JudikaturJustiz13Os43/90

13Os43/90 – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. Juni 1990

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.Juni 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Brustbauer, Dr. Kuch und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Dr. Ungerank als Schriftführer in der Strafsache gegen Richard R*** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, 148, zweiter Fall, 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 22.Dezember 1989, GZ 29 Vr 821/88-105, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Richard R*** des Vergehens der Veruntreuung nach dem § 133 Abs 1 und Abs 2, erster Fall StGB (Punkt A des Urteilssatzes), des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, 148, zweiter Fall, 15 StGB (Punkt B) sowie der Vergehen der fahrlässigen Krida nach den §§ 159 Abs 1 Z 1 und 2, 161 StGB und nach dem § 114 Abs 1 und Abs 2 ASVG schuldig erkannt. Darnach hat er

(zu A) in der Zeit vom 28.Juli 1987 bis Februar 1988 in verschiedenen Orten Tirols in insgesamt sieben Fällen ihm anvertraute Güter in einem 25.000 S übersteigenden Werte sich mit Bereicherungsvorsatz zugeeignet;

(zu B) in der Zeit vom 3.Juli 1987 bis 7.September 1987 in Vomperbach mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern und sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Armin B*** durch die Vorlage von falschen oder verfälschten Bestellscheinen in Verbindung mit der Behauptung, es würde sich um einen ordnungsgemäß zustandegekommenen Geschäftsabschluß handeln, sohin durch Täuschung über Tatsachen, zur Ausfolgung von Provisionen, sohin zu Handlungen verleitet, welche den Genannten an seinem Vermögen schädigten, wobei der beabsichtigte Gesamtschaden 25.000 S nicht überstieg, und zwar in insgesamt 24 Fällen, die im Urteilsspruch individualisiert werden; (zu C) in Zell am Ziller und Mayrhofen als Geschäftsführer der Firma R*** Gesellschaft mbH, sohin als leitender Angestellter (§ 309 StGB) einer juristischen Person, die Schuldnerin mehrerer Gläubiger war,

1. in der Zeit vom 8.Oktober 1984 bis 31.Dezember 1985 fahrlässig ihre Zahlungsunfähigkeit dadurch herbeigeführt, indem er die Führung des Geschäftsbetriebes trotz mangelndem Eigenkapital und trotz mangelnder kaufmännischer Kenntnisse und Fähigkeiten übernahm und das Rechnungswesen völlig vernachlässigte;

2. in der Zeit vom 1.Jänner 1986 bis 3.April 1987 in Kenntnis ihrer Zahlungsunfähigkeit fahrlässig die Befriedigung von Gläubigern der Gesellschaft mbH dadurch teilweise geschmälert, teilweise überhaupt vereitelt, daß er in Fortführung des Betriebes neue Schulden einging, andererseits Schulden bezahlte und die Eröffnung des Ausgleichsverfahrens oder Konkurses nicht beantragte; (zu D) in der Zeit von Jänner 1987 bis zum 23.März 1987 in Zell am Ziller als Geschäftsführer der Firma R*** Gesellschaft mbH, sohin als das zur Vertretung befugte Organ einer juristischen Person, die zur Einzahlung von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung verpflichtet war, die für die Monate Dezember 1986, Jänner 1987 und Februar 1987 fälligen Beiträge von Dienstnehmern zur Sozialversicherung in Höhe von mindestens 7.000 S einbehalten und der Tiroler Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte als dem berechtigten Versicherungsträger vorenthalten.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte im Schuldspruch mit einer auf die Z 5 a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch - gleich der Staatsanwaltschaft - mit Berufung.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu. In seiner Tatsachenrüge (Z 5 a) bringt der Angeklagte zum Urteilsfaktum A 6 vor, das Erstgericht habe es "auf Grund unrichtiger Beweiswürdigung" unterlassen, seiner Verantwortung zu folgen, daß er zur Weitergabe der Warenkollektion an die Kunden berechtigt gewesen sei und verweist in diesem Zusammenhang auf die (allgemeine) Üblichkeit der Weitergabe von Warenmustern durch Vertreter an Kunden. Zum Faktum A 7 behauptet der Beschwerdeführer, das Erstgericht habe infolge unrichtiger Beweiswürdigung sein Vorbringen einer Aufrechnung der kassierten und einbehaltenen Beträge gegen Gehaltsforderungen nicht berücksichtigt. Damit vermag der Angeklagte keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des dem angefochtenen Schuldspruch zugrundeliegenden entscheidenden Sachverhalts - zum erstgenannten Faktum wird als Urteilsgrundlage die Aussage des Armin B*** angeführt (US 28 unten iVm AS 119/II zweiter Absatz); im zweiten Faktum stützt sich das Gericht ersichtlich auf das Gutachten des Buchsachverständigen Prof. Mag. Ernst M***, ON 74/II, und die Aussage des Zeugen Johann K*** (siehe insb AS 123/II Mitte, über die fehlende Aufrechnungserklärung, US 28 unten, 29 oben, auch US 16 oben) - zu wecken.

Der in diesem Zusammenhang (unter dem Grund der Z 9 lit a) erhobene Vorwurf, das Erstgericht habe es sich "hinsichtlich der Feststellungen zur subjektiven Tatseite doch wohl etwas zu leicht gemacht" und hätte sich mit der bezüglichen Begründung "mehr Mühe geben müssen", stellt sich weder als Behauptung eines Feststellungsmangels noch (mangels jeglicher Substantiierung) der Sache nach als Geltendmachung eines Begründungsmangels (Z 5) dar. Das als Mängelrüge aufzufassende Vorbringen, das Gericht setze sich nicht damit auseinander, daß Warenkollektionen üblicherweise an Kunden verschenkt werden und habe sich nicht damit befaßt, ob der Beschwerdeführer für die Fa. E*** kassierte Beträge aufgerechnet habe, übergeht die vom Erstgericht für die bezüglichen Sachverhaltsannahmen gegebene Begründung (US 28 ff). Soweit der Angeklagte formell im Rahmen der Rechtsrüge zu den Taten Faktum B vorbringt, das Gericht hätte sich bei der für die Annahme der subjektiven Tatseite gegebenen Begründung damit auseinandersetzen müssen, daß ihn das Schriftsachverständigengutachten ON 89/III nur mit hoher Wahrscheinlichkeit als Urheber der Fälschung der Bestellerunterschriften auf dem größeren Teil der gegenständlichen Bestellscheine bezeichnet (und damit der Sache nach eine unvollständige Begründung iS der Z 5 geltend macht), übersieht er, daß dieses Gutachten nicht Grundlage für die Annahme der Täterschaft des Angeklagten bildet, sondern diesem lediglich die Eignung, den Angeklagten zu entlasten, abgesprochen wurde (US 31 letzter Abs ). Die dem Angeklagten nachteiligen Feststellungen wurden primär auf die Aussagen des Armin B*** und der (angeblichen) Kunden (bzw deren Verwandten oder Mitarbeiter) gestützt (US 29 2. Abs und ff). Die Urteilsannahme, daß an jenem Teil der ge- oder verfälschten Bestellscheine, auf denen keine mit einiger Wahrscheinlichkeit vom Angeklagten stammende Bestellerunterschrift steht, von einer von ihm hierum ersuchten dritten Person manipuliert wurde (US 31x), ist eine durchaus nachvollziehbare und lebensnahe Schlußfolgerung aus den Zeugenaussagen der als Besteller bezeichneten Personen, im Zusammenhalt mit dem Umstand, daß der Angeklagte auch in diesen Fällen - wie in jenen, in welchen das Schriftgutachten für die Wahrscheinlichkeit einer von ihm selbst vorgenommenen Fälschung spricht - ungerechtfertigte Provisionen beanspruchte. Im Grunde Gleiches gilt für die bekämpfte Feststellung des Handelns mit dem § 70 StGB entsprechender Absicht.

Dem Beschwerdevorbringen zuwider fehlt es auch keineswegs an einer tragfähigen Begründung der zur subjektiven Tatseite der fahrlässigen Krida (Faktum C) getroffenen Feststellungen; der Schöffensenat verwies hier - was die Rüge übergeht - auf das Gutachten des Sachverständigen Mag. Ernst M*** und auf die Aussage des Zeugen Mag. Klaus P*** (vgl US 32 vorletzter Abs bis US 33 1. Abs ).

Ein Widerspruch der Annahme des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit am 31.Dezember 1985 (US 22) zur Urteilsfeststellung hinsichtlch Pkt D des Schuldspruches, daß dem Angeklagten in der Zeit von Jänner 1987 bis 23.März 1987 noch hinreichende Mittel zur Weiterleitung der gegenständlichen Dienstnehmerbeiträge an die Sozialversicherung zur Verfügung gestanden wären, und zur Annahme der subjektiven Tatseite iS des § 114 Abs 1 und 2 ASVG (US 24), ist nicht erkennbar: Die Unfähigkeit, binnen angemessener Frist und bei redlicher Gebarung alle Verbindlichkeiten zu begleichen, schließt weder die Fähigkeit zur Einzahlung von Dienstnehmerbeiträgen an die Sozialversicherung aus, noch den Vorsatz, diese Beträge dennoch einzubehalten. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung als zum Teil nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt (§ 285 d Abs 1 Z 1 StPO iVm § 285 a Z 2 StPO), im übrigen aber als als offenbar unbegründet (§ 285 d Abs 1 Z 2 StPO) zurückzuweisen.

Dies hat zur Folge, daß über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten das Oberlandesgericht Innsbruck zu entscheiden haben wird (§ 285 i StPO).