JudikaturJustiz13Os42/02

13Os42/02 – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. Mai 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. Mai 2002 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Steindl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Stefan G***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und anderer strafbarer Handlungen, über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Steyr vom 24. Jänner 2002, GZ 11 Hv 1020/01g-94, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen 1, 2, 3 und 4 und demgemäß auch im Strafausspruch und der Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB (einschließlich des Ausspruches über die Anrechnung der Vorhaft) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Geschworenengericht beim Landesgericht Steyr zurückverwiesen, wobei der unberührt bleibende Wahrspruch zu den Hauptfragen 1, 2, 3 und 4 der Entscheidung mit zugrunde zu legen ist.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden angefochtenen Urteil wurde Stefan G***** der Verbrechen (1) des Mordes nach § 75 StGB und der (3) Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB, weiters der Vergehen (2) der Störung der Totenruhe nach § 190 Abs 1 StGB sowie (4) nach § 27 Abs 1 SMG schuldig erkannt. Danach hat er

(1) am 9. Februar 2001 in Bad Hall den Roman L***** durch mehrere wuchtige Schläge mit einem Gipsbeil gegen Hals und Genickbereich sowie zahlreiche Stiche mit einem Fleischermesser, Klingenlänge 26 cm, in den Brust- und Bauchbereich getötet;

(2) zwischen 9. und 16. Februar 2001 in Bad Hall und Sierning den Leichnam des Roman L***** misshandelt und verunehrt, indem er in zerstückelte, die Hoden abtrennte und die übrigen Leichenteile in Plasticksäcke verpackte, zunächst im Kofferraum seines PKWs verstaute, anschließend in seiner Wohnung unter einer Blumeninsel einmauerte und zuletzt den Rumpf wieder heraustemmte und nahe dem Steyrfluss vergrub;

(3) am 13. Februar 2001 in Garsten den Andreas F***** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass er gegenüber Beamten der Mordkommission des Landes-Gendarmeriekommandos erklärte, nicht er, sondern Andreas F***** habe am Morgen des 9. Februar 2001 in seiner Wohnung in Bad Hall den Roman L***** getötet, während er selbst kurz eingenickt sei, mithin den Genannten des mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedrohten Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB wissentlich falsch verdächtigte,

(4) von etwa Mitte 1992 bis Mitte Februar (ergänze: 2001) in Bad Hall und an anderen Orten den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift erworben, besessen und anderen überlassen, indem er in wiederholten Fällen Haschisch, LSD, Ecstasy und Kokain ankaufte und konsumierte, teils Haschisch in seinem Bekanntenkreis zum gemeinsamen Verbrauch zur Verfügung stellte.

Die Geschworenen haben die Hauptfragen, nämlich fortlaufende Zahl 1 nach § 75 StGB, fortlaufende Zahl 3 nach § 190 Abs 1 StGB, fortlaufende Zahl 5 nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB und fortlaufende Zahl 7 nach § 27 Abs 1 SMG jeweils stimmeneinhellig bejaht und die auf das Vorliegen von Zurechnungsunfähigkeit nach § 11 StGB zu den betreffenden Hauptfragen gerichtete Zusatzfragen fortlaufende Zahl 2, 3, 6 und 8 (als entfallen) nicht beantwortet. Der Angeklagte bekämpft die Schuldsprüche mit Nichtigkeitsbeschwerde aus Z 6, 8 und 9 des § 345 Abs 1 StPO, die sich insgesamt als berechtigt erweist.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend moniert er bereits aus Z 8, dass die Geschworenen in der Rechtsbelehrung S 12 und 22 ff über das Verhältnis der Fragen zueinander zu Unrecht angewiesen wurden, die an sie gerichteten Zusatzfragen nur dann zu beantworten, wenn die entsprechenden Hauptfragen 1, 3, 5 und 7 verneint würden, (wobei sich diese Anleitung auch einleitend der betreffenden Fragen an die Geschworenen findet; vgl fortlaufende Zahl 2, 4, 6, 8; "Zusatzfrage; nur zu beantworten für den Fall der Verneinung der Hauptfrage"). Sind nach dem Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung Strafbefreiungsgründe indiziert, die in § 313 StPO (zusammengefasst) als Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgründe bezeichnet werden, dann ist das Gericht kraft der imperativen Vorschrift des § 313 StPO verpflichtet, eine entsprechende Zusatzfrage zu stellen, die bei Bejahung der zugehörigen Hauptfragen zu beantworten ist. Vorliegendenfalls wurden die Zusatzfragen zwar gestellt, jedoch auf Grund der verfehlten Rechtsbelehrung den Geschworenen keine Möglichkeit gegeben, darüber auch abzusprechen, dh sich mit der Frage der allenfalls gegebenen Zurechnungsunfähigkeit auseinander zu setzen.

Der falschen Belehrung folgend, haben die Geschworenen nach Beantwortung der Hauptfragen jeweils mit Ja, die Beantwortung der Zusatzfrage entfallen lassen.

Die zu Unrecht unterlassene Beantwortung der Zusatzfragen 2, 4, 6 und 8 bedeutet jedoch Nichtigkeit des Schuldspruchs.

Überdies ist die Beschwerde mit dem Vorbringen im Recht, dass die Rechtsbelehrung auf Seite 22 f zu allen Zusatzfragen fälschlich ausführt, dass bei Verneinung der Zusatzfrage nach § 11 StGB der Angeklagte von den jeweils angelasteten Verbrechen bzw Vergehen freizusprechen sei. Richtigerweise wäre ein Angeklagter nach Bejahung der Hauptfrage und Verneinung der nach dem Vorliegen der Voraussetzungen der Zurechnungsunfähigkeit gerichteten Zusatzfrage, so nicht weitere Fragen gestellt werden, des Deliktes der Hauptfrage schuldig zu sprechen, bei Bejahung einer derartigen Zusatzfrage hätte ein Freispruch zu erfolgen oder etwaiger Maßnahmenvollzug. Völlig widersprüchlich und nicht nachvollziehbar ist letztlich der Teil der Rechtsbelehrung Seite 17 und S 21 Mitte, unten, S 23 oben zu den Folgen der Bejahung oder Verneinung der Zusatzfrage 4 und 8, der vorgibt, der Angeklagte sei sowohl bei Bejahung als auch Verneinung der Zusatzfrage 4 (bzw 8) der jeweiligen Vergehen "gemäß § 259 Z 3 StPO" freizusprechen, was eine in sich widersprüchliche und daher nichtige Belehrung bedeutet.

Im aufgezeigten Umfang war das angefochtene Urteil im Schuld- und Strafausspruch (einschließlich des Einweisungserkenntnisses und des Ausspruchs nach § 38 StGB) aufzuheben und in diesem Umfang eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz anzuordnen (§ 349 Abs 1 StPO). Die Nichtigkeit erstreckt sich aber nicht auf jenen Teil des Verdikts, mit dem die Geschworenen die den Zusatzfragen vorausgegangenen Hauptfragen 1, 3, 5 und 7 bejaht haben; insoweit bestehen gegen eine Sonderung ("Konservierung") des Wahrspruchs in seinem mängelfreien Teil (§ 349 Abs 2 StPO) keine Bedenken (vgl SSt 47/11, 14 Os 110/92, 15 Os 75/93, 13 Os 142/99).

Im erneuerten Verfahren werden die Geschworenen nach der im obigen Sinn richtiggestellten Rechtsbelehrung über die Zusatzfragen zu entscheiden haben.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.