JudikaturJustiz13Os3/00

13Os3/00 – OGH Entscheidung

Entscheidung
02. Februar 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. Februar 2000 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Mezera als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Sabine L***** wegen des Vergehens nach § 27 Abs 1 SMG über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 18. August 1999, AZ 13b Bl 487/99, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kirchbacher, jedoch in Abwesenheit der Verurteilten zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafsache gegen Sabine L***** wegen § 27 Abs 1 SMG verletzt der Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 18. August 1999, AZ 13b Bl 487/99, in seiner Begründung § 38 Abs 1 Z 1 SMG.

Text

Gründe:

Im Strafverfahren AZ 11 U 643/96 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien gegen Sabine L***** wegen § 16 Abs 1 SGG und einer anderen strafbaren Handlung wurde die Anzeige gegen die Genannte betreffend (ua) den Verdacht, sie habe am 31. Juli 1996 ein halbes Gramm Heroin erworben und besessen, am 19. Dezember 1996 gemäß § 17 SGG vorläufig zurückgelegt (S 3 verso).

Innerhalb der zweijährigen Probezeit (§ 17 Abs 1 SGG) wurde am 14. Oktober 1997 im Verfahren 13 U 1015/97t dieses Gerichtes ein Strafantrag gegen Sabine L***** wegen § 16 Abs 1 SGG (Tatzeit 10. Juni 1997) gestellt, der am 21. April 1998 zu einem Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 27 Abs 1 SMG führte.

Am 11. Mai 1999 beantragte der Bezirksanwalt die Fortsetzung des erstgenannten - nach der Aktenlage spätestens ab 16. August 1996 (siehe Ausscheidungs- und Abtretungsbeschluss: S 1) gerichtsanhängig gewesenen - Verfahrens gemäß § 38 Abs 1 Z 1 SMG und brachte einen Strafantrag gegen Sabine L***** wegen der Straftat vom 31. Juli 1996 ein. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 7. Juli 1999 (S 3 b verso f) wurde die Fortsetzung jedoch ersichtlich auf Grund der Rechtsauffassung abgelehnt, sie müsse vor Ablauf der Probezeit beantragt werden. In Stattgebung einer dagegen von der Staatsanwaltschaft ergriffenen Beschwerde kassierte das Landesgericht für Strafsachen Wien diese Entscheidung und trug (an sich zutreffend) dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auf. In der einleitend richtigen Begründung dieser Entscheidung erkannte das Landesgericht gesetzeskonform, dass es im Falle des § 38 Abs 1 Z 1 SMG genügt, wenn nur der Antrag auf Bestrafung wegen der weiteren strafbaren Handlung - nicht aber auch der Fortsetzungsantrag selbst - innerhalb der Probezeit gestellt wird. Des weiteren wurde aber auch noch die Frage aufgeworfen, (bis) wann ein solcher Fortsetzungsantrag gestellt werden kann und hiezu die Rechtsansicht vertreten, dass "mangels ausdrücklicher, im StGB enthaltener diesbezüglicher Fristenregelung dem Gedanken der Einheitlichkeit der Rechtsordnung entsprechend auf verwandte Normen", nämlich § 56 StGB zurückzugreifen sein werde. Am 8. Oktober 1999 zog die Staatsanwaltschaft allerdings den Strafantrag zurück.

Wie der Generalprokurator in der von ihm gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, steht die in der Begründung der Beschwerdeentscheidung enthaltene letztgenannte Rechtsmeinung mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Rechtliche Beurteilung

Wurde eine Anzeige gemäß § 35 Abs 1 oder 2 SMG von der Staatsanwaltschaft für eine Probezeit von zwei Jahren vorläufig zurückgelegt oder ein Strafverfahren nach Einbringung eines Strafantrages vom Gericht gemäß § 37 SMG vorläufig eingestellt und wird innerhalb der Probezeit gegen den Angezeigten wegen einer weiteren strafbaren Handlung nach dem Suchtmittelgesetz oder wegen einer im Zusammenhang mit seiner Gewöhnung an ein Suchtmittel begangenen strafbaren Handlung ein Antrag auf Bestrafung gestellt, so ist das Strafverfahren gemäß § 38 Abs 1 Z 1 SMG einzuleiten oder fortzusetzen.

Mag auch gemeinsame Führung des Verfahrens wegen der früheren Tat und jener, die zum erwähnten Bestrafungsantrag geführt hat, die Regel sein (§ 56 StPO), kann es doch - wie im vorliegenden Fall - aus verschiedenen Gründen zu Ausnahmen kommen, etwa weil die vorläufige Anzeigezurücklegung oder Verfahrenseinstellung zunächst übersehen wurde.

Das Suchtmittelgesetz enthält keine Frist für die Verfahrenseinleitung oder -fortsetzung. Zeitlich kommt es nur darauf an, dass im Fall der Z 1 des § 38 Abs 1 SMG der Strafantrag wegen der weiteren Tat innerhalb der Probezeit gestellt wird, was im vorliegenden Fall zugetroffen hat. Für die weitere Annahme einer planwidrigen Gesetzeslücke zu einer etwaigen Frist zur Verfahrenseinleitung, die Voraussetzung einer vom Beschwerdegericht erwogenen analogen Anwendung des § 56 StGB wäre, besteht - auch nach der sonstigen Begründung des in Rede stehenden Beschlusses - kein Anhaltspunkt.

Bei Einleitung oder Fortsetzung eines Strafverfahrens gemäß § 38 Abs 1 SMG ist aber zu prüfen, ob nicht Verjährung der Strafbarkeit der (früheren) Tat gemäß §§ 57 und 58 StGB eingetreten ist. Eine mögliche Verlängerung der Verjährungsfrist durch Begehung der dem Strafantrag zugrunde liegenden weiteren Tat (§ 58 Abs 2 StGB) ist dabei ebenso zu beachten, wie die Zeit der Gerichtsanhängigkeit eines Strafverfahrens gegen den Täter wegen der Tat, auf die sich die vorläufige Anzeigezurücklegung oder Verfahrenseinstellung bezog (§ 58 Abs 3 Z 2 StGB). Auch die Probezeit des § 35 SMG wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet (§ 35 Abs 8 letzter Satz SMG). Im gegebenen Fall war Verjährung des am 31. Juli 1996 gesetzten, (jetzt) nach § 27 Abs 1 SMG zu beurteilenden Verhaltens nicht eingetreten, als der - demnach zulässige - Strafantrag in gerichtliche Behandlung gezogen wurde.

Da die aufgezeigte Gesetzesverletzung für die Angeklagte letztlich keinen Nachteil bewirkte, hatte die Feststellung ohne konkrete Wirkung zu bleiben.

Rechtssätze
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