JudikaturJustiz13Os130/98

13Os130/98 – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. November 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. November 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel, Dr. Rouschal, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Cihlar als Schriftführerin, in der Finanzstrafsache gegen Oswald L***** und andere Angeklagte wegen des Finanzvergehens der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde des Hauptzollamtes Wien als Finanzstrafbehörde I. Instanz gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22. April 1998, GZ 12d Vr 13380/92-205, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kirchbacher, des Privatbeteiligtenvertreters, Dr. Teibinger für das Hauptzollamt Wien als Finanzstrafbehörde I. Instanz, des Angeklagten Manfred S***** und der Verteidiger Mag. Bischof für Josef Sch***** und Dr. Barki für Manfred S*****, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Josef Sch*****, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in den Freisprüchen der Angeklagten Josef Sch***** und Manfred S***** gemäß § 214 FinStrG aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Teil des Urteils wurden die Angeklagten Josef Sch***** und Manfred S***** vom Vorwurf mehrerer Finanzvergehen gemäß § 214 FinStrG freigesprochen.

Josef Sch***** lag (unter anderem) zur Last, in Wien von Anfang 1992 bis zum 14. Dezember 1992 gewerbsmäßig im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit Oswald L***** Sachen, hinsichtlich welcher ein Schmuggel begangen wurde, nämlich Zigaretten, Wodka (A I 1) und Lebensmittel (A I 3), teils zugleich Monopolgegenstände, hinsichtlich welcher in Monopolrechte eingegriffen wurde (D I mit Bezug auf A I 1), gekauft und verhandelt zu haben. Hierin erblickte die Staatsanwaltschaft die Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 (lit a), 38 Abs 1 (lit a) FinStrG und der Monopolhehlerei nach § 46 Abs 1 (lit a) FinStrG (ON 102).

Weiters wurde Josef Sch***** und Manfred S***** wie auch Oswald L***** vorgeworfen, in Wien im selben Zeitraum gewerbsmäßig eine Verkürzung von Eingangsabgaben bewirkt zu haben, indem sie dem UNIDO-Angestellten Manfred S***** gemäß dem hier aktuellen UNIDO-Amtssitzabkommen vom 13. April 1967 zum persönlichen Gebrauch zollfrei zugekommene Waren ohne Verständigung der Zollverwaltung "anderweitig verwendeten". In der Anklageschrift wurde ein solches Verhalten einerseits (den Abnehmern) Oswald L***** und Josef Sch***** im bewußten und gewollten Zusammenwirken (B I) sowie Josef Sch***** allein (B II), andererseits (dem Übergeber) Manfred S***** angelastet (B III, vgl S 88/XII) und als Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Hinterziehung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben nach §§ 35 Abs 3, 38 Abs 1 lit a FinStrG beurteilt.

Unbekämpft wurde Oswald L***** der bezeichneten Finanzvergehen schuldig erkannt, Josef Sch***** vom Vorwurf laut B I gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Gegen die Freisprüche der Angeklagten Sch***** und S***** in den übrigen genannten Punkten gemäß § 214 FinStrG wendet sich die Finanzstrafbehörde als Privatbeteiligte (§ 200 Abs 2 lit a FinStrG) mit einer nach teilweiser Zurückziehung nur auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die berechtigt ist.

Rechtliche Beurteilung

Nach den Urteilsannahmen zu dem als Abgaben- und Monopolhehlerei inkriminierten Geschehen (A I 1 und 3, D I der Anklageschrift) stellte Josef Sch***** einen Teil seiner Firmenräume Oswald L***** zur Verfügung, der einen regen Handel mit Waren aller Art betrieb. Er bemerkte, daß L***** in den Räumen Zigaretten aufbewahrte, auch mit anderen Waren wie Kaviar und Alkoholika handelte und die Geschäfte zum Teil über den Telefonanschluß der Firma abwickelte. Sch***** hielt es ernstlich für möglich und fand sich damit ab, daß L***** mit Schmuggelgut handelte. Er kannte den Umfang der Geschäfte nicht und zog aus kriminellen Handlungen des L***** keinen finanziellen Vorteil. Gelegentlich nahm Josef Sch***** Bestellungen entgegen (US 17 f). Ob die Bestellungen Schmuggelware betrafen, ist dem Urteil nicht zu entnehmen.

Zum Vorwurf gewerbsmäßiger Verkürzung von Eingangsabgaben (B) konstatierte das Erstgericht, daß Manfred S***** im Jahr 1992 durch eine Beschäftigung bei der UNIDO als Rohrschlosser Zugang zu "steuerbefreiten" Waren hatte. Ohne eigenen Vorteil verschaffte er L***** und Sch***** zollfrei bezogene Waren. L***** handelte dabei gewerbsmäßig (US 18 f).

Weil das Erstgericht eine gewerbsmäßige Absicht der Angeklagten Josef Sch***** und Manfred S***** nicht feststellen konnte (US 18 f, 24 f), verneinte es im Hinblick auf § 53 Abs 1 lit a FinStrG die gerichtliche Kompetenz zur Ahndung der in Rede stehenden Finanzvergehen (§ 214 FinStrG; US 27 f).

Bei dieser Entscheidung wurden die finanzstrafrechtlichen Zuständigkeitsregeln für Konnexitätsfälle außer acht gelassen.

Gemäß § 53 Abs 4 FinStrG begründet die Zuständigkeit des Gerichts zur Durchführung des Strafverfahrens gegen einen unmittelbaren Täter auch die Zuständigkeit für die Durchführung des Strafverfahrens gegen die anderen vorsätzlich an der Tat Beteiligten, gleich ob unmittelbare (§ 11 erster Fall FinStrG), Bestimmungs- oder Beitragstäter (zweiter und dritter Fall des § 11 FinStrG; vgl dessen Überschrift). Bei objektiver Konnexität kann demgemäß ein Beteiligter wegen eines an sich bloß finanzstrafbehördlich zu ahndenden Finanzvergehens vom Gericht verurteilt werden (Dorazil/Harbich FinStrG § 53 Anm 9).

Vorsätzliche Beteiligung an gerichtlich strafbaren Finanzvergehen des Oswald L***** lag nicht nur Josef Sch***** (A I 1, 3 und insoweit D I), sondern auch Manfred S***** zur Last (B III iVm B I der Anklageschrift):

Subjekt des Finanzvergehens nach § 35 Abs 3 FinStrG (B) kann jeder sein, den eine entsprechende Anzeigepflicht trifft. Eine solche Pflicht folgt aus § 122 Abs 2 BAO: Wer Erzeugnisse oder Waren, für die eine Abgabenbegünstigung unter einer Bedingung gewährt worden ist, in einer Weise verwenden will, die der Bedingung nicht entspricht, hat dies vorher der Abgabenbehörde anzuzeigen. Die inkriminierte Weitergabe von gemäß dem UNIDO-Amtssitzübereinkommen vom 13. April 1967 "zum persönlichen Gebrauch und Verbrauch, jedoch nicht für Geschenks- und Verkaufszwecke zollfrei überlassener Waren an andere Personen zum Verbrauch ist eine bedingungswidrige Verwendung (vgl SSt 46/20). Einvernehmliche Weitergabe ist bei Erfüllung der übrigen Tatbestandskomponenten als Mittäterschaft von Übergeber und Abnehmer faßbar (B III iVm B I), die objektive Konnexität bedeutet (§ 53 Abs 4 FinStrG).

Das Erstgericht hätte daher unabhängig von einer gewerbsmäßigen Absicht der Angeklagten Sch***** und S***** eine Mitwirkung an dem Gerichtszuständigkeit begründenden Verhalten des Oswald L***** näher prüfen müssen. Zur rechtlichen Beurteilung ausreichende Konstatierungen wurden jedoch infolge irriger Verneinung der Zuständigkeit nicht getroffen (US 18 f).

Auch die durch objektive Konnexität begründete Gerichtskompetenz umfaßt aufgrund der Regelung subjektiver Konnexität in § 53 Abs 3 FinStrG alle Finanzvergehen eines Angeklagten, die in die örtliche und sachliche Zuständigkeit derselben Finanzstrafbehörde fielen (Dorazil/Harbich, FinStrG § 53 E 11), was für den Anklagevorwurf gegen Josef Sch***** laut B II bedeutsam ist.