JudikaturJustiz13Os18/00

13Os18/00 – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. März 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. März 2000 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Podrazil als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Matthias S***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten und die Berufung der Staatsanwaltschaft Klagenfurt gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 5. Jänner 2000, GZ 12 Vr 606/99-20, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Gemäß § 285i StPO werden die Akten zur Entscheidung über die Berufungen dem Oberlandesgericht Graz übermittelt.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Matthias S***** wurde des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB schuldig erkannt, weil er am 5. Juli 1998 in Stall Anette L***** außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt hat, indem er ihr die Unterhose auszog, sie an den Oberarmen festhielt und sodann an ihr einen Geschlechtsverkehr vornahm.

Der Angeklagte behauptet Urteilsnichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 4 (auch Z 3), Z 5 (inhaltlich auch Z 5a) und 9 lit a StPO; er ist jedoch nicht im Recht.

Rechtliche Beurteilung

Die Einholung eines "weiteren Sachverständigengutachtens zur Frage der Glaubwürdigkeit der Zeugin Anette L*****" wurde zu Recht abgelehnt.

Zum einen wurde dazu nicht einmal im Antrag behauptet, dass einer der im Gesetz genannten Mängel des erstatteten Gutachtens (§ 126 StPO) vorliegt, sondern schlicht und unsubstantiiert in den Raum gestellt, dass das Gutachten unrichtig sei.

Im Übrigen hatte das Schöffengericht selbst anhand der vorliegenden Beweismittel die Glaubwürdigkeit der Zeugin zu prüfen und dies nicht an einen Sachverständigen zu delegieren; was auch nicht geschehen ist.

Gegen die von der Vorsitzenden (ausdrücklich vorher bekannt gegebene: siehe S 163 und Hervorhebung im Rechtsmittel), jedoch nicht in Beschlussform verfügte Vernehmung des Tatopfers gemäß § 250 Abs 3 StPO haben sich weder der Angeklagte noch der Verteidiger verwahrt. Werden seitens der Parteien in Hinsicht auf die Art der Befragung von Zeugen keine Anträge gestellt (§ 238 StPO) fällt diese in die (alleinige) Kompetenz des Vorsitzenden, nicht des Gerichtshofes, was die §§ 248 ff StPO sogar ausdrücklich anordnen. Dazu ergangene prozessleitende Verfügungen des Vorsitzenden sind nur dann Gegenstand einer Anfechtung vor dem Obersten Gerichtshof, wenn sie eine ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohte Gesetzesverletzung betreffen. § 250 Abs 3 StPO sieht eine solche Sanktion nicht vor.

Daher nur zur Klarstellung:

Liegen die - vom Beschwerdeführer gar nicht bestrittenen - Voraussetzungen für eine Beschränkung der Beteiligung an der Vernehmung eines Zeugen (der Art, dass die Parteien und ihre Vertreter dessen Vernehmung, erforderlichenfalls unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung, mitverfolgen und ihr Fragerecht ausüben können) vor, so hat der Vorsitzende die Befragung gemäß § 250 Abs 3 erster Satz StPO nach Maßgabe des § 162a Abs 2 StPO durchzuführen; insoweit tritt nach dem Willen des Gesetzgebers (aus Sicht des Art 6 MRK unbedenklich) das Parteieninteresse gegenüber demjenigen des Zeugen zurück. "Beschlussform" sieht dazu das Prozessrecht nicht vor (vgl demgegenüber § 229 Abs 1 zweiter Satz StPO). Auch gegen Verkürzungen der Verteidigungsrechte im Zuge der solcherart vorgenommenen Befragung steht die Verfahrensrüge nur bei entsprechender Antragstellung an den Gerichtshof offen.

Weil die Befragung der Zeugin - ungeachtet der örtlichen Distanz - in der Hauptverhandlung und nicht im Vorverfahren erfolgt ist, schied eine Verlesung des nach § 271 - und nicht nach § 104 - StPO aufgenommenen Protokolles (als eines solchen über eben diese Hauptverhandlung) aus. Die unterlassene Belehrung nach § 162a Abs 4 (§ 250 Abs 3 erster Satz) StPO kann schon deshalb auf sich beruhen. Entgegen der Mängel- und auch der Tatsachenrüge Z 5 (inhaltlich auch Z 5a) hat sich das Erstgericht ausführlich mit den (psychogenen) Anfällen des Tatopfers ausführlich befasst (US 8 f) und sie keineswegs, wie die Beschwerde behauptet, unberücksichtigt gelassen. Auch der Widerspruch in der Aussage dieser Zeugin zur Frage, ob sie bei Beginn der Tathandlungen geschrien hätte, blieb nicht unerwähnt, sondern wurde eingehend gewürdigt (US 7 f).

Frühere Anfälle der Zeugin, "wie sie die Beschwerde behauptet", lassen ebensowenig Bedenken gegen die festgestellte Täterschaft des Angeklagten aufkommen, wie der Umstand, dass er am Tag vor der Tat mit dieser noch keine sexuellen Handlungen unternommen hat und unmittelbar nach der Tat (auf Grund massiver Atmungsprobleme des Opfers) sich entschloss, die Rettung zu holen, um solcherart eine (weitergehende) Verletzung des Opfers zu vermeiden (vgl auch § 202 Abs 2 StGB).

Nirgends im Urteil wird behauptet - wovon aber die Beschwerde ausgeht - dass der Angeklagte zeitgleich das Opfer an den Oberarmen festhielt, dessen Unterhose auszog und er sich selbst seiner Unterhose entledigte. Die selbst gezogenen Schlüsse im Rechtsmittel, dass das Tatopfer sich der Attacken des Angeklagten nicht mehr erwehren konnte, als es noch vollständig bekleidet war, betrifft keinen entscheidenden Umstand, genausowenig, ob im Tatzeitpunkt oder erst knapp danach bei Anette L***** ein Anfall eintrat. Die von der Sachverständigen erstatteten Ausführungen zur Tatsituation können ebenfalls keine, geschweige denn erhebliche, Bedenken gegen die Täterschaft des Angeklagten erwecken.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) geht nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, indem sie aus den Ausführungen der Sachverständigen eine "masochistische Unterwerfung" des Opfers zur Tatzeit herausliest, die einer Nötigung zum Geschlechtsverkehr "inhaltlich unvereinbar gegenüber stünde". Diese Annahmen der Rechtsrüge sind urteilsfremd und missachten den mehrfach festgestellten Gewalteinsatz bei der Tatbegehung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demgemäß bereits in nichtöffentlicher Sitzung teils als unbegründet, teils als nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt zurückzuweisen (§ 285d StPO), weshalb über die Berufungen das zuständige Oberlandesgericht zu entscheiden hat.

Rechtssätze
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