JudikaturJustiz13Os65/06t

13Os65/06t – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. August 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. August 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll, Mag. Hetlinger und Mag. Lendl als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schreuer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Mag. Franz H***** wegen des Vergehens der Zuhälterei nach § 216 Abs 2 vierter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 7. Dezember 2005, GZ 34 Hv 60/04k-119, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, welches im Übrigen unberührt bleibt, in dem zu I. ergangenen Schuldspruch wegen des Vergehens der Zuhälterei nach § 216 Abs 2 vierter Fall StGB (idF vor dem StRÄG 2004) sowie im Strafausspruch einschließlich der Vorhaftanrechnung aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung an den Einzelrichter des Landesgerichtes Linz verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Soweit mit Nichtigkeitsbeschwerde angefochten, wurde Mag. Franz H***** (richtig, weil § 216 Abs 2 vierter Fall eine Subsumtionseinheit, ähnlich derjenigen des § 84 Abs 3 StGB, für gleichzeitiges Ausnützen mehrerer Prostituierter enthält [vgl Ratz in WK2 Vorbem §§ 28-31 Rz 15, Burgstaller/Fabrizy aaO § 84 Rz 80; vgl auch Philipp aaO § 216 Rz 26, L/St § 216 Rz 18]:) des Vergehens der Zuhälterei nach § 216 Abs 2 vierter Fall StGB (idF vor dem StRÄG 2004) schuldig erkannt (I), weil er von 1. Oktober 2000 bis Mai 2004 in L***** und Le***** mit dem Vorsatz, sich aus der gewerbsmäßigen Unzucht einer anderen Person eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, insgesamt 12 namentlich genannten Frauen derart, dass jeweils zumindest zwei davon gleichzeitig ausgenützt wurden, einen Teil ihrer Einkünfte aus (in nackt oder nur mit einem Slip bekleidet durchgeführter „Massage" [auch] des Geschlechtsteils ihrer männlichen Kundschaft bestehender) gewerbsmäßiger Unzucht, nämlich 40 (von eingenommenen 110 oder 80) Euro für eine einstündige „Massage" und 30 (von eingenommenen 60) Euro für eine halbstündige „Massage" (vgl US 8) sowie weitere 1 bis 3 Euro - „später" 50 Euro pro Monat - (vgl US 9) für das Beistellen einer Räumlichkeit, regelmäßige Zeitungsinserate, einen Telefondienst sowie „allfällige Reinigungsmittel und Massageöle" (vgl US 18) „abnahm". Der aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Das Tatbestandsmerkmal des „Ausnützens" einer sich prostituierenden Person ist nach hA zu bejahen, wenn der Täter für empfangene materielle Vorteile (die - wie hier - über trinkgeldartige Zuwendungen hinausgehen) keine oder nur eine verhältnismäßig geringe Gegenleistung erbringt, wozu auch das (bloße) Vermieten eines Zimmers zu weit überhöhtem Entgelt gehört (Philipp in WK2 § 216 Rz 7 f; vgl auch Fabrizy StGB9 § 216 Rz 1a, Kienapfel/Schmoller BT III § 214-217 Rz 30; SSt 59/84). Es soll damit Schmarotzertum im Vorfeld der - nur schwer nachweisbaren (Kienapfel/Schmoller BT III § 214-217 Rz 27) - Ausbeutung von Prostituierten erfasst werden. Daher genügt es, dass der Täter materielle Vorteile von der sich prostituierenden Person annimmt, denen keine entsprechenden Gegenleistungen gegenüberstehen (ÖJZ-LSK 1986/3).

Vorliegend hatte eine Prostituierte von ihrem Verdienst für einstündige Prostitutionsausübung jeweils 40, von jenem für eine halbstündige Prostitutionsausübung jeweils 30 Euro an den Angeklagten zu leisten, während ihr selbst im ersten Fall je nach Art der „Massage" 70 oder 40 Euro, im zweiten Fall 30 Euro verblieben; abzüglich der Kosten für einen Telefondienst (1 bis 3 Euro pro „Massage", „später" 50 Euro pro Monat).

Im Gegenzug sorgte der Angeklagte für regelmäßige Werbung im Internet und einschlägigen Druckschriften, sachgerecht eingerichtete Massagezimmer, einen ständigen Telefondienst zur Vermittlung von Kunden sowie - insoweit blieben die Entscheidungsgründe vage (US 9) - „allfällige Reinigungsmittel und Massageöle". Auch eine Art Einschulung in die am Kunden vorzunehmende „Massagetätigkeit" nahm der Angeklagte vor.

Über den wirtschaftlichen Wert dieser Gegenleistungen trifft das angefochtene Urteil indes keine Feststellungen, sodass sich das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung einer rechtlichen Beurteilung entzieht.

Der aus Z 9 lit a zutreffend aufgezeigte Rechtsfehler infolge fehlender Feststellungen zum Wert der durch den Angeklagten erbrachten Gegenleistung macht Urteilsaufhebung und Rückverweisung an das Erstgericht in Betreff des zu I. ergangenen Schuldspruchs unumgänglich (§§ 285e erster Satz, 288 Abs 2 Z 3 zweiter Satz StPO). Angesichts der Strafdrohung für Zuhälterei nach § 216 Abs 2 StGB kommt die Aburteilung dem Einzelrichter zu (§ 13 Abs 2 StPO). Zur rechtsfehlerfreien Beurteilung des Austauschverhältnisses im Sinn eines Ausnützens Prostituierter müsste in sachverhaltsmäßiger Hinsicht (durch Feststellung) die (solcherart entscheidende) Frage, ob die Leistung des Angeklagten aus wirtschaftlicher Sicht annähernd der Höhe der an ihn geleisteten Zahlungen entsprach, verneint werden. Dazu bedarf es bei der vorliegenden Fallgestaltung auf der Begründungsebene - erforderlichenfalls unter Beiziehung eines Sachverständigen - eines Vergleichs mit ähnlich ausgestalteten Vertragsbeziehungen des Wirtschaftslebens außerhalb des Prostitutionsgewerbes.

Wird die Frage verneint, ist die - mängelfrei begründete - Feststellung vonnöten, dass der Angeklagte dieses Missverhältnis gegenüber ähnlichen Fallgestaltungen des Wirtschaftslebens außerhalb des Prostitutionsgewerbes erkannte (§ 5 Abs 1 StGB). Darauf hat die Mängelrüge zutreffend verwiesen.

Entgegen der auf Mayerhofer StGB5 § 216 E 10a (OLG Innsbruck) gestützten Rechtsauffassung des Schöffengerichtes ist kein Grund ersichtlich, bei der Gegenleistung des Angeklagten diejenigen Kosten, die dieser „vor der ‚Vermietung' der Räume zu deren Sanierung und Adaptierung aufgewendet hat", außer Betracht zu lassen.