JudikaturJustiz13Os58/22m

13Os58/22m – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. September 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. September 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärter Mag. Kornauth in der Strafsache gegen * M* wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB, AZ 95 Hv 136/21x des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über den Antrag des Verurteilten auf Erneuerung des Strafverfahrens nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

[1] Mit Urteil der Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 8. Februar 2022 (ON 29) wurde * M* des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Unter einem erging der Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO.

[2] Das Oberlandesgericht Wien gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Genannten wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe und wegen der Aussprüche über die Schuld und die Strafe mit Urteil vom 12. Mai 2022, AZ 23 Bs 83/22g, nicht Folge. Ebenso verfuhr es mit der impliziten Beschwerde des M* gegen den Widerrufsbeschluss (ON 37).

Rechtliche Beurteilung

[3] Mit der beim Obersten Gerichtshof am 10. Juni 2022 eingelangten Eingabe vom 3. Juni 2022 begehrt der Verurteilte die Erneuerung des Strafverfahrens „gegen: GZ:. 95 Hv 136/21x 38“ (zusammengefasst) mit der Behauptung, er sei unschuldig verurteilt und von den Verteidigern und der Erstrichterin „nicht fair behandelt“ worden (ON 42).

[4] Der Antrag war schon mangels Verteidigerunterschrift als unzulässig zurückzuweisen (§ 363b Abs 2 Z 1 StPO). Ein Verbesserungsverfahren sieht das Gesetz für diesen Fall nicht vor (RIS Justiz RS0122736 [T8] und RS0122737 [T30]).

[5] Im Übrigen wäre der Antrag auch deshalb zurückzuweisen gewesen, weil er die bekämpfte Entscheidung nicht konkret bezeichnet (siehe aber RIS Justiz RS0122736 [T7]) und überdies nicht deutlich und bestimmt darlegt, worin eine – vom angerufenen Obersten Gerichtshof sodann selbst zu beurteilende – Grundrechtsverletzung im Sinn des § 363a Abs 1 StPO zu erblicken sein soll (siehe aber RIS Justiz RS0124359).

Rechtssätze
3
  • RS0122737OGH Rechtssatz

    18. März 2024·3 Entscheidungen

    Bei einem nicht auf ein Urteil des EGMR gestützten Erneuerungsantrag handelt es sich um einen subsidiären Rechtsbehelf. Demgemäß gelten alle gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 Abs 1 und 2 MRK sinngemäß auch für derartige Anträge. So kann der Oberste Gerichtshof unter anderem erst nach Rechtswegausschöpfung angerufen werden. Hieraus folgt für die Fälle, in denen die verfassungskonforme Auslegung von Tatbeständen des materiellen Strafrechts in Rede steht, dass diese Problematik vor einem Erneuerungsantrag mit Rechts- oder Subsumtionsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 oder Z 10, § 468 Abs 1 Z 4, § 489 Abs 1 zweiter Satz StPO) geltend gemacht worden sein muss. Steht die Verfassungskonformität einer Norm als solche in Frage, hat der Angeklagte unter dem Aspekt der Rechtswegausschöpfung anlässlich der Urteilsanfechtung auf die Verfassungswidrigkeit des angewendeten Strafgesetzes hinzuweisen, um so das Rechtsmittelgericht zu einem Vorgehen nach Art 89 Abs 2 B-VG zu veranlassen. Wird der Rechtsweg im Sinn der dargelegten Kriterien ausgeschöpft, hat dies zur Folge, dass in Strafsachen, in denen der Oberste Gerichtshof in zweiter Instanz entschieden hat, dessen unmittelbarer (nicht auf eine Entscheidung des EGMR gegründeter) Anrufung mittels Erneuerungsantrags die Zulässigkeitsbeschränkung des Art 35 Abs 2 lit b erster Fall MRK entgegensteht, weil der Antrag solcherart „im wesentlichen" mit einer schon vorher vom Obersten Gerichtshof geprüften „Beschwerde" übereinstimmt.