelung eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 26 Abs 2 BAO) hat.

Wechselt der Abgabepflichtige seinen Wohnsitz, ist für die abgabenbehördliche Kompetenz § 6 erster Satz AVOG 2010 maßgebend. Danach endet die Zuständigkeit einer Abgabenbehörde für die Erhebung von Abgaben (soweit hier von Interesse) mit dem Zeitpunkt, in dem eine andere Abgabenbehörde von den ihre Zuständigkeit begründenden Voraussetzungen Kenntnis erlangt. Da § 49 Abs 2 BAO unter „Erhebung“ alle der Durchführung der Abgabenvorschriften dienenden abgabenbehördlichen Maßnahmen versteht, bedeutet dies, dass von einem Übergang der gesetzlichen Zuständigkeit im Sinn des § 6 erster Satz AVOG 2010 auch solche Abgaben umfasst sind, für die der Abgabenanspruch noch während der Zuständigkeit einer anderen Abgabenbehörde entstanden ist, und zwar mit Blick auf beispielsweise das vom weiten Erhebungsbegriff des § 49 Abs 2 BAO ebenfalls umfasste Instrument der Wiederaufnahme des Abgabenverfahrens (§§ 303 ff BAO) selbst dann, wenn sie bereits rechtskräftig bescheidmäßig festgesetzt worden sind ( Fischerlehner , Abgabenverfahren [2013] § 6 AVOG 2010 Anm 1; instruktiv Reger , Die Zuständigkeit derselben Finanzstrafbehörde als Voraussetzung für die Zusammenrechnung der strafbestimmenden Wertbeträge [§ 53 Abs 1 FinStrG], ZWF 2015, 90 [91]; vgl auch Ritz , BAO 5 § 6 AVOG 2010 Rz 3).

Da die abgabenbehördliche Zuständigkeit (wie dargelegt) gemäß § 58 Abs 1 FinStrG die finanzstrafbehördliche nach sich zieht, fielen die angelasteten Finanzvergehen nach den Sachverhaltsannahmen des Oberlandesgerichts Linz somit sehr wohl in die örtliche (und sachliche) Zuständigkeit derselben Finanzstrafbehörde, nämlich in jene des Finanzamts Salzburg Land.

Eine Kompetenzteilung zwischen mehreren Abgabenbehörden wäre hier nur dann gegeben, wenn vor dem Übergang der abgabenbehördlichen Zuständigkeit (§ 6 erster Satz AVOG 2010) vom Finanzamt Innsbruck oder vom Finanzamt Kitzbühel Lienz hinsichtlich gegenständlicher Abgaben ein Finanzstrafverfahren eingeleitet worden wäre. § 58 Abs 1 lit f letzter Satzteil FinStrG normiert nämlich, dass eine Änderung der Zuständigkeit des Finanzamts zur Erhebung der Abgaben keine Änderung der Zuständigkeit zur Weiterführung eines anhängigen Finanzstrafverfahrens bewirkt. Ein entsprechendes Sachverhaltssubstrat ist dem Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 19. November 2014 (ON 13) aber nicht zu entnehmen (und im Übrigen nach der Aktenlage auch nicht indiziert).

Da die dargestellte Verletzung des § 53 Abs 1 FinStrG zur Einstellung des Finanzstrafverfahrens führte und solcherart zum Vorteil des Angeklagten wirkt, war ihre Feststellung nicht mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).