JudikaturJustiz13Os76/22h

13Os76/22h – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. November 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. November 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärter Mag. Buttinger in der Strafsache gegen * S* wegen des Vergehens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB, AZ 37 Hv 98/20a des Landesgerichts Innsbruck, über den Antrag des Genannten auf Erneuerung des Strafverfahrens nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

[1] Mit Strafantrag vom 7. Oktober 2020 (ON 56) legte die Staatsanwaltschaft Innsbruck * S* ein als Vergehen des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB beurteiltes Verhalten im Zusammenhang mit Sportwetten zum Nachteil zweier Wettanbieter zur Last.

[2] Dieses Strafverfahren wurde nach Zahlung eines Geldbetrags (§ 200 StPO) durch den Angeklagten mit rechtskräftigem Beschluss des Einzelrichters des Landesgerichts Innsbruck vom 3. Dezember 2020 (ON 67) gemäß § 200 Abs 5 StPO iVm § 199 StPO eingestellt.

[3] Am 3. Mai 2022 beantragte die I* Ltd (in der Folge I*), sie „als Privatbeteiligte, in eventu als Opfer, zu[zu]lassen“ und ihr im Sinn des § 68 Abs 1 und 2 StPO Akteneinsicht zu gewähren (ON 70 und ON 71).

[4] Mit Beschluss vom 18. Mai 2022 wies der Einzelrichter des Landesgerichts Innsbruck diese Privatbeteiligtenerklärung und den Antrag, „sich als Opfer diesem Verfahren anzuschließen“ gemäß § 67 Abs 4 Z 2 und 3 StPO zurück (ON 72 Punkt 1.), bewilligte jedoch die Akteneinsicht aufgrund rechtlichen Interesses der I* (§ 77 Abs 1 StPO, ON 72 Punkt 2.).

[5] In der dagegen gerichteten Beschwerde des S* vom 25. Mai 2022 (ON 74) bekämpfte dieser das Vorliegen eines rechtlichen Interesses nach § 77 Abs 1 StPO und brachte vor, es sei im Fall dessen Bejahung „im Detail zu prüfen, ob die Akteneinsicht gänzlich oder teilweise notwendig ist oder ob sie einen unverhältnismäßigen Eingriff in geschützte Interessen darstellt“. Die Gewährung von Akteneinsicht würde „seine verfassungsgesetzlich gewährten Rechten nach § 1 Abs 2 DSG und Art 8 EMRK verletzten“.

[6] Dieser Beschwerde gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit Beschluss vom 6. Juli 2022, AZ 11 Bs 145/22v, (ON 78) nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

[7] In Bezug auf die letztgenannte Entscheidung erhob S* mit beim Obersten Gerichtshof am 19. Juli 2022 eingelangtem Schriftsatz einen Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens, in dem eine Verletzung der Rechte „nach Art 8 Abs 1 EMRK“ sowie „auf Geheimhaltung seiner schützenswerten Daten iSd § 1 DSG“ geltend gemacht werden.

[8] Voranzustellen ist, dass Anträge auf Erneuerung des Strafverfahrens auch im erweiterten Anwendungsbereich des § 363a StPO – dessen Wortlaut folgend – nur wegen einer Verletzung der MRK oder eines ihrer Zusatzprotokolle gestellt werden können (RIS Justiz RS0132365). Auf die Behauptung der Verletzung des § 1 DSG ist daher nicht einzugehen.

[9] Bei einem – wie hier – nicht auf ein Urteil des EGMR gestützten Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens (RIS Justiz RS0122228), bei dem es sich um einen subsidiären Rechtsbehelf handelt, gelten alle gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 sowie 35 Abs 1 und 2 MRK sinngemäß (RIS Justiz RS0122737 und RS0128394).

[10] Da die Opfereigenschaft nach Art 34 MRK nur anzunehmen ist, wenn der Beschwerdeführer substanziiert und schlüssig vorträgt, in einem bestimmten Konventionsrecht verletzt zu sein ( Grabenwarter/Pabel , EMRK 7 § 13 Rz 16), hat auch ein Erneuerungsantrag deutlich und bestimmt darzulegen, worin eine vom Obersten Gerichtshof sodann selbst zu beurteilende Grundrechtsverletzung im Sinn des § 363a Abs 1 StPO zu erblicken sei (RIS Justiz RS0122737 [T17], Rebisant , WK StPO §§ 363a–363c Rz 83 f und 115).

[11] Dabei hat er sich mit der als grundrechtswidrig bezeichneten Entscheidung in allen relevanten Punkten auseinanderzusetzen (RIS Justiz RS0124359) und – soweit er auf der Grundlage der Gesamtheit der Entscheidungsgründe nicht Begründungsmängel aufzuzeigen oder erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit getroffener Feststellungen zu wecken vermag – seine Argumentation auf der Basis der Tatsachenannahmen der bekämpften Entscheidung zu entwickeln (RIS Justiz RS0125393 [T1]).

[12] Diesen Kriterien wird der vorliegende Erneuerungsantrag nicht gerecht.

[13] Indem der Antrag eine Verletzung des Art 8 Abs 1 MRK behauptet, dabei aber (teils bloß das Beschwerdevorbringen wiederholend) auf einfachgesetzlicher Ebene argumentiert, verkennt er, dass die Behandlung von Erneuerungsanträgen gerade nicht eine Auseinandersetzung nach Art einer zusätzlichen Beschwerde- oder Berufungsinstanz bedeutet, sondern sich vielmehr auf die Prüfung der reklamierten Verletzung eines Rechts nach der MRK oder einem ihrer Zusatzprotokolle beschränkt (RIS Justiz RS0129606 [insbesondere T3]). Warum er durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts aber in seinem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art 8 Abs 1 MRK verletzt worden sein soll, legt der Erneuerungswerber nicht deutlich und bestimmt dar.

[14] Soweit eine Verletzung des Art 8 MRK unter dem Aspekt der Unverhältnismäßigkeit releviert wird, weil die Gewährung von Akteneinsicht einer Beschränkung „auf jene Teile“ bedurft hätte, „welche zur Wahrnehmung der rechtlichen Interessen der Antragstellerin notwendig ist“, fehlt es auch diesem Vorbringen an einer deutlichen und bestimmten Darlegung, durch die Einsicht in welche Aktenteile eine Verletzung dieses Grundrechts aus welchem Grund bewirkt worden sein soll (vgl 12 Os 8/22a [Rz 14]).

[15] Der Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – schon bei der nichtöffentlichen Beratung als unzulässig zurückzuweisen (§ 363b Abs 1 und 2 StPO).