JudikaturJustiz13Os4/98

13Os4/98 – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Januar 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29.Jänner 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Habl und Dr.Ratz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Kubiczek als Schriftführer, in der Straf- und Anhaltesache betreffend Mag.Gerda D***** wegen des Vergehens der Kindesentziehung nach § 195 Abs 1 und Abs 2 StGB und Unterbringung gemäß § 21 Abs 1 StGB, AZ Vr 1361/97 des Landesgerichtes Wiener Neustadt, über die Grundrechtsbeschwerden der Mag.Gerda D***** gegen die Beschlüsse des Oberlandesgerichtes Wien vom 4.Dezember 1997, AZ 22 Bs 460/97, sowie vom 22.Dezember 1997, AZ 22 Bs 465,481/97, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Durch die angefochtenen Beschlüsse wurde Mag.Gerda D***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerden werden abgewiesen.

Text

Gründe:

Gegen Mag.Gerda D***** ist beim Landesgericht Wiener Neustadt eine Voruntersuchung wegen des Vergehens der Kindesentziehung nach § 195 Abs 1 und Abs 2 StGB anhängig. Sie ist verdächtig, am 24.Oktober 1997 in Ebreichsdorf ihre am 11.November 1990 geborene (unmündige) Tochter Astrid D***** aus der Macht des erziehungsberechtigten Vaters Gerhard D***** entzogen zu haben, indem sie das Mädchen von der Volksschule abholte und nach Spanien verbrachte. Über die mit internationalem Haftbefehl gesuchte, am 10.November 1997 verhaftete Beschuldigte wurde mit Beschluß vom 11.November 1997 die Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr gemäß § 180 Abs 2 Z 1 und 3 lit b StPO verhängt.

Ihrer dagegen gerichteten Beschwerde gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluß vom 4.Dezember 1997 (AZ 22 Bs 460/97 = ON 55 des Vr-Aktes) nicht Folge und erkannte die angefochtene Entscheidung als dem Gesetz entsprechend, erachtete allerdings den Haftgrund nach § 180 Abs 2 Z 3 lit a (statt lit b) StPO als vorliegend.

Nach der ersten Haftverhandlung am 24.November 1997 (ON 36) ordnete die Untersuchungsrichterin die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus den ursprünglichen Haftgründen an, wobei sie den dringenden Tatverdacht - nach Einbeziehung des Aktes 5 U 206/97 des Bezirksgerichtes Ebreichsdorf (ON 33; S 3 h verso) und Bedachtnahme der Voruntersuchung auf dieses Faktum - zusätzlich auf das Vergehen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 StGB (Verdächtigungen im Mai und September 1997 gegenüber Jutta M*****, der Lebensgefährtin des Gerhard D*****, diese würde Drogen nehmen und verkaufen) stützte (ON 37).

Auf Grund des psychiatrischen Gutachtens des Sachverständigen Univ.Doz.Dr.Pius P***** vom 24.November 1997 (ON 40) und entsprechender Antragstellung des öffentlichen Anklägers wurde nach Durchführung einer weiteren Haftverhandlung am 10.Dezember 1997 (ON 61) die vorläufige Anhaltung der Mag.Gerda D***** gemäß § 429 Abs 4 StPO beschlossen (ON 63).

Den gegen die beiden letztgenannten Beschlüsse der Untersuchungsrichterin gerichteten Beschwerden gab das Oberlandesgericht Wien mit Entscheidung vom 22.Dezem- ber 1997 (AZ 22 Bs 465,481/97 = ON 79 des Vr-Aktes) nicht Folge.

Die Beschlüsse des Gerichtshofes zweiter Instanz vom 4. und 22. Dezember 1997 ficht Mag.Gerda D***** mit Grundrechtsbeschwerden vom 19. und 29.Dezember 1997 an (ON 78 und 82), denen keine Berechtigung zukommt.

Zur ersten Grundrechtsbeschwerde:

Rechtliche Beurteilung

Zur Bekämpfung des dringenden Tatverdachtes ist die Beschwerdeführerin an sich nicht (mehr) legitimiert, weil sie dies in der gegen den erstinstanzlichen Beschluß gerichteten Beschwerde (ON 34) nicht getan und daher diesbezüglich den Instanzenzug nicht ausgeschöpft hat (vgl Mayrhofer GRBG 1992 § 3 RN 9; 13 Os 104/97).

Im übrigen war das (in einem anderen Akt und zu einem früheren Verfahren erstattete) Gutachten des Prim.Dr.S***** vom 26.September 1997 sogar vor der jetzt aktuellen Tatzeit erstattet worden, während jenes erst am 28.November 1997 eingelangte Gutachten des Univ.Doz.Dr.Pius P***** bei der auf die Gesetzmäßigkeit beschränkte Prüfung (§ 179 Abs 6 StPO) des Haftverhängungsbeschlusses vom 11. November 1997 nicht zu verwerten war. Soweit demgegenüber die Grundrechtsbeschwerde unter Hinweis auf § 114 Abs 2 StPO eine Berücksichtigung fordert, hat das Oberlandesgericht ohnehin nach dieser Gesetzesbestimmung sofort entsprechende Aufträge an die Untersuchungsrichterin erteilt, die umgehend (s. ON 51) in dem eingangs genannten Anhaltebeschluß vom 10.Dezember 1997 mündeten.

Der Gerichtshof zweiter Instanz hat - der Beschwerde zuwider auch sonst - das Vorliegen des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr mit im Ergebnis zutreffender Begründung (insbesondere zu den schweren Folgen) angenommen, wobei dessen Modifikation (lit a statt lit b der Z 3 des § 180 Abs 2 StPO) im Hinblick auf die Austauschbarkeit dieser Varianten (vgl Mayrhofer aaO § 2 RN 57) ohne Belang (vgl 14 Os 134/97) und keine Änderung zum Nachteil (§ 114 Abs 4 StPO) ist.

Das Vorliegen der Tatbegehungsgefahr erübrigt ein Eingehen auf den weiters angenommenen Haftgrund der Fluchtgefahr.

Zur zweiten Grundrechtsbeschwerde:

Die Beschwerdeführerin bekämpfte seinerzeit den Beschluß der Untersuchungsrichterin nur im Umfang der Annahme befürchteter strafbarer Handlungen mit "schweren Folgen" (ON 68 a), sodaß sie - wie bereits ausgeführt - zu darüber hinausgehenden Anfechtungen nicht legitimiert ist (vgl abermals Mayrhofer aaO § 3 RN 9).

Entgegen der Beschwerde, die außerdem nur ihr günstig erscheinende, aus dem Zusammenhang gelöste Teile des Sachverständigengutachtens des Univ.Doz. Dr.P***** zitiert und daraus eigene Schlüsse zieht, legt das Oberlandesgericht Wien anhand einer Gesamtbetrachtung dieses Gutachtens seine rechtlichen Erwägungen zutreffend dar. Den an sich auch im Beschwerdevorbringen nicht bekämpften Rechtsbegriff der "schweren Folgen" können aber nicht erfolgreich Ausführungen des Sachverständigen entgegengestellt werden.

Da sohin durch keinen der angefochtenen Beschlüsse eine Grundrechtsverletzung stattgefunden hat, waren die Beschwerden ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.