JudikaturJustiz13Os118/99

13Os118/99 – OGH Entscheidung

Entscheidung
01. September 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. September 1999 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. E. Adamovic, Dr. Schmucker und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jäger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Egon G***** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB aF sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 21. Juni 1999, GZ 36 Vr 3748/98-53, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in seinem schuldigsprechenden Teil aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem auch einen rechtskräftig gewordenen Teilfreispruch enthaltenden Urteil wurde der Angeklagte Egon G***** des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB aF und des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in Innsbruck zwischen 10. November 1996 und 30. November 1998 die am 1. September 1986 geborene und sohin unmündige Jasmin G***** unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber einer seiner Erziehung unterstehenden minderjährigen Person zumindest dadurch, daß er wiederholt, zumeist mehrmals wöchentlich, von dem Mädchen an sich einen Oralverkehr durchführen ließ, zur Unzucht mißbraucht.

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 2, 3, 4 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Schon die Verfahrensrüge nach Z 2 ist berechtigt.

Die Beschwerde meint, daß die Zeugen Jasmin G***** und Kevin G***** entgegen § 152 Abs 1 "Z 3" StPO anläßlich ihrer Einvernahme vor dem Untersuchungsrichter (ON 14 und ON 13 des Aktes) nicht über dieses bzw über "sonstige allenfalls bestehende" Entschlagungsrechte belehrt worden, ihre Aussagen - und demnach auch das Urteil - sohin nichtig seien, weil entgegen der Verwahrung des Verteidigers die Protokolle über die Vernehmungen dieser Zeugen (die sich in der Hauptverhandlung gemäß § 152 Abs 1 Z 2a StPO der Aussage entschlagen hatten - S 341/I) verlesen bzw die Videoaufnahmen vorgeführt und im Urteil verwertet wurden.

Das Vorbringen ist berechtigt.

Für den Personenkreis des § 152 StPO besteht ein Zeugnisbefreiungsrecht, und zwar bei sonstiger Nichtigkeit der Aussage eines solchen Zeugen, der auf sein Entschlagungsrecht nicht ausdrücklich verzichtet hat, was in das Protokoll aufzunehmen ist (Abs 5).

Da nach den in Rede stehenden Protokollen ein solcher Verzicht der Zeugen Jasmin G***** und Kevin G***** als Angehörige (§ 72 StGB, § 152 Abs 1 Z 2 StPO) des Angeklagten nicht vorlag (das Protokoll enthält auch keine Belehrung über Entschlagungsrechte), sind ihre Aussagen (und auch deren technische Aufzeichnungen, siehe LSK 1995/77) nichtig, sodaß durch deren gegen die Verwahrung des Verteidigers erfolgte Verlesung bzw Vorführung (und Verwertung) im Urteil (zum Nachteil des Angeklagten) dieses nach § 281 Abs 1 Z 2 StPO iVm § 152 Abs 1 Z 2 und Abs 5 StPO) mit Nichtigkeit behaftet ist. Daß die Verwahrung dabei wegen anderer (hier keine Nichtigkeit begründenden) Vorgängen erfolgte, schadet dabei nicht, ist doch zur Legitimation zur Beschwerde bloß ein unmißverständlicher und ausdrücklich erklärter Widerspruch, der nicht an eine bestimmte Form gebunden ist, erforderlich (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 2 E 11).

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war - in Übereinstimmung mit der Meinung der Generalprokuratur - das angefochtene Urteil, das in seinem freisprechenden Teil unberührt zu bleiben hatte, im Schuldspruch bereits in nichtöffentlicher Sitzung aufzuheben (§ 285e StPO), wodurch auf die sonst noch geltend gemachten Nichtigkeitsgründe nicht mehr weiter einzugehen ist, und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Demgemäß war der Angeklagte mit seiner Berufung auf die Kassation des Schuldspruchs zu verweisen.