JudikaturJustiz13Os68/06h

13Os68/06h – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. August 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. August 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll, Mag. Hetlinger und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schreuer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Arsim S***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 5. April 2006, GZ 34 Hv 27/06h-33, sowie dessen (implizierte) Beschwerde gegen den gemäß § 494a Abs 6 StPO unter einem gefassten Beschluss, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Arsim S***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (zu I.), des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (zu II.1.), des Vergehens der versuchten Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1 StGB (zu II.2.), des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (zu III.), der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB (zu IV.) und des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls als Beteiligter nach §§ 12 zweiter Fall, 127, 1390 erster Fall StGB (zu V.) schuldig erkannt.

Danach hat er in Traun und anderen Orten Doris Sch*****

I. Anfang Dezember 2005 mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sich auf sie setzte, ihr mit einem Küchenmesser ihr Träger-Top der Oberbekleidung am Rücken aufschnitt, sodann das Messer griffbereit am Nachtkästchen ablegte und ihr trotz heftiger Gegenwehr die Unterhose auszog;

II. durch nachgenannte Handlungen vorsätzlich am Körper verletzt bzw zu verletzen versucht, und zwar

1. am 11. November 2005 durch einen Schlag mit der Hand ins Gesicht, wodurch sie Nasenbluten bekam;

2. etwa eine Woche nach der unter II.1. angeführten Tathandlung, indem er sie an den Haaren zu Boden riss und ihr mit der Hand ins Gesicht schlug, wobei es beim Versuch geblieben ist;

III. Mitte November 2005 durch die Äußerung, „wenn ich wegen einer Schlampe wie dir ins Häf´n muss wirst du nicht weiterleben, auch dein Gesicht wirst du nicht wieder erkennen„, mithin durch gefährliche Drohung mit dem Tod und einer auffallenden Verunstaltung, zu einer Handlung, nämlich der Angabe einer falschen Verletzungsursache anlässlich der Behandlung eines von ihm verursachten (nicht anklagegegenständlichen) Nasenbeinbruchs im AKH Linz genötigt;

IV. durch nachgenannte Äußerungen bzw Handlungen gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar

1. Mitte Dezember 2005 dadurch, dass er ein etwa 15 bis 20 cm langes Messer aus etwa drei Meter Entfernung wuchtig in ihrer Brusthöhe gegen sie warf, wobei sie gerade noch ausweichen konnte, sodass das Messer 20 cm neben ihr gegen ein Möbel prallte;

2. im Zeitraum von Sommer 2005 bis Dezember 2005 in wiederholten Angriffen durch die Äußerungen, er werde sie umbringen und sie werde nicht mehr lange leben, falls er wegen ihr ins Gefängnis müsse;

V. in der letzten Dezemberwoche 2005 durch die an sie gerichtete wiederholte Aufforderung dazu bestimmt, fortgesetzt fremde bewegliche Sachen, nämlich sieben Herrenpullover verschiedener Designermarken im Gesamtwert von mindestens 700 Euro, Verfügungsberechtigten der Fa P***** mit dem Vorsatz wegzunehmen, ihn durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er auch gewerbsmäßig handelte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 3 und 5 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel. Gestützt auf Z 3 des § 281 Abs 1 StPO rügt der Rechtsmittelwerber nominell eine Verletzung der Bestimmung des § 152 Abs 5 StPO mit der Begründung, die Zeugin Doris Sch*****, auf deren - vom Erstgericht als glaubwürdig eingestufte - Aussage sich das Urteil hauptsächlich stütze, sei trotz im Zweifel anzunehmender aufrechter Lebensgemeinschaft mit dem Angeklagten anlässlich ihrer kontradiktorischen Einvernahme im Vorverfahren nicht über ihr Entschlagungsrecht nach § 152 Abs 1 Z 2 StPO belehrt worden und habe auf dieses Recht demnach auch nicht ausdrücklich verzichtet. Er übersieht dabei, dass Z 3 des § 281 Abs 1 StPO seinem Wortlaut nach nur auf Vorgänge in der Hauptverhandlung abstellt, die Zeugin aber in derselben nicht ausgesagt hat.

Gegen die Vorführung der Ton- und Bildaufnahmen der Vernehmung durch die Untersuchungsrichterin hinwieder hat sich der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung nicht verwahrt, der Verlesung des Vernehmungsprotokolls sogar ausdrücklich zugestimmt (S 269). Der Verfahrensrüge kommt daher auch unter dem Aspekt der Z 2 keine Berechtigung zu.

Eine erfolgreiche Urteilsanfechtung aus Z 3 unter dem Gesichtspunkt fehlender Verlesungsermächtigung scheitert am ausdrücklichen Einverständnis des Nichtigkeitswerbers mit dem Ersatz der unmittelbaren Abhörung der Zeugin durch deren vor der Hauptverhandlung abgelegte Aussage (§ 252 Abs 1 Z 4 StPO; S 269). Darüber hinaus hat das Tatopfer anlässlich der kontradiktorischen Einvernahme erklärt, in der Hauptverhandlung von seinem Recht auf Zeugnisverweigerung Gebrauch zu machen (ON 17, S 188), sodass die Vorsitzende formal einwandfrei vom Vorliegen der Verlesungsvoraussetzungen nach § 252 Abs 1 Z 2a StPO ausgehen durfte (vgl zum Ganzen Ratz, WK-StPO § 281 Rz 55 ff).

Nur der Vollständigkeit halber ist auszuführen, dass der Beschwerde zuwider aufgrund der der Untersuchungsrichterin vorliegenden Beweismittel (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 54) auch im Vorverfahren keine Veranlassung bestand, am Nichtvorliegen eines Entschlagungssachverhaltes nach § 152 Abs 1 Z 2 StPO zu zweifeln. Denn sowohl die Zeugin Sch***** (S 142, 144) als auch der Angeklagte (S 93; in der Hauptverhandlung wiederholt S 245) haben die Beendigung der Lebensgemeinschaft vor Beginn der kontradiktorischen Befragung bestätigt. Auf das Recht, sich des Zeugnisses in Bezug auf den dem Schuldspruch V zugrundeliegenden Sachverhalt zu entschlagen (§ 152 Abs 1 Z 1 StPO), hat die Zeugin - nach Belehrung - aber ausdrücklich verzichtet (S 168).

Die Mängelrüge (Z 5) reklamiert zwar nominell Undeutlichkeit, Unvollständigkeit „oder" Widersprüchlichkeit des Urteils in Bezug auf „entscheidende Tatsachen" (Z 5 erster, zweiter und dritter Fall). Sie legt aber nicht deutlich und bestimmt dar, worin ein Begründungsmangel iSd Z 5 erster und zweiter Fall zu erblicken sei, sodass der Einwand insoweit einer inhaltlichen Erledigung nicht zugänglich ist. Dem zu Schuldspruch II.1. behaupteten Widerspruch auf der Begründungsebene (Z 5 dritter Fall) misst die Beschwerde selbst bloß in Zusammenhang mit dem (vom Erstgericht ohnehin zu Gunsten des Angeklagten angenommenen) Milderungsgrund teilweisen Geständnisses, nicht aber in Bezug auf schuldspruchs- oder subsumtionsrelevante Tatsachen Bedeutung bei.

Die Tatrichter gingen - dem Rechtsmittelvorbringen zuwider - aktenkonform von einer ursprünglich gänzlich leugnenden Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung (S 245) aus, werteten dagegen aber seine Schilderung eines Vorfalls vom „Dezember 2005" (S 73, 261 f) im Rahmen der Beweiswürdigung als Geständnis zum Anklagefaktum II. 1., obwohl der Angeklagte die Ansicht vertrat, dieser sei bereits Gegenstand des Verfahrens 26 Hv 69/05z des Landesgerichtes Linz (das diesbezüglich mit Freispruch endete) gewesen (S 73, US 9, 12 f). Von einem mit sich selbst im Widerspruch stehenden Ausspruch des Gerichtshofes über entscheidende Tatsachen oder auch einem (erheblichen) Widerspruch iSd Z 5 letzter Fall, den die Beschwerde der Sache nach im Sinne einer teilweise inhaltlich unrichtig wiedergegebenen Aussage des Angeklagten behauptet, kann daher keine Rede sein.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung und die gemäß § 498 Abs 3 StPO implizierte Beschwerde folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO).